Indem die Internationale Arbeiter-Assoziation es unternahm, die zerstreuten Kräfte des gesamten Proletariats in einem Bunde zusammenzufassen und so der lebendige Repräsentant der Interessengemeinschaft, welche die Arbeiter vereinigt, zu werden, mußte sie notwendig den Sozialisten jeder Schattierung den Eintritt offenhalten. Ihre Gründer und die Vertreter der Arbeiterorganisation beider Welten, die auf den Internationalen Kongressen die Allgemeinen Statuten der Assoziation sanktionierten, vergaßen, daß gerade die Weite ihres Programms selbst den Deklassierten1 erlauben würde, sich einzuschleichen und im Schoße der Assoziation geheime Organisationen zu bilden, deren Tätigkeit sich nicht gegen die Bourgeoisie und die bestehenden Regierungen, sondern gegen die Internationale selbst richten würde. Dieses war der Fall mit der Allianz der sozialistischen Demokratie.
Auf dem Haager Kongreß beantragte der Generalrat eine Untersuchung über diese geheime Organisation. Der Kongreß beauftragte mit derselben eine Kommission von fünf Mitgliedern, den Bürgern Cuno, Lucain, Splingard, Vichard und Walter (ausgeschieden), welche in der Sitzung vom 7. September ihren Bericht erstattete. Der Kongreß beschloß:
1. Michail Bakunin als Gründer der Allianz und wegen einer persönlichen Tatsache aus der Internationale auszuschließen;[331]
2. James Guillaume als Mitglied der Allianz auszuschließen;
3. die auf die Allianz bezüglichen Dokumente zu veröffentlichen.
Infolge der Zerstreuung ihrer Mitglieder in verschiedenen Ländern sah sich die erwähnte Untersuchungskommission völlig außerstande, die Dokumente, welche ihrem Berichte zugrunde gelegen, zu veröffentlichen, und hat daher Bürger Vichard, das einzige in London wohnende Kommissionsmitglied, dieselben der Protokollkommission zugestellt, welche sie jetzt unter eigner Verantwortlichkeit in dem nachfolgenden Bericht veröffentlicht.
Die auf die Allianz bezüglichen Akten waren so umfangreich, daß die Kommission in ihren Sitzungen während des Kongresses nur Zeit hatte, von den für einen praktischen Schluß wichtigsten Dokumenten Kenntnis zu nehmen; so z.B. sind ihr die meisten russischen Aktenstücke nicht unterbreitet worden. Der seitens der Kommission dem Kongresse erstattete Bericht genügt daher heute nicht mehr, da er nur einen Teil der fraglichen Angelegenheit umfaßt. Um dem Leser nun den Sinn und die Bedeutung dieser Dokumente verständlich zu machen, sind wir genötigt, als Geschichtsschreiber der Allianz aufzutreten.
Die Aktenstücke, welche wir veröffentlichen, gehören mehreren Kategorien an. Ein Teil derselben ist bereits in einzelnen Stücken, und zwar meistens in französischer Sprache, veröffentlicht; man muß sie jedoch, um den Geist der Allianz deutlich zu erkennen, mit den anderen zusammenbringen, denn diesen gegenübergestellt erscheinen sie in einem neuen Lichte. Zu diesem Teile gehört das Programm der öffentlichen Allianz. Andere Aktenstücke gehören der Internationalen an, wieder andere dem spanischen Zweige der geheimen Allianz, deren Existenz im Frühjahr 1871 durch Mitglieder der Allianz öffentlich aufgedeckt wurde. Wer die spanische Bewegung dieser Epoche aufmerksam verfolgt hat, wird in ihnen nur genauere Angaben über Tatsachen finden, welche bereits mehr oder weniger der Öffentlichkeit angehören. Die Bedeutung dieser Dokumente beruht nicht darauf, daß sie zum ersten Male veröffentlicht werden, sondern darauf, daß sie zum ersten Male in einer Art zusammengestellt sind, welche die gemeinsame geheime Tätigkeit, von der sie ausfließen, enthüllt; vor allem aber werden sie wichtig, wenn wir sie mit den beiden folgenden Kategorien vergleichen. Die erste derselben besteht aus Dokumenten in russischer Sprache, welche das wahre Programm und die Art der Tätigkeit der Allianz aufdecken. Diese Dokumente waren bisher unter dem Schutze der Sprache, in[332] welcher sie geschrieben sind, im Westen unbekannt geblieben, und dieser Umstand hatte ihren Verfassern gestattet, ihrer Phantasie und ihrer Redeweise freien Lauf zu lassen. Die getreue Übersetzung, welche wir von ihnen geben, wird dem Leser Gelegenheit geben, den intellektuellen, moralischen, politischen und ökonomischen Wert der Häupter der Allianz zu bemessen.
Die letzte Kategorie besteht aus nur einem Stücke: den geheimen Statuten der Allianz; es ist das einzige Dokument von einiger Ausdehnung, welches zum ersten Male in diesem Bericht veröffentlicht wird. Man wird sich vielleicht fragen, ob es Revolutionären erlaubt sei, die Statuten einer geheimen Gesellschaft, einer angeblichen Verschwörung, zu veröffentlichen. Nun, diese geheimen Statuten sind ausdrücklich unter den Dokumenten angegeben, deren Veröffentlichung auf dem Haager Kongreß von der Allianzkommission verlangt wurde, und kein Delegierter, selbst nicht das die Minorität der Kommission bildende Mitglied, hat dagegen gestimmt. Diese Veröffentlichung ist also ausdrücklich verordnet vom Kongreß, dessen Anweisungen wir auszuführen haben; was aber die Sache selbst betrifft, so ist folgendes zu sagen:
Wir haben es hier mit einer Gesellschaft zu tun, welche unter der Maske des extremsten Anarchismus ihre Angriffe nicht gegen die bestehenden Regierungen richtet, sondern gegen die Revolutionäre, welche sich nicht ihrer Orthodoxie und ihrer Leitung unterwerfen. Von der Minderheit eines Bourgeois-Kongresses gegründet, schleicht sie sich in die Reihen der internationalen Organisation der Arbeiterklasse ein, versucht zuerst, sich ihrer Leitung zu bemächtigen, und arbeitet auf ihre Desorganisation hin, sobald sie diesen Plan scheitern sieht. In schamlosester Weise sucht sie ihr sektiererisches Programm und ihre beschränkten Ideen dem umfassenden Programm, den großen Anstrebungen unserer Assoziation unterzuschieben; sie organisiert in den öffentlichen Sektionen der Internationalen ihre geheimen Sektiönchen, welche, derselben Parole gehorchend, durch vorher abgekartetes gemeinsames Vorgehen in vielen Fällen zur Herrschaft über jene gelangen; sie greift öffentlich in ihren Blättern alle Elemente an, welche sich weigern, sich ihrer Herrschaft zu fügen; sie provoziert den offenen Krieg – das sind ihre eignen Worte – in unseren Reihen. Um zu ihrem Zweck zu gelangen, weicht sie vor keinem Mittel, vor keiner Unredlichkeit zurück; Lüge, Verleumdung, Einschüchterung, Gewalttat aus feigem Hinterhalt sind ihr in gleicher Weise recht. Endlich, in Rußland, setzt sie sich ganz an die Stelle der Internationalen und begeht unter ihrem Namen gemeine Verbrechen, Gaunereien und einen Mord, für den die Regierungs- und[333] Bourgeois-Presse unsre Assoziation verantwortlich gemacht hat. Und die Internationale soll zu all diesen Tatsachen schweigen, weil die Gesellschaft, welche die Schuld an ihnen trägt, eine geheime ist! Die Internationale hat in ihrer Hand die Statuten dieser Gesellschaft, ihrer Todfeindin, Statuten, in denen sie sich offen als neue Gesellschaft Jesu erklärt und es ausspricht, daß es ihr Recht und ihre Pflicht sei, alle jesuitischen Mittel zu benutzen; diese Statuten machen sofort alle jene Feindseligkeiten verständlich, denen die Internationale von jener Seite ausgesetzt war; und sie sollte sich dieser Statuten nicht bedienen, weil das hieße, eine geheime Gesellschaft denunzieren!
Gegen alle diese Intrigen gibt es nur ein einziges Mittel, aber es ist von niederschmetternder Wirkung: die vollständigste Öffentlichkeit. Diese Schleichwege in ihrem Zusammenhang aufdecken, heißt sie unwirksam machen. Ihnen den Schutz unsers Schweigens zu gewähren, das wäre nicht nur eine Naivetät, über welche die Häupter der Allianz erst recht spotten würden, das wäre eine Feigheit. Noch mehr, es wäre ein Akt des Verrats gegen diejenigen spanischen Internationalen, welche, als Mitglieder der geheimen Allianz, keinen Anstand nahmen, deren Existenz und Verfahrungsweise zur Kenntnis zu bringen, sobald diese sich in offene Feindschaft gegen die Internationale setzte. Übrigens befindet sich alles das, was die geheimen Statuten enthalten, und sogar in noch schärfer ausgeprägter Form, in den in russischer Sprache von Bakunin und Netschajew selbst veröffentlichten Dokumenten. Die Statuten bekräftigen nur deren Inhalt.
Mögen die Führer der Allianz also über Denunziation schreien. Wir denunzieren sie der Verachtung der Arbeiter und dem Wohlwollen der Regierungen, denen sie so gute Dienste geleistet haben, indem sie die proletarische Bewegung desorganisierten. Die Züricher »Tagwacht« hatte wohl recht, wenn sie in einem Antwortschreiben an Bakunin sagt:
»Wenn Sie kein besoldeter Agent sind, so steht es doch fest, daß ein besoldeter Agent nicht mehr Schaden hätte anrichten können als Sie.«[334]
1 | Deklassierte, déclassés, heißen im Französischen diejenigen aus den besitzenden Klassen hervorgegangenen Leute, die von ihrer Klasse ausgestoßen oder aus ihr ausgetreten sind, ohne darum Proletarier zu werden; z.B. Industrieritter, Pickelhäringe, gewerbsmäßige Spieler, die meisten Literaten und Politiker von Profession usw. Auch das Proletariat hat seine Deklassierten; sie bilden das Lumpenproletariat. |
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