Die fünfte Defension daß ich mich der falschen Ärzte und ihrer Gesellschaft entschlage

[518] Alldieweil nichts so rein ist, das nit mit Makeln befleckt sei, ist es von nöten, daß man das Befleckte und das Reine zu erkennen gebe, – wie es denn auch in der Arznei sich beweist, daß des Bösen mehr denn des Guten ist. Alldieweil aber Christus zwölf Jünger gehabt hat und einer unter ihnen war ein Verräter, – wievielmehr ist es dann unter den Menschen glaublich, daß von zwölf kaum ein guter sei. Der Ursach halben: Wir sollen alle Dinge aus Liebe tun; aber aus Liebe geschieht nichts, sondern allein wegen der Begleichung und Bezahlung, aus dem dann der Eigennutz folge, aus welchem falsche Ärzte in der Arznei geboren werden, so daß sie das Geld suchen und nit das Gebot der Liebe erstatten. Wo nun ein Ding in den Eigennutz gerichtet ist, da fälschen sich die Künste, auch das Werk, denn Kunst und Werkschaft müssen aus der Liebe entspringen, sonst ist nichts Vollkommenes da. Gleicherweise wie wir zweierlei Apostel haben, der eine aber liebt Christum wegen seines eignen Nutzens, drum ward ihm der Säckel des Eigennutzes zugestellt; so hatte er seine Ursache, durch seinen Eigennutz Christum selbst zu verkaufen, auch seines Eigennutzes wegen in den Tod zu gehen. Wenn nun Christus das hat erdulden müssen, daß er wegen des Eigennutzes hat verkauft und verraten werden müssen, wievielmehr erkrümmen und lahmen, erwürgen und töten die falschen Ärzte den Menschen, damit ihnen ihr eigener Nutz gemehrt und nicht gehindert werde. Denn so bald die Liebe in den Nächsten erkaltet, so kann sie dem Nächsten keine gute Frucht mehr tragen, und was an Frucht da getragen wird, die geht in den eigen Nutz. So sollen wir wissen, daß zwo Arten der Ärzte seien, die aus der Liebe handeln und die aus dem Eigennutz, und an den Werken werden sie beide erkannt, so daß die gerechten durch die Liebe erkannt werden, und der gerechte Arzt die Liebe gegenüber dem Nächsten nit breche. Aber die ungerechten,[518] die handeln wider das Gebot, schneiden, da sie nit gesät haben, und sind wie die reißenden Wölfe, schneiden, wo sie schneiden können, damit der Eigennutz gemehrt werde, unangesehen das Gebot der Liebe.

Christus gibt Exempel, von dem Perlein, wie es gekauft ward, auch wie der Acker mit dem Schatz gekauft ward, das so viel besagt, daß die Liebe nicht unter vielen liege, sondern in der Kleine. Als spräche er: Bist du ein Arzt, so ist dein Perlein der Kranke, und ist der Acker, in dem der Schatz liegt. Jetzt folgt daraus: daß ein Arzt verkaufen soll, was er hat, und den Kranken gesund machen: so handelt die Liebe gegenüber dein Nächsten. Wenn aber das nit ist, sondern du behältst das deine und nimmst auch dem Kranken das seine, jetzt wird der Schrift in gar nichts gefolgt; darum kann auch keine Kunst in der Arznei als vollkommen erscheinen. Denn das müssen wir vor unsern Augen haben, wie dem Judas der Säckel des Eigennutzes zugestellt worden ist und den andern Aposteln, Säckel zu haben verboten war, sondern sie aßen, was man ihnen vorlegte. Solches den selben Vorlegen geht aus der Liebe; Heischen, Geilen, Betteln ist nicht erlaubt. Denn das, was wir vom Nächsten empfangen sollen, ist in die Liebe gestellt, und ist nicht in unsere Gewalt gestellt. Drum folgt daraus, daß dem Teil, der da im Weg Gottes wandelt, in seinen Gaben, die ihm Gott gegeben hat, vollkommene Werke und Früchte ersprießen, die aber anders handeln, als die Schrift ausweist, die sind mitsamt denjenigen, bei denen sie den Eigennutz suchen, mit viel Jammer und Elend umgeben. Es sei denn, daß Gott wider des falschen Arztes Kunst und Arznei in dem Nächsten wirke, sonst wird unter deren Händen kein Kranker gesund. Es soll sich des niemand befremden lassen, daß ich in der Arznei den Eigennutz nicht preisen kann, – nämlich weil ich weiß, wie der Eigennutz so gar verderblich ist, so daß die Künste durch den Eigennutz verfälscht werden, und alles allein auf den Schein und Kauf gerichtet wird, und daß solches ohne Falsch nicht geschehen kann, welcher Falsch in allen Dingen die Verführung ursacht. Drum soll[519] der Arzt nit aus Eigennutz wachsen, sondern aus der Liebe. Die selbige ist ohne Sorgen, sorgt nicht, was sie morgen essen will, sondern denkt, wie die Lilien im Felde gekleidet werden und die Vögel gespeist, wievielmehr der Mensch, der da wandelt nach dem Willen Gottes.

Aber weil in die Arznei so ein unnütz Volk eingemischt wird, die allein den Eigennutz betrachten und suchen, wie kann es dann statt oder folge haben, daß ich sie der Liebe ermahne. Ich für mein schäme mich, in Ansehung daß sie so ganz in einen Betrug gekommen ist, der Arznei. Es ist doch kein verzweifelter Henker, Hurenwirt oder Hundeschläger, der nicht sein Menschen- oder Hundeschmalz gleich teuer wie Gold verkaufen und alle Krankheit damit heilen will. Da doch ihr Gewissen sie anweist, daß ihnen nur eine Krankheit unter allen zu heilen erlaubt sei. Aber angesichts ihres Eigennutzes nehmen sie das alles, was ihnen zuläuft, an. So kommen in die Arznei auch alle die faulen und heillosen Lotterbuben und verkaufen ihre Arznei, es reime sich oder nit. Welcher nun Geld in den Säckel bringen kann, der selbige hat das Lob, er sei ein guter Arzt. So auch nehmen sich die Apotheker und etliche Barbierer der Arznei an, halten und walten, als wäre es ein Holzwagen, gehn in der Arznei wider ihr eigen Gewissen um, vergessen ihrer eignen Seelen, allein daß sie reich werden, und Haus und Hof und alles, was darein gehört, zurichten und ausputzen.

Achten dess' nit, daß es unverdient in ihre Hand gekommen ist, wenn es allein nur da ist. Es ist auch ein doktorischer Brauch geworden, – wenn es die Schrift vermag? Daß es recht sei, ist mir unwissend, – daß ein Gang einen Gulden gelten solle, ob er gleichwohl nit verdient wird, und Seichbesehen und anderes mit der Taxe bestimmt ist. Einer mit dem andern Mitleid zu haben und das Gebot der Liebe zu erfüllen, solches will in keinen Gebrauch oder Gewohnheit kommen. Es will auch kein Gesetz mehr sein, sondern nur Nehmen, Nehmen, es reim sich oder nit. So erlangen sie goldene Ketten und goldene[520] Ringe, so gehen sie in seidenen Kleidern und zeigen so vor aller Welt ihre offene Schande, was sie erachten, ihnen eine Ehre zu sein und dem Arzte wohl anstehe. So geziert wie ein Bild einherzutreten, das ist ein Greuel vor Gott. Ob sich nicht einer billig einer solchen Profession schämen sollte, die von untüchtigen Leuten so gar wider ihre Eigenschaft gebraucht wird? Obwohl die Kunst an sich selbst ein hoher Schatz der Natur ist, wird sie doch von solchen untüchtigen Leuten nit betrachtet. Es sind viel, die sich der Arznei annehme und ein jeglicher will die selbe gebrauchen und nicht kennen. Sie sind Diebe und Mörder, steigen nicht zu der rechten Tür hinein. Ihre Kunst ist Schwätzen und Kläffen. Der Termin erhält sie, und ihre Büberei und Betrug treibt sie von einem Land in das andere, aber nit wieder zurück. Ihnen ist gleich wie einem Boten, der eine fremde Nachricht bringt; wo er hinkommt, treibt er die selbige Predigt; wenn er wieder kommt, so achtet man sein nicht mehr. Es ist sehr schwer und kläglich, daß eine solche Kunst mit solchen untüchtigen leichtfertigen Leuten besetzt sein muß und so in ein Falsch gebracht wird, so daß man der Wahrheit hierin nit glaubt, und es ist dahin gekommen, daß ihre Bübereien so durchaus an den Tag komme, und daß unser keiner ein gut Lob hat, sondern man schätzt uns alle gar gleich, – das ich in mancher Beziehung keinem verargen kann.

Denn ursach: weil die jüdischen Ärzte, ein unnütz verlogen Volk, die Arznei gebrauchen und von den Pharisäischen hochgehalten werden, wer sollte dann auf eine Profession, die solche Buben regieren, etwas halten? Dieweil ja alle Roß mit einem Sattel geritten werden können, und die Krankheiten in ihrem Wesen nicht erkannt werden, sondern was einem jeglichen in den Kopf fällt, das ist seine Kunst, und da ist noch keine Erfahrenheit noch Wahrheit ergründet. Daß aber solches geschieht, das ursacht, daß die Welt betrogen sein will, drum so muß die Arznei mit solchen Buben besetzt werden, von denen die Welt betrogen wird, denn ein Frommer tut es nit. Wenn aber die Welt nit betrogen zu werden begehrte, es würde die Arznei mit andern[521] besetzt werden. Weil aber die Welt manchenteils auch nichts oder wenig taugt, kann sie das Fromme nit bei sich dulden; drum muß Gleiches dem Gleichen beigefügt werden. Ob sich nit billig einer schämen sollte, der unter solche Buben gezählt und genannt werden kann? Nit allein, daß sie in der Arznei herumwühlen, sondern auch, daß sie ihre Üppigkeit, das ist Übermütigkeit, genügend zeigen. So bilden sie sich ein, alle religiones zu wissen und zu können, und wollen Gewalt haben, alle Dinge zu strafen oder zu loben; sie rühmen sich, alle Sprachen zu können, und so man es besieht, so ists mit einem Dreck versiegelt. Man sagt, der Himmel wirke solche Dinge und das Firmament sei ihre Ursache; mir ist das Firmament auch in mancher Hinsicht bekannt, ich kann aber nit in ihm erfahren, daß der Falsch in der Arznei aus dem Firmament geboren werde. Aber das weiß ich wohl, daß des Menschen Leichtfertigkeit eine Ursache des Betruges ist, und man bedarf sonst niemands ihn zu zeihen, als sein selbst. Keiner will, bis hin auf seine Meisterschaft, noch etwas erfahren; ein jeglicher will fliegen, ehe ihm die Flügel gewachsen sind. Das ist der Betrug, daß ein jeglicher handelt und nit weiß, was. Das ist die Leichtfertigkeit, die im Menschen ist, daß er sich eines Werkes untersteht, und weiß, daß ers nit kann. Weil aber der falsche Arzt denkt: geräts nit, – wie es auch geschehen wird, – so kannst du dich wohl verantworten und deine Büberei mit Gott verteidigen oder dem Kranken die Schuld zulegen, – aber man muß dir Geld geben; es gehe, wie es wolle. Die Arznei ist eine Kunst, die mit großem Gewissen und großer Erfahrenheit gebraucht werden soll, auch mit großer Gottesfurcht, denn der Gott nicht fürchtet, der mordet und stiehlt für und für. Der kein Gewissen hat, der hat auch keine Scham in sich. Es ist eine Schande und Laster, oder vielleicht eine Plage, daß man solche gottlosen Leute nicht erkennen, das ist sichtbar machen, soll, und einen Baum, der nichts taugt, abhauen und in das Feuer werfen darf. Denn so sind sie gerichtet, alldieweil sie der Obrigkeit Mildesehen haben, und man sieht auch, daß sie den Eigennutz[522] zuweilen lieben, – da ist ihnen hernach wie einer Huren auf der Grabenstraße. Drum ist von nöten, daß man da zwischen den Ärzten, die unter dem Gesetz Gottes wandeln, gegenüber denen, die unter dem Gesetz der Menschen wandeln, einen Unterschied halte; der eine dient in der Liebe, der andere in dem Eigennutz.

Will mich also dieserorts defendiert haben, daß ich mit den pseudomedicis keine Gemeinschaft habe noch ihrer ein Gefallen trage, sondern ich möchte fordern, daß die Axt an den Baum gelegt werde; es dürfte – nach meinem Gutdünken – nit lang verzogen werden.

Quelle:
Theophrast Paracelsus: Werke. Bd. 2, Darmstadt 1965, S. 518-523.
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