c) Der Gnadendurchbruch der Masse

[163] Der weichherzige Korrespondent, dessen Belehrung wir soeben beiwohnten, stand in einem gemütlichen Verhältnisse zu der Kritik. Die Spannung der Masse mit der Kritik ist an ihm nur auf eine idyllische Weise angedeutet. Beide Seiten des welthistorischen Gegensatzes verhielten sich wohlmeinend und höflich, darum exoterisch zueinander.

Die kritische Kritik in ihrer sanitätstwidrigen, geisterschütternden Wirkung auf die Masse erscheint erst an einem Korrespondenten, der mit dem einen Fuß schon in der Kritik, mit dem andern noch in der profanen Welt steht. Er repräsentiert die »Masse« in ihren innern Kämpfen mit der Kritik. In manchen Momenten scheint es ihm, »daß Herr Bruno und seine Freunde die Menschheit nicht verstehen«, »die eigentlich Verblendeten sind.« Er korrigiert sich sogleich:

»Ja, es steht mir ganz sonnenklar vor Augen, daß Sie recht haben und daß Ihre Gedanken wahr sind, aber entschuldigen Sie, das Volk hat auch nicht unrecht... Ach ja! das Volk hat recht... Daß Sie recht haben, kann ich nicht leugnen... Ich weiß wirklich nicht, wo das alles hinaus soll: Sie werden sagen... nun, so bleib doch zu Hause... Ach, ich kann nicht mehr... Ach... man müßte sonst am Ende verrückt werden... Sie werden wohlwollend aufnehmen... Glauben Sie mir, von der gewonnenen Erkenntnis wird es einem manchmal so dumm, als ginge einem ein Mühlrad im Kopf herum.«

Auch ein anderer Korrespondent schreibt, daß er »mitunter die Fassung verliere.« Man sieht. In jenem massenhaften Korrespondenten arbeitet die kritische Gnade am Durchbruch. Der arme Wurm! Die sündhafte Masse zieht ihn von der einen Seite, die kritische Kritik von der andern. Es ist nicht die gewonnene Erkenntnis, welche den Katechumenen der kritischen Kritik in diesen Zustand von Hebetismus wirft, es ist die Glaubens- und Gewissensfrage, kritischer Christus oder Volk, Gott oder Welt, Bruno Bauer und seine Freunde oder profane Masse! Wie aber dem Durchbruch der göttlichen Gnade die äußerste Zerrissenheit des Sünders vorhergeht, so ist eine niederschlagende Verdummung der Vorläufer der kritischen Gnade. Kommt diese endlich zum Durchbruch, so verliert der Auserwählte zwar nicht die Dummheit, wohl aber das Bewußtsein der Dummheit.[163]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1957, Band 2, S. 163-164.
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