7. Schickt Euch in die Zeit – oder überwindet sie

[115] Mong Dsï sprach: »Wenn die Welt in Ordnung ist, so dient der Geringe an Geist dem, der groß ist an Geist, so dient der Mann, der gering ist an Würdigkeit, dem, der groß ist an Würdigkeit. Wenn die Welt in Unordnung ist, so muß der Kleine dem Großen dienen, der Schwache dem Starken dienen. Beides ist Gesetz der Natur. Wer diesem Naturgesetz folgt, besteht; wer dem Naturgesetz widerstrebt, der vergeht.

Fürst Ging von Tsi sprach: ›Wenn man nicht vermag zu befehlen und doch auch nicht gehorchen mag, so wird man vereinsamt.‹ Obwohl daher seine Tränen flössen, gab er seine Tochter dem Prinzen von Wu9.

Heute aber ist es so, daß kleine Staaten die großen zwar zu Lehrmeistern nehmen und doch sich schämen, ihren Befehlen zu gehorchen. Das ist gerade, wie wenn ein Junger sich schämen wollte, von seinem Meister sich etwas befehlen zu lassen.

Wenn man sich einer solchen Abhängigkeit schämt, so gibt es keinen besseren Ausweg, als König Wen zum Lehrmeister zu nehmen. Mit König Wen als Lehrmeister würde ein großes Reich in sieben Jahren die Herrschaft über die Welt in Händen haben.

Im Buch der Lieder10 heißt es:


›Die Zahl der Enkel all von Schang

Steigt mehr als hunderttausend an.[115]

Der Höchste Herr verlieh das Amt,

Da wurden Dschou sie untertan.

Sie wurden Untertanen Dschous,

Das Amt des Himmels kann ja enden,

Und Yins Beamte eilten hin,

Trankopfer im Palast zu spenden.‹


Meister Kung sprach: ›Dem Gütigen kann man nicht mit der bloßen Mehrheit beikommen.‹ Ein Landesherr, der die Milde liebt, hat auf der ganzen Welt keinen Feind. Wer nun gerne möchte auf der Welt keinen Feind haben und doch nicht Milde übt, der gleicht dem Mann, der etwas Heißes anfassen will, ohne es vorher in Wasser zu tauchen.

Im Buch der Lieder11 heißt es:


›Wes Hand kann Glühendes erfassen,

Taucht er's zuvor in Wasser nicht?‹«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 115-116.
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