Fünftes Kapitel.

Ueber Diät, Reinigung und Weiber.

[161] 1. Als die Weisen diese Gesetze über das Betragen der Hausväter hatten verkündigen hören, so redeten sie den erhaben denkenden Bhrigu, welcher bey einer vormahligen Geburt aus dem Genius des Feuers herkam, also an:


2. Wie, o Herr, kann der Tod die Brahminen überwältigen, welche die Verordnungen der Schrift wissen und ihre Pflichten erfüllen, so wie sie verordnet sind?


3. Dann antwortete er, er selbst Bhrigu, der Sohn Menu's den großen Rishis »hört von welcher Sünde es herkommt, daß der Tod geneigt ist die vorzüglichsten der Wiedergebornen zu vernichten:«


4. Aus vernachläßigtem Lesen des Veda, aus Verabsäumung gebilligter Gebräuche, aus träger Saumseligkeit bey Erfüllung heiliger Ceremonien, und aus verschiedenen Fehlern der Diät, kommt es, daß der Genius des Todes ein großes Verlangen bezeigt sie zu vernichten.


5. Knoblauch, Zwiebeln, Lauch- und Erdschwämme1 (welche kein Wiedergeborner essen muß), und alle Gartengewächse welche in Dünger erzeugt sind;
[162]

6. Rothe Gummis und Harze, welche aus Bäumen dringen, und Säfte verwundeter Stämme, die Frucht Selu, und die dick gewordene Milch einer Kuh zehn Tage nach ihrem Kalben, muß ein Priester sehr sorgfältig vermeiden.


7. Reißkuchen mit Tila gekocht, Waitzen, Milch-Brey, Reißmilch, und gebackenes Brod, welches nicht zuvor einer Gottheit ist dargebracht worden, auch Fleischspeise die Nahrung der Götter und gesäuberte Butter, die nicht vorher unter Hersagung heiliger Sprüche berührt worden sind;


8. Frische Milch von einer Kuh vor dem Verlaufe ihrer zehn Tage, die Milch eines Cameels, oder eines andern vierfüßigen Thieres das keinen gespaltenen Huf hat, Schafmilch, die Milch einer brünstigen oder einer solchen Kuh, deren Kalb gestorben oder abwesend von ihr ist;


9. Die Milch eines Waldthieres, ausgenommen der Büffelkuh, Frauenmilch, und alle ursprünglich süße Sachen, die sauer geworden sind, müssen sorgfältig vermieden werden.


10. Aber von diesen Säuren ist es erlaubt Buttermilch und alles was aus Buttermilch zubereitet wird, zu genießen; ferner alle Säuren, welche aus reinen Blumen, Wurzeln, oder aus Früchten gezogen sind, die man nicht mit Eisen abgeschnitten hat.


11. Jeder wiedergeborne Mann muß sich von Fleischfressenden Vögeln, von Geflügeln die in den Städten sind und von vierfüßigen Thieren, deren Huf nicht gespalten ist, enthalten, wovon die ausgenommen werden welche der Veda erlaubt und der Vogel Tittibha.


12. Der Sperling, der Wasservogel Plava, der Flamingo, der Chacravaca, die Brut des Stadthahns,[163] der Sarasa, der Rajjuvala, der Baumhacker und der Papagay beiderley Geschlechts;


13. Vögel welche mit ihren Schnäbeln schlagen, webfüßige Vögel, der Coyashti, diejenigen welche mit ihren starken Klauen verwunden, und diejenigen welche ins Wasser tauchen um Fische zu fressen: er esse kein Fleisch das in einem Schlachthause aufbewahrt wird, und kein geräuchertes Fleisch;


14. Keinen Heher, keinen Raben, keinen Chanjana, keines der Amphibien das Fische ißt, keine zahme Schweine und keine Fische irgend einer Art, ausgenommen die, welche ausdrücklich erlaubt sind.


15. Wer das Fleisch von irgend einem Thiere ißt, wird der Esser des Thieres selbst genannt, und ein Fischesser ist ein Esser allerhand Fleisches, deswegen muß er sich sorgfältig von Fischen enthalten.


16. Aber die zwey Fische Pathina und Rohita sind den Gästen erlaubt zu essen, wenn sie bey einem Mahle zu Ehren der Götter, oder der abgeschiedenen Seelen aufgetragen werden; desgleichen auch der Rajiva, der Sinhatunda und der Sas alca von der Gattung.


17. Er esse nie Fleisch von einsamen oder von unbekannten Thieren oder Vögeln, ob sie gleich in allgemeinen Ausdrücken zu essen erlaubt werden, auch nicht einem Thiere mit fünf Klauen.


18. Den Ygel und das Stachelschwein, die Eydechse Godha die Gandaca, die Schildkröte und das Kaninchen, oder den Hasen haben weise Gesetzgeber für erlaubte Nahrung unter den Thieren mit fünf Klauen erklärt; desgleichen alle vierfüßige Thiere, welche[164] nur eine reihe Zähne haben, ausgenommen Cameele.


19. Ein wiedergeborner Mann welcher ohne seinen Willen einen Erdschwamm, Fleisch von einem zahmen Schweine, oder einen Stadthahn, Lauch, Zwiebel, oder Knoblauch gegessen hat, sinkt augenblicklich eine Stufe tiefer;


20. Aber wenn er unabsichtlich von einem der sechs benannten Dinge gegessen hat, so muß er die Buße Santapana oder die Chandrayana thun, welche Einsiedler verrichten; wegen anderer Dinge muß er einen ganzen Tag fasten.


21. Die Prajapatya, eine von jenen strengen Büßungen, muß jeder wiedergeborne Mann jährlich verrichten um sich von der unbekannten Befleckung unerlaubter Speisen zu reinigen; aber er muß besondere Buße thun, wenn er dergleichen Nahrung mit Willen gegessen hat.


22. Thiere und Vögel von vortrefflichen Gattungen können die Brahminen zum Opfer, oder zum Unterhalt derer schlachten, denen sie Unterhalt geben müssen: dies that Agastya schon vormals.


23. Wenn in der grauen Vorzeit heilige Männer opferten, und wenn Leute aus den Classen der Priester und Krieger Spenden darbrachten; so ist es unbezweifelt daß sie das Fleisch solcher Thiere und Vögel den Gottheiten überreichten, welche das Gesetz erlaubt zu essen.


24. Lebensmittel welche man ohne Tadel essen und trinken kann, wenn sie frisch sind, erlaubt das Gesetz zu genießen, ob sie gleich eine ganze Nacht aufbewahrt worden sind, wenn man zuvor etwas Oel darauf gespritzt hat; eben das gilt von den Ueberresten gereinigter Butter.
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25. Und jedes Gericht das mit Gerste, Waitzen, und abgenommener Milch zubereitet ist, hat ein Wiedergeborner Erlaubniß zu essen, wenn es auch nicht mit Oehl bespritzt ist.


26. Hier nun ist eine allgemeine Uebersicht von den Speisen gegeben worden, die ein wiedergeborner Mann essen, oder nicht essen darf; jetzt will ich von den besondern Vorschriften, welche die erlaubten oder verbotenen Fleischgerichte betreffen, handeln.


27. Von Speisen welche durch besondere Sprüche zu einem Opfer geheiligt sind, darf er zwar essen; aber nur einmal und nur dann, wenn' es ihm ein Priester heißt, und wenn er eine gesetzmäßige Handlung vollzieht, oder in Lebensgefahr ist.


28. Brahma schuf dieses sämmtliche Thier- und Pflanzenreich zur Erhaltung des Lebensgeistes, und dieser Geist verschlingt alles, was beweglich oder unbeweglich ist.


29. Feste unbewegliche Dinge werden von Geschöpfen gegessen welche Bewegkraft haben; zahnlose Thiere von Thieren welche Zähne haben; Thiere ohne Hände von denen die welche haben, und die furchtsamen von den kühnen.


30. Wer nach dem Gesetze ißt, thut keine Sünde, wenn er auch alle Tage das Fleisch solcher Thiere genösse als es zu essen erlaubt ist: denn sowohl die Thiere welche man essen darf, als diejenigen die sie essen, wurden beyde vom Brahma geschaffen.2


31. Es ist eine Vorschrift der Götter, daß Fleisch bloß des Opfers wegen gegessen werden darf; aber es ist[166] eine Vorschrift gigantischer Dämonen, daß man es in allen andern Absichten essen dürfe.


32. Derjenige welcher nach gehöriger Verehrung der Gottheiten und abgeschiedenen Seelen Fleischspeise ißt, die er entweder gekauft, selbst erworben oder von einem andern geschenkt bekommen hat, begeht keine Sünde.


33. Kein wiedergeborner Mann der das Gesetz versteht, und nicht in großer Noth ist, muß Fleisch essen ohne diese Vorschrift zu beobachten; sonst wird er ohne Rettung in der künftigen Welt von den Thieren verschlungen werden, deren Fleisch er auf solche gesetzwidrige Weise genossen hat.


34. Der welcher Wildpret aus Gewinnsucht tödtet, begeht keine so abscheuliche Sünde in Ansehung der Strafe im künftigen Leben, als der welcher Fleischspeise ohne Veranlassung, oder dann ißt, wenn es nicht vorher zum Opfer dargebracht ist.


35. Aber der welcher heilige gesetzmäßige Ceremonien verrichtet, und sich weigert es zu essen, wird in der andern Welt, ein und zwanzig Geburten hindurch, in den Zustand eines Thieres versinken.


36. Kein Priester darf Fleisch von Rindern3 oder Schafen essen, die nicht zuvor mit Mantras eingesegnet worden sind, sondern er beobachte die patriarchalischen Vorschriften, und esse nur dann davon, wenn es zuvor durch jene Sprüche des Veda geheiligt worden ist.


37. Sollte er ein starkes Verlangen nach Fleischspeise haben, so mag er sich zur Büßung seiner Lust die Gestalt eines Thieres aus gereinigter zusammengedrückter Butter, oder aus Teig, bilden; aber nie lasse er es sich in den Sinn kommen ein Thier ohne Ursache zu tödten.
[167]

38. Derjenige welcher in dieser Welt bloß sich selbst zu Gefallen ein Thier tödtet, wird in der nächsten, von Geburt zu Geburt, auf die nehmliche Art und so viel mal umkommen, als Haare auf dem ermordeten Thiere sind.


39. Der Selbstbestehende schuf in eigner Person Thiere zum Opfer, und das Opfern wurde anbefohlen zur Vermehrung dieses Weltalls: wer daher Thiere für's Opfer tödtet ist eigentlich kein Würger.


40. Graspflanzen, Vieh, große Bäume, Amphibien und Vögel welche des Opfers wegen vertilgt worden sind, gelangen in der nächsten Welt zu erhabenen Geburten4.


41. Wenn man einem Gaste feyerlich huldigt, desgleichen bey einem Opfer und bey heiligen Ceremonien zu Ehren der abgeschiedenen Seelen oder der Götter; aber bloß bey solchen Veranlassungen darf man Vieh tödten: dieses Gesetz hat Menu gegeben.


42. Ein wiedergeborner Mann, welcher den Geist und die Grundsätze des Veda versteht, und bey den erwähnten Veranlassungen Vieh tödtet, bringt sowohl sich als dieses Vieh auf den Gipfel der Glückseligkeit.


43. Kein wiedergeborner Mann, dessen Geist durch Gelehrsamkeit ausgebildet ist, muß Thieren ohne Erlaubniß der Schrift, selbst wenn er in dringender Noth ist, Schaden zufügen, er mag nun in seinem eignen Hause,[168] oder bey seinem Lehrer, oder in einem Walde wohnen.


44. Dergleichen Schaden, als die Schrift vorschreibt, und welcher in dieser Welt der beweglichen und unbeweglichen Geschöpfe ihnen zugefügt wird, muß er ganz und gar nicht als solchen betrachten, denn das Gesetz glänzte aus dem Lichte der Schrift hervor.


45. Wer zu seinem eignen Vergnügen unschädlich Thiere beschädigt, vermehrt seine eigne Glückseligkeit nicht, weder im Leben noch nach dem Tode;


46. Wer hingegen kein Geschöpf mit Willen einkerkert oder tödtet, sondern das Wohl aller empfindenden Geschöpfe wünscht, fühlt unendliche Wonne.


47. Wer keinem belebten Geschöpfe schadet, wird ohne Mühe alles erlangen, woran er denkt, wornach er strebt, und was er sich auserkohren hat.


48. Man kann keine Fleischspeise bekommen, ohne Thieren Schaden zuzufügen, und das Würgen der Thiere vertritt den Weg zur Glückseligkeit, man enthalte sich daher der Fleischspeise.


49. Man untersuche aufmerksam die Bildung der Körper und denke über den Tod oder die Einkerkerung bekörperter Geister nach, und enthalte sich des Genusses der Fleischspeise aller Art5.


50. Wer nicht das Gesetz vernachlässiget, und nicht, wie ein blutdürstiger Dämon, Fleischspeise ißt, wird sich in dieser Welt Gunst erwerben und nicht von Krankheiten befallen werden.


51. Der welcher zu dem Morde eines Thiere seine Einwillung giebt, der welcher es umbringt, der welcher es auseinander haut, der welcher es kauft, der welcher[169] es verkauft, der welcher es zubereitet, der welcher es aufträgt, und der welcher es ißt, dies sind die acht Hauptpersonen des Mordes.


52. Es giebt keinen Sterblichen der sich gröblicher versündigte, als der welcher ohne den abgeschiedenen Seelen6 oder den Göttern ein Opfer darzubringen, sein eignes Fleisch mit dem Fleische eines andern Geschöpfes ausdehnen will.


53. Der welcher alljährlich, hundert Jahre lang, ein Aswamedha, oder das Opfer eines Pferdes darbringt, und derjenige welcher keine Fleischspeise ißt, diese beyde werden für ihre Tugend auf gleiche Weise belohnt.


54. Wenn man sich bloß von reinen Früchten und Wurzeln nährt, und solches Getreide ißt als die Einsiedler essen, wird man nicht so reichlich belohnt, als wenn man sich sorgfältig aller thierischen Nahrung enthält.


55. »Mich (Man-Sa) wird das Thier in der nächsten Welt auffressen, dessen Fleisch ich in diesem Leben esse:« so sollte ein Fleischesser sprechen, und so geben die Gelehrten die wahre Herleitung des Wortes Mansa, oder Fleisch, an.


56. Nach der Vorschrift des Gesetzes Fleisch essen, gegohrnes Getränk trinken, mit Frauenzimmern scherzen, sind keine schändliche Dinge: denn die Natur hat das Verlangen nach diesen Genüssen in den Mann gelegt; aber eine tugendhafte Enthaltsamkeit davon zieht eine besondere Belohnung nach sich7.
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57. Nun will ich die Vorschriften für die Reinigung der Todten geben, und die Art unbelebte Dinge zu reinigen, lehren, so wie sie das Gesetz den vier Classen in gehöriger Ordnung vorschreibt.


58. Wenn ein Kind geahnt hat und man ihm nach dem Zahnen den Kopf geschoren hat und wenn es mit seinem Bande8 umgürtet worden ist, und wenn es im vollen Wachsthum stirbt, so sind alle seine Anverwandten unrein: bey der Geburt eines Kindes ist das Gesetz das nehmliche.


59. Durch einen todten Körper sind die Sapindas dem Gesetze nach zehn Tage lang verunreiniget, oder nur bis zum vierten Tage, wenn die Gebeine aufgelesen worden sind, oder drey Tage lang oder nur einen Tag, je nachdem der Verstorbene beschaffen war.


60. Die Verwandtschaft der Sapindas, oder der Männer die durch den Leichenkuchen verbunden sind, hört mit der siebenten Person auf, oder im sechsten aufsteigenden oder absteigenden Grade, und die Verwandtschaft der Samanodacas, oder derer die durch eine gleiche Wasserspende verbunden sind, hört blos dann auf, wenn ihre Geburten und Familiennahmen nicht mehr bekannt sind.


61. So wie Sapindas in diesen Zustand der Unreinheit wegen eines verstorbenen Verwandten nach der Vorschrift des Gesetzes treten, eben so ist sie denen, welche nach völliger Reinigkeit streben, bey der Geburt eines Kindes vorgeschrieben.


62. Das Gesetz der Uneinigkeit wegen der Todten nimmt keinen aus; aber bey der Geburt eines Kindes bezieht es sich bloß auf die Mutter und den Vater und[171] die zehntägige Uneinigkeit nach der Geburt eines Kindes schränkt sich bloß auf die Mutter ein, aber der Vater wird rein, wenn er sich badet.


63. Ein Mann der seine Mannheit verschwendet hat, wird durch Baden wieder rein; aber wenn er ein Kind mit einer Parapurva gezeugt hat, so muß er drey Tage lang über seinen unreinen Zustand nachdenken.


64. Die Sapindas werden in einem Tage und in einer Nacht, zu welchen man drey mal drey Nächte hinzurechnet, nach Berührung des todten Körpers gereiniget; aber die Samanodacas in drey Tagen.


65. Ein Lehrling der Theologie wird, nachdem er die Ceremonie der Verbrennung seines verstorbenen Lehrers verrichtet hat, in zehn Nächten rein; er gleicht hierin den Sapindas, welche die Todten heraustragen.


66. Eine Frau wird nach einer Mißgebährung in eben so vielen Nächten rein, als Monate seit ihrer Empfängniß verflossen sind, und ein Frauenzimmer in ihrer Monatszeit wird durch Baden rein, wenn ihr Blutfluß völlig nachgelassen hat.


67. Wegen verstorbener Knaben, deren Köpfe beschoren9 worden sind, kann man gesetzmäßige Reinigkeit in einer Nacht erhalten, aber für die an denen diese Ceremonie nicht verrichte worden ist, ist eine Reinigung von drey Nächten nothwendig.


68. Wenn ein Kind unter zwey Jahren gestorben ist, so soll es von seinen Verwandten, nachdem sie es mit Blumen geziert haben, herausgetragen, und in reinen[172] Erdboden begraben werden, ohne seine Gebeine in der Zukunft zusammen zu lesen.


69. Man verrichte für dasselbe keine Ceremonie mit Feuer noch mit Wassersprengen, sondern die Verwandten desselben sollen, nachdem sie es wie ein Stück Holz im Walde zurückgelassen haben, drey Tage lang unrein seyn.


70. Für ein Kind das noch nicht drey Jahre alt ist, sollen dessen Verwandte keine Ceremonie mit Wasser verrichten; aber wenn die Zähne des Kindes vollen Wachsthum erreicht haben, oder wenn es schon einen Nahmen erhalten hat, so können sie eine Ceremonie verrichten oder nicht, wie es ihnen gefällt.


71. Wenn ein Mitschüler der Theologie gestorben ist, so ist eine dreytägige Uneinigkeit vorgeschrieben; und wenn ein Samanadoca geboren wird, so ist eine dreynächtliche Reinigung erforderlich.


72. Die Verwandten Verlobter, aber noch unverheuratheter, Jungfrauen werden in drey Tagen rein, und ihre väterlichen Anverwandten erlangen ihre Reinigkeit in eben dieser Zeit nach ihrer Heurath.


73. Sie müssen bloß Pflanzen-Nahrung, ohne gemachtes Salz, das heißt mit natürlichem Salze, essen, drey Tage nach einander dann und wann baden, keine Fleischspeise essen, und abgesondert auf der Erde schlafen.


74. Diese Vorschrift, welche Unreinigkeit wegen der Verstorbenen verordnet, versteht sich bloß, im Fall Jemand nahe bey seinen Verwandten stirbt; aber wenn Jemand in der Ferne stirbt, so müssen die welche an dem nehmlichen Kuchen Theil nehmen, und die welche nur[173] das nehmliche Wasser gebrauchen, folgende Vorschrift beobachten:


75. Wenn ein Mann hört, daß ein Verwandter in einem fernen Lande gestorben ist, so wird er, im Fall nach dem Tode desselben zehn Tage noch nicht verflossen sind, bloß auf soviel Tage unrein, als derselben an den zehn genannten fehlen;


76. Aber wenn die zehn Tage verflossen find, so ist er auf drey Nächte unrein, und wenn ein Jahr vergangen ist, so wird er durch bloße Berührung des Wassers rein.


77. Wenn er nach Verlaufe von zehn Tagen den Tod eines Verwandten, oder die Geburt eines Knaben erfährt, so wird er seine Reinigkeit erlangen, wenn er sich in seinen Kleidern badet.


78. Wenn ein Kind, das seine Zähne noch nicht hat, oder wenn ein Samanodaca in einer fernen Gegend stirbt, so wird der Unverwandte rein, so bald er sich mit seinen Kleidern badet.


79. Wenn sich während dieser zehn Tage ein anderer Todesfall, oder eine andere Geburt zuträgt, so ist ein Brahmin nur so lange unrein, bis daß jene zehn Tage verflossen sind.


80. Stirbt ein geistlicher Lehrer, so halten die Weisen seinen Schüler zwey Tage für unrein; aber nur einen Tag und eine Nacht, wenn der Sohn oder die Frau des Lehrers verschieden find: so befiehlt es das heilige Gesetz.


81. Für einen Leser des ganzen Veda, welcher in dem nämlichen Hause wohnt, ist man drey Nächte unrein; aber wegen eines mütterlichen Oheims, eines Schülers, eines Stellvertretenden Priesters und eines[174] weitläufigen Verwandten nur eine Nacht mit zwey Tagen beflügelt.


82. Nach dem Tode eines Militair-Königes in dessen Lande er lebt, dauert seine Unreinigkeit so lange die Sonne oder die Sterne leuchten, aber sie dauert einen ganzen Tag, wenn ein Priester stirbt, der nicht den ganzen Veda gelesen hat, oder wenn ein geistlicher Führer stirbt, der nur einen Theil desselben mit den Angas gelesen hat.


83. Ein Mann von der Priester-Classe wird in zehn Tagen rein, einer aus der Classe der Krieger in zwölf Tagen, einer aus der Kaufmanns-Classe in fünfen, einer aus der Sclaven-Classe in einem Monat.


84. Niemand verlängere die Tage der Unreinigkeit, und unterlasse nie die Ceremonien welche mit heiligen Feuern müssen verrichtet werden: so lange als er diese Gebräuche verrichtet, ist er nicht unrein, ob er gleich ein Sapinda ist.


85. Wer einen Chandala, eine Frau in ihrer Monatszeit, einen wegen Todsünde Ausgestoßenen, ein neugebohrnes Kind, einen todten Körper oder den Antaster einer Leiche berührt hat, wird durch Baden rein.


86. Wenn er nach der Besprengung seines Mundes mit Wasser und nach langer Aufmerksamkeit auf seine Andachtsübungen eine unreine Person steht, so wiederhohle er nach seinen Kräften die Sonnensprüche des Veda, und diejenigen welche Reinigkeit geben.


87. Sollte ein Brahmin einen Menschenknochen, welcher ölicht ist, berühren, so reinigt ihn Baden; ist der Knochen aber nicht ölicht, so wird der Brahmin wieder rein, wenn er eine Kuh streichelt, oder seinen Mund gehörig mit Wasser bespritzt, und nach der Sonne blickt.
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88. Ein Schüler der Theologie darf die Ceremonie, Wasser bey Todtenfeyern auszugießen, nicht eher verrichten, als bis er alle seine religiösen Handlungen vollendet hat; aber wenn er nach der Vollendung derselben auf diese Art Wasser darbringt, so wird er in drey Nächten rein.


89. Denen, welche die ihnen gegebenen Vorschriften nicht erfüllen, denen, deren Väter aus einer niedrigeren Classe als ihre Mütter waren, denen welche einen religiösen, im Veda nicht erlaubten Anzug, tragen, und denen, welche sich, dem Gesetz zuwider, selbst umbringen, ist die Ceremonie Leichen-Wasser zu geben, vom Gesetze verboten;


90. Desgleichen den Frauen die dergleichen Ketzer im Anzuge ungesetzmäßiger Kleider nachahmen, und den Frauen, welche nach ihrem eignen Wohlgefallen leben, welche eine Mißgebährung verursacht, welche ihre Männer geschlagen oder ein erhitzendes Getränk getrunken haben.


91. Ein Schüler verletzt die Vorschriften seines Standes nicht, wenn er seinen verstorbenen Lehrer, der ihn in den Vedas unterrichtet, und ihm sein heiliges Band umgehangen hat, wenn er den, der ihn besondere Abschnitte gelehrt hat, den verehrungswürdigen Erklärer ihrer Bedeutung, seinen Vater oder seine Mutter, herausträgt.


92. Ein verstorbener Sudra muß durch das mittägliche Stadtthor herausgetragen werden; die Wiedergebornen hingegen in gehöriger Ordnung durch das westliche, nördliche und östliche Thor10.
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93. Keine Unreinigkeit kann Könige oder Schüler der Theologie beflecken, während daß sie sich mit der Erfüllung ihrer verschiedenen Pflichten beschäftigen, noch die welche noch wirklich in Opfern begriffen sind: denn die ersteren sind dann auf den Sitz der Indra gestellt, und die letzteren sind allezeit eben so rein als ein himmlischer Geist.


94. Das Gesetz schreibt einem Könige auf dem Throne der Großmuth augenblickliche Reinigung zu, weil sein Thron zum Schutze seines Volkes und zur Sorge für ihre Nahrung errichtet wurde.


95. Eben so verhält es sich mit den Verwandten derer, welche in einer Schlacht nach Ermordung des Königs fallen, durch den Blitz getödtet, vom Könige selbst, nach dem Gesetze, oder zur Vertheidigung einer Kuh, der eines Priesters, umgebracht worden sind; und mit allen denen die nach des Königs Wunsche rein seyn sollen.


96. Der Körperbau eines Königs besteht aus Theilchen der So'ma, Agni, Su'rya, Pavana, Indra, Cuvera, Varuna und Yama, der acht Schutzgottheiten der Welt.


97. Diese Beschützer der Menschen sind in das Wesen des Königs verwebt, und dem Gesetze nach kann er nicht unrein seyn, weil die Unreinigkeit und Reinigkeit der Sterblichen von diesen Schutzgöttern sowohl bewirkt als weggenommen wird.


98. Ein Krieger welcher die Pflichten seines Standes ausübt, und durch hin und her geschleuderte Waffen[177] im Felde erschlagen wird, verrichtet in diesem Augenblicke das höchste Opfer, so wie auch seine Reinigung: dieß ist ein unveränderliches Gesetz.


99. Nach der Verrichtung der Leichenceremonien wird ein Priester rein, wenn er Wasser berührt, ein Krieger, wenn er sein Pferd, seinen Elephanten, oder seine Waffen berührt, ein Ackersmann wenn er seinen Treibestachel oder den Halfter seines Thieres berührt, ein Diener wenn er seinen Stab anrührt.


100. Wie Sapindas gereiniget werde, o ihr Vornehmsten unter den Wiedergeboren, ist euch nun ausführlich verkündiget worden! Lernet jetzt die Reinigung, welche bey dem Tode nicht so naher Verwandten erforderlich ist.


101. Ein Brahmin welcher einen andern verstorbenen Brahmin, wenn er auch kein Sapinda ist, mit der Gefälligkeit und Liebe eines Verwandten herausgetragen hat, oder wenn er Jemanden, der von seiner Mutter her nahe mit ihm verwandt ist, zur Erde bestattet hat, so wird er in drey Tagen rein;


102. Aber wenn er von der Speise ißt, welche von ihren Sapindas dargebracht ist, so wird er in zehn Tagen rein; und in einem Tage wenn er weder etwas von ihrer Speise genießt, noch in einem Hause mit ihnen wohnt.


103. Wenn er aus freyen Stücken dem Leichname eines väterlichen oder eines andern Verwandten folgt, und sich nachher in seinen Kleidern badet, so wird er wieder rein, wenn er Feuer berührt und etwas gereinigte Butter ißt.


104. Wenn ein Brahmin gestorben ist, so muß kein Anverwandter, so lange nur irgend einer aus seiner eigenen[178] Classe bey der Hand ist, den Leichnam von einem Sudra heraustragen lassen; denn wenn die Leichen-Ceremonie durch die Berührung eines Mannes aus der dienenden Classe befleckt ist, so verschließt sie ihm den Weg zum Himmel.


105. Heilige Gelehrsamkeit, strenge Andachtsübung, Feuer, heilige Nahrung, die Seele, Wasser das Beschmieren mit Kuhmist11, Luft, vorgeschriebne Religions-Handlungen, die Sonne und die Zeit sind Reiniger bekörperter Geister.


106. Aber unter allen reinen Sachen wird die Reinigkeit im Gebrauche der Mittel reich zu werden für die vortreflichste gehalten, denn wer sich mit unbefleckten Händen Reichthum erwirbt, ist wahrhaftig rein; nicht allein der, welcher sich bloß mit Erde und Wasser reiniget.


107. Die Gelehrten werden rein durch Verzeihung der Beleidigungen, diejenigen welche ihre Pflicht vernachlässiget haben durch Freygebigkeit, die welche heimliche Fehler haben, durch frommes Nachdenken, und die welche den Veda am besten verstehn, durch andächtige Strenge.


108. Mit Wasser und Erde reinigt man das was rein gemacht werden muß; den Fluß reinigt sein Strom, und ein Frauenzimmer, deren Gedanken unrein gewesen sind, durch ihre monatliche Ausleerung, und der erste unter den wiedergeboren Männern dadurch daß er seine Gedanken allein auf Gott richtet.


109. Körper werden durch Wasser gereinigt, der Geist durch Wahrheit, der Lebensgeist durch Theologie und Andacht, der Verstand durch deutliche Kenntniß.
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110. Hiermit habt ihr mich die eigentlichen Vorschriften zur Reinigung thierischer Körper hernennen hören, vernehmt nun wie man verschiedene unbelebte Dinge wieder rein macht.


111. Die Weisen befehlen, daß glänzende Metalle, Edelgesteine und alles was aus Stein gemacht wird, mit Wasser, Asche und Erde gereiniget werden soll.


112. Ein goldenes Gefäß das nicht fettig ist, wird bloß mit Wasser gereinigt; auch alles was im Wasser erzeugt wird, zum Beyspiel Corallen, Muscheln oder Perlen, so wie jede steinichte Substanz und ein nicht eingefaßtes silbernes Gefäß.


113. Gold und Silber entstanden aus einer Vereinigung des Wassers mit dem Feuer, und deswegen reiniget man sie beyde am besten mit den Grundstoffen aus welchen sie entsprangen.


114. Gefäße aus Kupfer, Eisen, Messing, Blech, Zinn und Bley, werden am bequemsten mit Asche, mit Säuren und mit Wasser gereiniget.


115. Die Reinigung, welche für alle Arten von Flüssigkeiten anbefohlen ist, besteht darin, daß man sie mit Cusa-Gras umrührt, die Reinigung zusammengelegter Tücher darin, daß man sie mit geheiligtem Wasser besprengt, und die der hölzernen Geräthe, daß man sie hobelt.


116. Opfertöpfe zur frischen Butter und zum Safte der Mondpflanze muß man durch Reiben mit der Hand und durch Waschen zur Zeit des Opfers reinigen.


117. Die Geräthschaften in welchen Reiß gewaschen wird, die in welchen die Spenden sind, die womit sie ins Feuer geworfen werden, und die mit denen das Getreide zusammen gekehrt, geschwingt und zubereitet[180] wird, müssen mit kochendem Wasser gereiniget werden.


118. Die Reinigung durch Bespritzen ist nur bey Getreide und bey Tüchern, wenn man von beyden viel hat, verordnet; aber wenn man kleine Bündel derselben, die man leicht tragen kann, reinigen will, so muß man sie waschen.


119. Gerätschaften aus Leder und die welche aus Rohr gemacht werden, müssen, im Ganzen genommen, eben so wie Tücher gereinigt werden; und grüne Sachen, Wurzeln und Früchte eben so wie Getreide.


120. Seidene und wollene Zeuge mit Salzerden, weiße Decken von Nepala, mit gestoßenem Arishtas, der mit Nimba-Frucht, Unterröcke und lange Beinkleider mit der Frucht des Bilva; Mäntel aus Cshuma mit weißen Senfkörnern.


121. Geräthschaften die aus Muscheln oder aus Horn, aus Knochen oder aus Elfenbein gemacht sind, muß der welcher das Gesetz kennt, eben so wie die Mäntel aus Cshuma, aber mit einem Zusatze von Kuh-Urin oder Wasser, reinigen.


122. Gras, Brennholz und Stroh werden durch Bespritzung mit Wasser gereinigt; aber ein Haus muß man reiben, bürsten, und mit Kuhmist beschmieren und einen irdenen Topf noch einmal brennen.


123. Aber ein irdenes Gefäß welches mit erhitzendem Getränke, mit Urin, mit Koth, mit Speichel, mit Eiter oder mit Blut ist befleckt worden, kann selbst durch ein zweymaliges Brennen nicht rein gemacht werden.


124. Felder werden auf fünferley Arten gereiniget, durch Fegen, durch Beschmieren mit Kuhmist durch Bespritzen mit Kuhwasser, durch Abkratzen, oder dadurch, daß[181] man eine Kuh einen Tag und eine Nacht darauf verweilen läßt.


125. Das woran ein Vogel genagt, eine Kuh gerochen, was ein Fuß erschüttert, worauf jemand genießt hat, oder was durch Läuse befleckt ist, wird rein wenn man Erde darüber ausbreitet.


126. So lange als der Geruch oder die Feuchtigkeit, welche aus einer Unreinigkeit entstehen, auf der bedeckten Sache zurückbleiben, so lange muß man Erde und Wasser zu wiederholtenmalen bey Reinigungen aller unbelebten Dinge brauchen.


127. Die Götter haben erklärt, daß drey reine Sachen den Brahminen eigenthümlich sind: das was ohne ihr Wissen befleckt worden ist, das was sie in zweifelhaften Fällen mit Wasser besprengen, und das was sie empfehlen.


128. Gewässer sind so weit rein als eine Kuh hinein geht, um ihren Durst zu stillen, dafern sie über reine Erde fließen und durch keine Unreinigkeit befleckt werden, sondern einen guten Geruch, Farbe und Geschmack haben.


129. Die Hand eines Künstlers, mit welcher er seine Kunst ausübt, ist jederzeit rein, so wie jede feile Waare wenn sie zu verkaufen steht, und diejenige Speise ist allezeit rein, welche ein Schüler der Theologie erbeten und erhalten hat: dieß ist die heilige Vorschrift.


130. Der Mund eines Frauenzimmers ist immer ein; ein Vogel ist rein, wenn die Frucht an welcher er gepickt hat, herabfällt; ein Säugthier, wenn dessen Milch zu fließen anfängt; ein Hund, wenn er das Wildpret fangt.
[182]

131. Menu erklärt, daß das Fleisch eines wilden Thiers, welches von Hunden gemordet wird, rein ist, eben so wie das eines Thieres welches andere Fleischfressende Geschöpfe, oder Leute aus der vermischten Classe welche von der Jagd leben, umgebracht haben.


132. Alle Höhlungen über dem Nabel sind rein, und alle unter demselben sind unrein, desgleichen auch alle Absonderungen die aus dem Körper fallen.


133. Mücken, klare Tropfen aus dem Munde eines Sprechers, ein Schatten, eine Kuh, ein Pferd, Sonnenstrahlen, Staub, Erde, Luft und Feuer müssen alle für rein gehalten werden, auch sogar wenn sie eine unreine Sache berühren.


134. Zur Reinigung von Gefäßen in welchen Unrath oder Urin gewesen ist, muß man Erde und Wasser brauchen, so lange es nothwendig ist, und auch zur Reinigung der zwölf körperlichen Unreinigkeiten.


135. Oehlichte Ausdünstungen, Saamenfeuchtigkeiten, Blut, Hauptschuppen, Urin, Unrath, Ohrenschmalz, geschnittene Nägel, dicker Auswurf, Thränen, verdickte Feuchtigkeit in den Augenwinkeln und Schweiß sind die zwölf Unreinigkeiten des menschlichen Körpers.


136. Wer nach Reinigkeit strebt, muß ein Stück Erde mit Wasser für den Canal des Urins brauchen, drey für den des Unraths, zehn für eine Hand, das ist für die linke, und dann sieben für beyde, aber wenn es nöthig ist, muß er mehr nehmen.


137. Dieß ist die Reinigung der verheiratheten Männer: die der Schüler muß doppelt seyn, die der Einsiedler dreyfach, und die der ganz abgesonderten Männer vierfältig.


138. Jedermann besprenge die Höhlungen seines Körpers, und trinke etwas Wasser, so wie es vorgeschrieben[183] ist, nachdem er seinen Urin gelassen oder seine Nothdurft verrichtet hat, ferner wenn er im Begriffe ist den Veda zu lesen, und, unausgesetzt, ehe er seine Nahrung genießt12.


139. Zuerst schlürfe er dreymal Wasser, dann wische er sich zweymal den Mund ab, wenn er aus einer wiedergebornen Classe ist, und flehe um körperliche Reinigkeit; aber ein Frauenzimmer oder ein Mann aus der Sclaven-Classe brauchen nur einmal diese Waschung vorzunehmen.


140. Sudras welche religiöse Pflichten zu erfüllen haben, müssen alle Monate die Ceremonie der Bescheerung ihrer Häupter verrichten; ihre Nahrung müssen die Ueberreste der Brahminen seyn, und ihre Art sich zu reinigen die nämliche, welche einem Vaisya vorgeschrieben ist.


141. Wassertropfen, welche aus dem Munde auf einen Theil des Körpers fallen, verunreinigen ihn nicht, doch Haare aus dem Barte welche in den Mund kommen, noch das was sich zuweilen an die Zähne hängt.


142. Tropfen welche auf Jemandes Füße fallen, wenn er für andere Wasser hält, werden dem Wasser gleich geschätzt, welches über reine Erde fließt; er wird nicht dadurch befleckt.


143. Wer auf irgend eine Art eine unbelebte Last trägt und von etwas unreinem berührt wird, kann sich reinigen, wenn er, ohne seine Last niederzulegen, sich wäscht.


144. Nach dem Uebergeben oder Purgiren muß er sich baden und etwas frische Butter essen, hat er aber[184] schon gegessen, so wasche er sich bloß. Der, welcher sich einem Frauenzimmer genähert hat, muß sich nach der Vorschrift des Gesetzes baden.


145. Nach einem Schlummer, nach dem Nießen, nach dem Essen, wenn er Speichel ausgeworfen, wen er unwahr gesprochen, wenn er Wasser getrunken hat, und wenn er im Begriff ist heilige Bücher zu lesen, so muß er, ob er gleich rein ist, seinen Mund waschen.


146. Dieser vollkommene Inbegriff von Vorschriften für die Reinigung von Leuten aus allen Classen, und für die Reinigung unbelebter Dinge, ist euch hiermit verkündiget worden, vernehmt nun die Gesetze, welche die Weiber betreffen.


147. Ein Mädchen, eine Jungfrau oder eine bejahrte Frau, müssen auch in ihrer eignen Wohnung nichts nach ihrem bloßen Belieben vornehmen.


148. In der Kindheit muß ein Frauenzimmer von ihrem Vater abhängen, in ihrem jungfräulichen Alter von ihrem Ehemanne, und wenn er todt ist von ihren Söhnen, wenn sie keine Söhne hat von den nahen Verwandten ihres Gatten, hat er aber keine verlassen, von den Verwandten ihres Vaters, und wenn sie keine väterliche Blutsfreunde hat vom Landesherren: ein Frauenzimmer muß nie nach Unabhängigkeit streben.13
[185]

149. Sie muß nie wünschen, sich von ihrem Vater, von ihrem Gatten oder von ihren Söhnen zu trennen: denn wenn sie sich von ihnen absondert, so giebt sie beyde Familien der Verachtung preis.


150. Sie muß immer aufgeräumt seyn, der Haushaltung wohl vorstehen, die Geräthe im Hause sorgfältig in Acht nehmen und bey allen ihren Ausgaben räthlich zu Werke gehn;


151. Denjenigen, welchem sie von ihrem Vater ist gegeben worden, oder ihren Bruder, wenn es der Vater so haben will, muß sie, so er lange er lebt, mit Folgsamkeit ehren, und wenn er stirbt nie gleichgültig gegen ihn werden.


152. Man pflegt heilige Sprüche herzusagen, und das Opfer welches der Herr der Geschöpfe verordnet hat, bey Vermählungen zu verrichten um Segen auf die Verlobten herabzuflehen, aber das erste Geschenk, oder die verbürgte Treue des Gatten ist die erste Ursache und der Ursprung der eheherrlichen Gewalt.


153. Sobald der Ehegemahl die hochzeitlichen Gebräuche mit Sprüchen des Veda vollzogen hat, fährt er fort seine Frau hienieden zur Zeit und zur Unzeit zu segnen und auch in der nächsten Welt wir er sie glücklich machen.


154. Sollte ein Ehemann auch die eingeführten Gebräuche nicht beobachten, in ein andere Frau14 verliebt[186] seyn, oder keine gute Eigenschaften haben, so ein tugendhaftes Weib ihn doch immer als ein Gott verehren.


155. Frauen, wenn sie von ihren Gatten entfernt sind, dürfen weder opfern, religiöse Ceremonien verrichten, noch fasten: nur in soferne eine Frau ihren Herrn ehrt, wird sie in Himmel erhaben.


156. Ein treues Weib, welche im Himmel zur Wohnung ihres Gatten zu gelangen wünscht, muß ihm nie etwas widriges zufügen, weder bey seinen Lebzeiten, noch bey seinem Tode.


157. Sie muß aus eigenem Antreibe nichts, als reine Blumen, Wurzeln und Früchte genießen, und dadurch ihren Körper abzehren, aber nie den Namen eines andern Mannes nach dem Ableben ihres Herrn nur von sich hören lassen.


158. Bis an ihren Tod verzeihe sie beständig alle Beleidigungen, kasteye sich, vermeide jedes sündliche Vergnügen und beobachte mit Freuden die unvergleichlichen Vorschriften der Tugend, welche diejenigen Weiber ausgeübt haben die bloß einem Ehemanne ergeben waren.15


159. Viele tausend Brahminen, welche von ihrer frühen Jugend an, all Sinnlichkeit vermieden, ob sie gleich ihren Familien keine Nachkommen verließen, haben dem ungeachtet den Himmel erstiegen.


160. Und ein tugendhaftes Weib steigt, eben so wie diese enthaltsamen Männer, in den Himmel, ob sie gleich kein Kind gehabt hat, dafern sie sich nach dem Hintritte ihres[187] Herrn, gänzlich einer strenger Frömmigkeit widmet.


161. Aber eine Wittwe, welche um Kinder zu haben, ihren verstorbenen Gatten dadurch verächtlich behandelt, daß sie auf's neue heirathet, zieht sich hienieden Schande zu, und wird einst von dem Sitze ihres Herrn ausgeschlossen seyn.


162. Sey es hiermit kund gethan, daß Kinder, welche eine Frau von einem andern Manne der nicht ihr Gatte ist, zur Welt bringt, auf keine Weise als ihre eigenen anzusehen sind, eben so wenig als das Kind welches einer mit dem Weibe eines andern Mannes erzeugt hat, dem Vater zugehört; und ein zweiter Ehemann wird in keiner Stelle dieses Gesetzbuches einer Frau erlaubt, welche tugendhaft seyn will.


163. Eine Frau welche ihren vorigen Herrn ( Purva), ob er gleich aus einer niedern Classe ist, verächtlich behandelt, und einen andern (Para) aus einer höhern nimmt, verscherzt alle Achtung in dieser Welt und wird Parapurva genannt, oder die zuvor einen andern Mann hatte.


164. Eine verheirathet gewesene Frau, welche die Pflicht verletzt die sie ihrem Herrn schuldig ist, brandmarkt sich mit Schande in diesem Leben und wird im nächsten in den Leib eines Schakals kommen, oder von Elephantiasis und andern Krankheiten aufgerieben werden, welche die Strafen der Verbrecher sind.


165. Hingegen eine Frau die ihren Gatten nicht verachtet, sondern ihre Gedanken, ihre Worte, ihren Körper ihm allein gewidmet hat, erreicht seine himmlische[188] Wohnung und wird von guten Menschen Sadhvi, oder tugendhaft genannt.


166. Wahrlich dies ist das Betragen, welches einer Frau deren Gedanken, Worte und Körper gehörigen Einschränkungen unterworfen sind, erhabenen Ruhm in dieser Welt, und in der nächsten die nehmliche Wohnung erwerben kann, in welcher sich ihr Gatte befindet.


167. Ein wiedergeborner Mann, dem die heiligen Vorschriften hinlänglich bekannt sind, ist verbunden, wenn seine Frau vor ihm sterben sollte, sie mit geweihtem Feuer und gehörigen Opfergeräthen, dafern sie aus seiner Classe war, und nach den erwähnten Vorschriften lebte, zu verbrennen.


168. Wenn er so fort die heiligen Feuer angezündet und die Leichenceremonien seiner vor ihm verstorbenen Frau zu Ehren verrichtet hat, so ist es ihm erlaubt wiederum zu heirathen und ein Hochzeitfeuer anzuzünden.


169. Dann unterlasse er nie Tag vor Tag die fünf großen Sacramente, so wie es in den vorhergehenden Geboten anbefohlen ist, zu feyern, und mit seiner rechtmäßigen Gattin den zweyten Zeitraum seines Lebens hindurch in seinem Hause zu wohnen.

Fußnoten

1 Die Zwiebeln werden, wie Craufurd sagt, auch bey gewissen gerichtlichen Aussagen gebraucht, etwa wie beym Schwure ein Tultzi-Zweig in ein Gefäß mit Ganges Wasser gelegt wird, um die Feyerlichkeit zu vermehren. s. Sketches II. 61.


2 Vergl. zu II. 113


3 Vergl. zu II. 118.


4 Vergl. I. 49. IV. 32. 39. XI. 145. es bedarf keiner Erinnerung, daß der Glaube an die Seelenwanderung die Verehrung des Pflanzenreichs bey den Hindus veranlaßt. Sacontala sagt p. 7. »ich fühle die Liebe einer Schwester für diese Pflanzen,« ja sie nimmt p. 48. förmlich Abschied von einer Pflanze, siehe die Strafen, welche noch jetzt auf Beschädigung der Aeste des Banianbaums stehen in den Gentoogesetzen S. 428.


5 Siehe zu I. 50. u. zu IV. 243.


6 Vergl. Allgem. Anmerk. IV.


7 Vielleicht ist hier der Grund der allgemeinen Enthaltung von Fleischspeisen, ausgenommen in der Cshattricaste und bey den Seiks; siehe Sketches II.


8 Vergl. II. 36. III. 279.


9 Vergl. II. 27. 35.


10 Unter andern abergläubischen Grillen ist die ängstlichste Aufmerksamkeit auf die vier Weltgegenden bey jeder Handlung, wie man durch den ganzen Menu steht. So gebieten die Gesetze, daß die Seiten der Pagoden genau nach den vier Weltgegenden zu stehen müssen, und Gentil, der darauf Achtung gab, fand sie genau so gebaut. Siehe Robertson's Disquisition p. 363.


11 Vergl. zu II. 132. V. 121. 122. 124. XI. 166.


12 S. Glossar, in Bramakari.


13 Ganz im Geiste des Morgenlandes. Ueberhaupt wird im Menu in nicht wenigen Stellen so verächtlich von den Weibern geredet, daß die ärgsten Europäischen Misogynen nie etwas lächerliches darüber gesagt haben. In den Apologen des Wischnu – Sarma findet man ebenfalls p. 78. eine so arge Schilderung der Frauen, daß der gelehrte Wilkins nicht umhin konnte zu befürchten, daß Buch würde auf einmal unter seinen reitzenden Landesmänninnen verdammt werden, wenn er nicht einen Protest zu jener Stelle setzte, welches er auch feyerlich S. 306. dadurch thut, daß er sagt: »ohne Zweifel sey dies die Gallsucht eines Hindus, der das Gelübde der ewigen Enthaltsamkeit gethan hätte.«


14 Hier muß ich die nämliche Saite noch einmal, aber zum Lobe der Frauen aus den Travels C.O.O.I. 340. berühren, wo der Erzähler die Behauptung derer widerlegt, welche die Hindu-Weiber eines Mannes eifersüchtig genannt hätten, und versichert, daß sie nichts weniger wären. Mithin ist Menu's Gesetz vollgültig.


15 Vergl. III. 166.

Quelle:
Hindu Gesetzbuch oder Menu's Verordnungen nach Cullucas Erläuterung. Weimar 1797, S. 161-189.
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