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[1206] [Rom, Juni 1883]
Hochverehrter Herr Professor, zuletzt fehlt mir jetzt nichts als ein Gespräch mit Ihnen! Nachdem ich über den »Sinn meines Lebens« etwas zur Klarheit gekommen bin, hätte ich gar zu gern Sie über »den Sinn alles Lebens« sprechen hören mögen (ich bin jetzt mehr »Ohr« als irgend etwas anderes –); aber der Sommer führt mich diesmal nicht nach Basel, sondern nach Rom! Was das beifolgende Büchlein betrifft, so sage ich nur dies: irgendwann schüttet jeder einmal sein Herz aus und die Wohltat, die er sich damit erweist, ist so groß, daß er kaum begreifen kann, wie sehr er eben damit allen anderen am meisten wehtut.
Ich ahne etwas davon, daß ich diesmal Ihnen noch mehr wehe tue als es bisher geschehen ist: aber auch das, daß Sie, der[1206] Sie mir immer gut gewesen sind, von jetzt ab mir noch guter sein werden!
Nicht wahr, Sie wissen, wie ich Sie liebe und ehre?
Ihr Nietzsche
Roma, via Polveriera 4 (piano 2)
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