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[1238] Nizza, den 28. April 1886
Liebe verehrte Frau Professor, über Naumburg kommt diese außerordentlich schmerzhafte und überraschende Mitteilung zu mir, welche mich verpflichtet, auch meinerseits Ihnen ein Zeichen meiner Trauer und meines tiefen Mitgefühls zu geben. Es werden selten Männer so betrauert, wie Ihr ausgezeichneter Gemahl betrauert wird: von Menschen der verschiedensten Denkweisen und Bestrebungen, die aber alle einmütig in dem Wunsche sind, einen Nachruhm, wie er ihn[1238] hat, zu hinterlassen, als treue, uneigennützige, wohlwollend-wohltätige und unermüdliche Freunde alles Guten und Gerechten. Darf ich hinzufügen, daß mir persönlich ein Stück Leben und Vergangenheit mit ihm zu Grabe getragen wird, an welches ich gerne und mit vieler Dankbarkeit zurückzudenken habe: er gehörte zu den trefflichen Basler Kollegen, die mir, in einer Lebenszeit, wo man noch wenig Anspruch auf Vertrauen machen darf und sich im Grunde erst zu »beweisen« hat, mit einem unbedingten Vertrauen und hilfreich in Rat und Tat entgegengekommen sind, nach dem Vorbilde seines verehrungswürdigen und mir unvergeßlich teuren Vaters. Noch von meinem letzten Besuche, den ich ihm in Basel machte (vor zwei Jahren, Sie selbst waren verreist –), habe ich den Eindruck jenes tiefen Vertrauens zurückbehalten, welches wir, ich darf es wohl sagen, zueinander hatten.
In meinem nächsten Briefe will ich meiner Schwester von Ihrem großen Verluste Mitteilung machen, verehrte Frau Professor (über das Meer, Sie wissen ohne Zweifel von ihrer Übersiedelung nach Paraguay?); und ich weiß, daß sie mit Ihnen und mit mir auf das schmerzlichste davon betroffen sein wird. Wenn ich selbst in diesem Jahre über Basel kommen sollte, werde ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen mündlich zu wiederholen, was ich hier geschrieben habe,
als Ihr hochachtungsvoll ergebener und sehr betrübter Freund
Professor Dr. Nietzsche
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