60.
An Richard Wagner

[1056] Basel, Mittwoch [24. Januar 1872]


Mein verehrter Meister, soeben habe ich einen Brief an Ihre Frau Gemahlin abgesandt; es ist kaum eine Stunde nach Ihrer Abreise von Basel, so daß ich hoffen kann, wie schon morgen früh die gute Nachricht in Tribschen ist.

Es scheint jetzt der Moment zu sein, in dem der Bogen endlich gespannt wird – nachdem er lange mit schlaffen Sehnen da hing. Daß[1056] Sie es aber auch sein müssen, der dies tut! Daß doch alles zuletzt auf Sie zurückgeht! Ich empfinde meine jetzige Existenz als einen Vorwurf und frage Sie aufrichtig an, ob Sie mich brauchen können. Außer dieser Anfrage wüßte ich augenblicklich nichts zu berichten – aber viel, sehr viel zu wünschen, zu hoffen, mein verehrter Meister!

In Treue Ihr Friedrich Nietzsche

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 1056-1057.
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Ausgewählte Ausgaben von
Briefe
Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.1, Bd.1, Briefe von Nietzsche, Juni 1850 - September 1864. Briefe an Nietzsche Oktober 1849 - September 1864.
Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.2, Bd.2, Briefe an Nietzsche, April 1869 - Mai 1872
Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden.
Sämtliche Briefe, 8 Bde.
Sämtliche Briefe: Kritische Studienausgabe in 8 Bänden