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[185] Rückblick. – Wir werden uns des eigentlichen Pathos jeder Lebensperiode selten als eines solchen bewußt, so lange wir in ihr stehen, sondern meinen immer, es sei der einzig uns nunmehr mögliche und vernünftige Zustand und durchaus Ethos, nicht Pathos – mit den Griechen zu reden und zu trennen. Ein paar Töne von Musik riefen mir heute einen Winter und ein Haus und ein höchst einsiedlerisches Leben ins Gedächtnis zurück und zugleich das Gefühl, in dem ich damals lebte; – ich meinte ewig so fortleben zu können. Aber jetzt begreife ich, daß es ganz und gar Pathos und Leidenschaft war, ein Ding, vergleichbar dieser schmerzhaft-mutigen und trostsicheren Musik – der gleichen darf man nicht auf Jahre oder gar auf Ewigkeiten haben: man würde für diesen Planeten damit zu »überirdisch«.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, S. 185.
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Werke, Kritische Gesamtausgabe, Abt.5, Bd.2, Idyllen aus Messina; Die fröhliche Wissenschaft; Nachgelassene Fragmente Frühjahr 1881 - Sommer 1882
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