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[50] Antiker Stolz. – Die antike Färbung der Vornehmheit fehlt uns, weil unserm Gefühle der antike Sklave fehlt. Ein Grieche edler Abkunft fand zwischen seiner Höhe und jener letzten Niedrigkeit solche ungeheure Zwischen-Stufen und eine solche Ferne, daß er den Sklaven kaum noch deutlich sehen konnte: selbst Plato hat ihn nicht ganz mehr gesehen. Anders wir, gewöhnt wie wir sind an die Lehre von der Gleichheit der Menschen, wenn auch nicht an die Gleichheit selber. Ein Wesen, das nicht über sich selber verfügen kann und dem die Muße fehlt – das gilt unserm Auge noch keineswegs als etwas Verächtliches; es ist von derlei Sklavenhaftem vielleicht zu viel an jedem von uns, nach den Bedingungen unserer gesellschaftlichen Ordnung und Tätigkeit, welche grundverschieden von denen der Alten sind. – Der griechische Philosoph ging durch das Leben mit dem geheimen Gefühle, daß es viel mehr Sklaven gebe, als man vermeine – nämlich daß jedermann Sklave sei, der nicht Philosoph sei; sein Stolz schwoll über, wenn er erwog, daß auch die Mächtigsten der Erde unter diesen seinen Sklaven seien. Auch dieser Stolz ist uns fremd und unmöglich: nicht einmal im Gleichnis hat das Wort »Sklave« für uns seine volle Kraft.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, S. 50.
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