9. Der Menschen Herz ist wie das Wasser

[116] Mong Dsï sprach: »Dschou Sin und Giä haben die Weltherrschaft verloren, indem sie die Leute verloren. Sie haben die Leute verloren, indem sie ihr Herz verloren. Die Weltherrschaft zu gewinnen, gibt es einen Weg: gewinnt man die Leute, so hat man damit schon die Weltherrschaft. Die Leute zu gewinnen, gibt es einen Weg: gewinnt man ihr Herz, so hat man damit schon die Leute. Ihr Herz zu gewinnen, gibt es einen Weg: Was sie haben möchten, gib ihnen, was sie verabscheuen, tu ihnen nicht an.

Die Leute fallen einem milden Herren zu, wie das Wasser nach unten fließt, wie die Tiere in ihre Höhlen laufen. Darum: Wer der Tiefe die Fische zutreibt, ist der Otter; wer dem Dickicht die Sperlinge zutreibt, ist der Habicht, wer den Herrschern Tang und Wu die Leute zutrieb, waren Giä und Dschou Sin. Wenn heute unter den Herren der Welt einer wäre, der Milde liebte, so würden die Landesfürsten alle ihm die Leute zutreiben. Selbst wenn er wünschte, nicht König zu sein, er könnte dem Königsein nicht entgehen. Die heute das Königtum erstreben, gleichen Leuten, die für ein siebenjähriges Leiden dreijährigen Beifuß auf dem Felde suchen wollten. Hält man ihn nicht auf Vorrat, bekommt man ihn sein Lebtag nicht. Wer sei nen Willen nicht auf Milde richtet, der bleibt sein Leben lang in Not und Schande und fällt zuletzt in Tod und Untergang.

Im Buch der Lieder13 heißt es:


›Und wie kann Einer Heilung bringen,

Wenn alles schon zusammenbricht!‹«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 116-117.
Lizenz: