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[1073] Die historische Widerlegung als die endgültige. – Ehemals suchte man zu beweisen, daß es keinen Gott gebe, – heute zeigt man, wie der Glaube, daß es einen Gott gebe, entstehen konnte und wodurch dieser Glaube seine Schwere und Wichtigkeit erhalten hat: dadurch wird ein Gegenbeweis, daß es keinen Gott gebe, überflüssig. – Wenn man ehemals die vorgebrachten »Beweise vom Dasein Gottes« widerlegt hatte, blieb[1073] immer noch der Zweifel, ob nicht noch bessere Beweise aufzufinden seien als die eben widerlegten: damals verstanden die Atheisten sich nicht darauf, reinen Tisch zu machen.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 1, S. 1073-1074.
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Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft. Herausgegeben von G. Colli und M. Montinari.
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