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[62] Unerwünschte Jünger. – Was soll ich mit diesen beiden Jünglingen machen! – rief mit Unmut ein Philosoph, welcher die Jugend »verdarb«, wie Sokrates sie einst verdorben hat – es sind mir unwillkommne Schüler. Der da kann nicht nein sagen, und jener sagt zu allem: »halb und halb«. Gesetzt, sie ergriffen meine Lehre, so würde der erstere zu viel leiden, denn meine Denkweise erfordert eine kriegerische Seele, ein Wehtun-Wollen, eine Lust am Neinsagen, eine harte Haut, – er würde an offnen und innern Wunden dahinsiechen. Und der andere wird sich aus jeder Sache, die er vertritt, eine Mittelmäßigkeit zurechtmachen und sie dergestalt zur Mittelmäßigkeit machen – einen solchen Jünger wünsche ich meinem Feinde!

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, S. 62.
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Die fröhliche Wissenschaft
Werke, Kritische Gesamtausgabe, Abt.5, Bd.2, Idyllen aus Messina; Die fröhliche Wissenschaft; Nachgelassene Fragmente Frühjahr 1881 - Sommer 1882
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Sämtliche Werke: kritische Studienausgabe in 15 Einzelbänden - Teil 3. Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft
Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft. Herausgegeben von G. Colli und M. Montinari.
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