c) Musterwirtschaft zu Bouqueval

[211] Rudolph stiftet eine Musterwirtschaft zu Bouqueval. Der Ort ist um so glücklicher gewählt, als er noch feudaler Erinnerungen sich erfreut – nämlich eines chateau seigneurial.

Jeder der sechs männlichen Arbeiter, welche diese Pächterei beschäftigt, erhält 150 écus oder 450 Frcs., jede der weiblichen Arbeiterinnen 60 écus oder 180 Frcs. Jährlichen Arbeitslohn. Sie haben außerdem freies Essen und freie Wohnung. Das gewöhnliche alltägliche Essen der Leute von Bouqueval besteht aus einer »formidablen« Platte Schinken, aus einer nicht minder furchtbaren Platte Hammelfleisch und endlich aus einem nicht minder massenhaften Stück Kalbfleisch, wozu als Nebengerichte zwei Wintersalate, zwei große Käse, Erdäpfel, Zider etc. hinzukommt. Jeder der sechs männlichen Arbeiter arbeitet zweimal mehr als der gewöhnliche französische Ackerbautaglöhner.

Da die ganze Summe des Jährlich von Frankreich produzierten Einkommens bei gleicher Teilung im Durchschnitt nur 93 Frcs. betrüge, da die unmittelbar mit Landbau beschäftigte Einwohnerzahl Frankreichs 2/3 der Gesamtbevölkerung beträgt, so kann man schließen, welche Revolution nicht nur in der Verteilung, sondern auch in der Produktion des Nationalreichtums[211] die allgemeine Nachahmung der Musterwirtschaft des deutschen Kalifen hervorbringen würde.

Demnach hat Rudolph diese ungeheure Vergrößerung der Produktion nur dadurch erreicht, daß er jeden Arbeiter zweimal soviel wie bisher arbeiten und sechsmal soviel verzehren läßt.

Da der französische Bauer sehr fleißig ist, so müssen Arbeiter, die zweimal soviel arbeiten, übermenschliche Athleten sein, worauf auch die »formidablen« Fleisch-Schüsseln hindeuten sollen. Wir können also annehmen, daß jeder dieser sechs Arbeiter täglich wenigstens ein Pfund Fleisch verzehrt.

Wenn alles in Frankreich produzierte Fleisch gleich verteilt würde, so käme auf den Kopf täglich noch nicht 1/4 Pfund Fleisch. Man sieht also, welche Revolution auch in dieser Hinsicht das Beispiel Rudolphs hervorrufen würde. Die Landbaubevölkerung würde allein mehr Fleisch verzehren, als in Frankreich produziert wird, so daß Frankreich durch diese kritische Reform aller Viehzucht überhoben würde.

Der fünfte Teil des Bruttoertrags, welchen Rudolph, nach dem Berichte des Verwalters von Bouqueval, des Vaters Chatelain, außer dem hohen Salär und der luxuriösen Beköstigung den Arbeitern zukommen läßt, ist nichts anderes als seine Grundrente. Man nimmt nämlich nach einer Durchschnittsberechnung an, daß im allgemeinen, nach Abzug aller Produktionskosten und des Gewinns für das Betriebskapital, ein Fünfteil des Bruttoertrags für den französischen Grundeigentümer übrigbleibt oder daß seine Rentenquote sich auf den fünften Teil des Bruttoertrags beläuft. Obgleich nun Rudolph den Gewinn seines Betriebskapitals unstreitig unverhältnismäßig verringert, indem er die Ausgabe für die Arbeiter unverhältnismäßig steigert – nach Chaptal (»De l'industrie française«, I, 239) ist der Durchschnittspreis der jährlichen Einnahmen der französischen Lohnbauern 120 Frcs. –, obgleich er seine ganze Grundrente den Arbeitern schenkt, berichtet dennoch Vater Chatelain, daß Monseigneur bei dieser Methode sein Einkommen steigere und dergestalt die andern unkritischen Grundeigentümer zu einer ähnlichen Wirtschaft anfeure.

Die Musterwirtschaft von Bouqueval ist ein bloßer phantastischer Schein; ihr verborgener Fonds ist nicht der natürliche Grund und Boden von Bouqueval, sondern der märchenhafte Fortunatussäckel Rudolphs!

Die kritische Kritik lärmt:

»Man sieht es dem ganzen Plan auf den ersten Blick an, daß er kein Utopien ist.«

Nur die kritische Kritik kann es einem Fortunatussäckel auf den ersten Blick ansehen, daß er kein Utopien ist. Der kritische erste Blick ist – der »böse Blick«![212]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1957, Band 2, S. 211-213.
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