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[1195] Womöglich ohne Arzt leben. – Es will mir scheinen, als ob ein Kranker leichtsinniger sei, wenn er einen Arzt hat, als wenn er selber seine Gesundheit[1195] besorgt. Im ersten Falle genügt es ihm, streng in bezug auf alles Vorgeschriebene zu sein; im andern Falle fassen wir das, worauf jene Vorschriften abzielen, unsere Gesundheit, mit mehr Gewissen ins Auge und bemerken viel mehr, gebieten und verbieten uns viel mehr, als auf Veranlassung des Arztes geschehen würde. – Alle Regeln haben diese Wirkung: vom Zwecke hinter der Regel abzuziehen und leichtsinniger zu machen. – Und wie würde der Leichtsinn der Menschheit ins Unbändige und Zerstörerische gestiegen sein, wenn sie jemals vollkommen ehrlich der Gottheit als ihrem Arzte alles überlassen hätte, nach dem Worte »wie Gott will«! –

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 1, S. 1195-1196.
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Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft. Herausgegeben von G. Colli und M. Montinari.
Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile.
TITLE: Werke in drei Bänden (mit Index), Bd.1: Menschliches, Allzumenschliches / Morgenröte
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