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[1038] Falsche Schlüsse aus der Nützlichkeit. – Wenn man die höchste Nützlichkeit einer Sache bewiesen hat, so ist damit auch noch kein Schritt zur Erklärung ihres Ursprungs getan: das heißt, man kann mit der Nützlichkeit niemals die Notwendigkeit der Existenz verständlich machen. Aber gerade das umgekehrte Urteil hat bisher geherrscht – und bis in die Gebiete der strengsten Wissenschaft hinein. Hat man nicht selbst in der Astronomie die (angebliche) Nützlichkeit in der Anordnung der Satelliten (das durch die größere Entfernung von der Sonne abgeschwächte Licht anderweitig zu ersetzen, damit es den Bewohnern der Gestirne nicht an Licht mangele) für den Endzweck ihrer Anordnung und für die Erklärung ihrer Entstehung ausgegeben? Wobei man sich der Schlüsse des Kolumbus erinnern wird: die Erde ist für den Menschen gemacht, also, wenn es Länder gibt, müssen sie bewohnt sein. »Ist es wahrscheinlich, daß die Sonne auf nichts scheine, und daß die nächtlichen Wachen der Sterne an pfadlose Meere und menschenleere Länder verschwendet werden?«

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Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 1, S. 1038.
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