4. Die Quelle von Glück und Unglück

[72] Mong Dsï sprach: »Milde bringt Ehre, Härte bringt Schmach. Wer nun die Schmach haßt und dennoch bei der Härte verweilt, der gleicht dem Menschen, der Feuchtigkeit haßt und dennoch in den Niederungen weilt. Wenn man die Schmach haßt, so gibt's nichts Besseres, als Geisteskraft schätzen und die Gebildeten[72] ehren. Wenn die Würdigen auf dem Platze sind und die Fähigen im Amt, bekommt Staat und Familie Muße. Wer unter diesen Verhältnissen Verwaltung und Gesetz in Klarheit bringt, den werden auch Großmächte scheuen. Das ist gemeint, wenn es im Buch der Lieder heißt18:


›Bevor am Himmel schwarz die Regenwolken hingen,

Sah man mich Maulbeerfasern bringen

Und fest um Tür und Fenster schlingen.

Und jetzt, du niedriges Geschlecht,

Wagt Einer Schmach auf mich zu bringen?‹


Meister Kung sprach: ›Der dies Lied gemacht, der weiß den rechten Weg. Wer Land und Haus in Ordnung bringen kann, wer wird auf den Schmach zu bringen wagen?‹ Wenn nun aber Staat und Familie Muße haben und man benützt diese Zeit, um sich dem Vergnügen und der Untätigkeit hinzugeben, so heißt das, selbst das Unglück herbeiziehen. Glück und Unglück wird alles von den Menschen selber herbeigezogen. Das ist damit gemeint, wenn es im Buch der Lieder heißt19:


›Wer immer seine Lust hat am Gesetz des Herrn,

Der schafft sich selber großes Glück.‹


Und in dem Abschnitt Tai Gia im Buch der Urkunden20, wo es heißt:

›Schickt der Himmel Unheil, das läßt sich abwenden. Bringt man selbst Unheil über sich, so kommt man nicht mit dem Leben davon.‹«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 72-73.
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