Hegel

[146] Die soeben dargestellte Philosophie, welche auf allgemeine Zustimmung rechnen konnte, wenn sie sich als Denk- oder Vernunftwissenschaft und Gott, zu dem sie ans Ende gelangte, als das bloß logische Resultat ihrer früheren Vermittlungen darstellte, erhielt, indem sie den Schein des Gegenteils annahm, ein ganz falsches, sogar ihrem eigenen ursprünglichen Gedanken widersprechendes Ansehen (daher die veränderlichen und höchst verschiedenen Urteile, die über sie geäußert wurden, ganz natürlich waren). Nun konnte man aber hoffen, daß sie sich wirklich in diese Grenze zurückziehe, sich als negative, bloß logische erkläre, als Hegel eben dies als die erste Forderung an die Philosophie aufstellte, daß sie sich in das reine Denken zurückziehe und daß sie zum einzigen unmittelbaren Gegenstand den reinen Begriff habe. Man kann Hegel das Verdienst nicht absprechen, daß er die bloß logische Natur jener Philosophie, die er sich zu bearbeiten vornahm und die er zu ihrer vollkommenen Gestalt zu bringen versprach, wohl eingesehen hatte. Hätte er sich dabei festgehalten, und hätte er diesen Gedanken mit strenger, mit entschiedener Verzichtleistung auf alles Positive ausgeführt, so hätte er den entschiedenen Übergang zur positiven Philosophie herbeigeführt, denn das Negative, der negative Pol, kann nirgends in seiner Reinheit da sein, ohne sogleich den positiven zu fordern. Allein jene Zurückziehung auf das bloße Denken, auf den reinen Begriff, war, wie man gleich auf den ersten Seiten von Hegels Logik ausgesprochen finden kann, mit dem Anspruch verknüpft, daß der Begriff alles sei und nichts außer sich zurücklasse. Hegels eigne Worte sind diese: »Die Methode ist nur die Bewegung des Begriffs selbst, aber mit der Bedeutung, daß der Begriff alles, und seine Bewegung[146] die allgemeine absolute Tätigkeit ist. Die Methode ist daher, die unendliche Kraft zu erkennen (hier kommt demnach, nachdem bis dahin bloß von Denken und bloß vom Begriff die Rede war, auf einmal der Anspruch auf Erkennen herein. Das Erkennen ist aber das Positive und hat zum Gegenstand nur das Seiende, Wirkliche, wie das Denken bloß das Mögliche, und also auch nur das Erkennbare und nicht das Erkannte) – die Methode ist daher die unendliche Kraft zu erkennen, der kein Objekt, sofern es sich als ein äußerliches, der Vernunft fernes und von ihr unabhängiges darstellt, Widerstand leisten kann.«

Der Satz: die Bewegung des Begriffs ist die allgemeine absolute Tätigkeit, läßt auch für Gott nichts anderes übrig als die Bewegung des Begriffs, d.h. selbst nur der Begriff zu sein. Der Begriff hat hier nicht die Bedeutung des bloßen Begriffs (dagegen protestiert Hegel aufs eifrigste), sondern die Bedeutung der Sache selbst, und wie es in den Zendschriften heißt: der wahre Schöpfer ist die Zeit so kann man Hegel allerdings nicht vorwerfen, nach seiner Meinung sei Gott ein bloßer Begriff; seine Meinung ist vielmehr: der wahre Schöpfer ist der Begriff; mit dem Begriff hat man den Schöpfer und braucht keinen andern außer diesem.

Dies war es gerade, was Hegel vorzüglich zu vermeiden suchte, daß Gott, wie es innerhalb einer logischen Philosophie doch nicht anders sein konnte, bloß im Begriff gesetzt sei. Gott war ihm nicht sowohl ein bloßer Begriff als der Begriff Gott, der Begriff war ihm mit der Bedeutung, daß er Gott sei. Seine Meinung ist: Gott ist nichts anderes als der Begriff, der stufenweise zur selbstbewußten Idee wird, als selbstbewußte Idee sich zur Natur entläßt, aus dieser in sich selbst zurückkehrend zum absoluten Geist wird.

So wenig ist Hegel geneigt, seine Philosophie als die bloß negative zu erkennen, daß er vielmehr versichert: sie sei die Philosophie die schlechthin nichts außer sich zurücklasse; seine Philosophie schreibt sich die objektivste Bedeutung und insbesondere eine ganz vollkommene Erkenntnis[147] Gottes und göttlicher Dinge zu – die Erkenntnis, die Kant der Vernunft abgesprochen, sei durch seine Philosophie erreicht. Ja er geht so weit, selbst eine Erkenntnis der christlichen Dogmen seiner Philosophie zuzuschreiben: in dieser Hinsicht ist wohl seine Darstellung der Dreieinigkeitslehre das Sprechendste, welche kürzlich folgende ist. Gott der Vater, vor der Schöpfung, ist der rein logische Begriff, der in den reinen Kategorien des Seins sich verläuft. Dieser Gott aber muß sich, weil sein Wesen in einem notwendigen Prozeß besteht, offenbaren, diese Offenbarung oder Entäußerung seiner selbst ist die Welt und ist Gott der Sohn. Aber Gott muß auch diese Entäußerung (welche ein Heraustreten aus dem bloß Logischen ist – so wenig hat Hegel den bloß logischen Charakter des Ganzen dieser Philosophie erkannt, daß er mit der Naturphilosophie aus ihr herauszutreten erklärte) – Gott muß auch diese Entäußerung, diese Negation seines bloß logischen Seins wieder aufheben und zu sich zurückkehren, welches durch den Menschengeist geschieht in der Kunst, in der Religion und vollständig in der Philosophie, und dieser Menschengeist ist zugleich der Heilige Geist, wodurch Gott erst zum vollkommenen Bewußtsein seiner selbst kommt.

Sie sehen, wie hier jener Prozeß, den die frühere Philosophie eingeführt, verstanden, und wie er auf die entschiedenste Weise als Objektiver und realer genommen ist. Für so verdienstlich man daher auch die Anwandlung anschlagen muß, die Hegel hatte, die bloß logische Natur und Bedeutung der Wissenschaft, die er vor sich fand, einzusehen, so verdienstlich insbesondere es ist, daß er die von der früheren Philosophie im Realen verhüllten logischen Verhältnisse als solche hervorgehoben hat, so muß man doch gestehen, daß in der wirklichen Ausführung seine Philosophie (eben durch die Prätension auf objektive, reale Bedeutung) um ein gut Teil monstroser geworden ist, als es die vorhergehende je war, und daß ich daher auch dieser Philosophie nicht Unrecht getan habe, wenn ich sie – eine Episode nannte.[148]

Ich habe nun die Stelle des Hegelschen Systems im allgemeinen bestimmt. Um aber dies noch bestimmter nachzuweisen, will ich den Hauptgang seiner Entwicklung näher darstellen.

Um also in die Bewegung hineinzukommen, muß Hegel mit dem Begriff auf irgendeinen Anfang zurückgehen, wo er von dem, was durch die Bewegung erst werden soll, am weitesten entfernt ist. Nun gibt es innerhalb des Logischen oder Negativen wieder mehr oder weniger bloß Logisches oder Negatives, weil der Begriff ein mehr oder weniger erfüllter sein, mehr oder weniger unter sich begreifen kann, Hegel geht also auf das Allernegativste zurück, was sich denken läßt, auf den Begriff, in dem noch am wenigsten zu erkennen, der also, so sagt er, von jeder subjektiven Bestimmung so frei als möglich, insofern der objektivste ist. Und dieser Begriff ist ihm der des reinen Sein.

Wie Hegel zu dieser Bestimmung des Anfangs kommt, läßt sich vielleicht auf folgende Art erklären.

Das Subjekt, welches die vorausgegangene Philosophie zu ihrem Ausgangspunkt hatte, war gegenüber von dem Fichteschen Ich, welches nur das Subjekt unseres, des menschlichen, oder im Grunde für jeden nur das Subjekt des eigenen Bewußtseins war – im Gegensatz mit diesem selbst bloß subjektiven Subjekt war das Subjekt in der auf Fichte folgenden Philosophie erklärt worden als objektives (außer uns gesetztes, von uns unabhängiges) Subjekt, und inwiefern nun zugleich erklärt wurde, daß die Entwicklung von diesem Objektiven Subjekt erst fortzuschreiten habe zum subjektiven (zum in uns gesetzten), so war hiermit der Gang im allgemeinen allerdings bestimmt worden als Fortgehen vom Objektiven ins Subjektive; der Ausgangspunkt war das Subjektive in seiner völligen Objektivität, also er war doch immer das Subjektive, nicht das bloße Objektive, wie Hegel seinen ersten Begriff bestimmt als das reine Sein. – Jenem System (dem vorausgegangenen) ist das in ihm sich Bewegende nur nicht als solches schon gesetzte Subjekt, sondern, wie früher[149] bemerkt, nur so Subjekt, daß ihm möglich ist, auch Objekt zu sein, insofern noch weder entschieden Subjekt noch entschieden Objekt, sondern eine Gleichgültigkeit zwischen beiden, was als Indifferenz des Subjektiven und Objektiven ausgedrückt wurde. Denn vor dem Prozeß oder an und gleichsam vor sich selbst gedacht, ist es nicht sich selbst Objekt, aber eben darum ist es auch nicht gegen sich selbst Subjekt (zum Subjekt von sich selbst, welches ja nicht weniger ein relativer Begriff ist, macht es sich eben sowohl erst, als es zum Objekt von sich selbst sich erst macht), es ist daher auch relativ auf sich selbst Indifferenz von Subjekt und Objekt (noch nicht Subjekt und Objekt), aber eben weil es nicht Subjekt und Objekt von sich selbst ist, so ist es auch diese Indifferenz nicht für sich selbst und demnach bloß objektiv, bloß an sich. Der Übergang zum Prozeß ist nun, wie Sie wissen, eben, daß es sich selbst als sich selbst will, und das Erste im Prozeß ist demnach das zuvor gleichgültige (indifferente) Subjekt in seiner nunmehrigen sich-selbst-Anziehung. In dieser Selbstanziehung ist das Angezogene (wir wollen es B nennen), d.h. das Subjekt, inwiefern es Objekt von sich ist, notwendig ein Begrenztes, Beschränktes (die Anziehung selbst eben ist das Begrenzende), das Anziehende aber (wir wollen es A nennen) ist eben dadurch, daß es das Sein angezogen, selbst außer sich gesetzt, mit diesem Sein befangen, es ist das erste Objektive. Dieses erste Objektive, dieses »primum Existens« ist aber nur der Anlaß und die erste Stufe zu den höheren Potenzen der Innerlichkeit oder Geistigkeit, zu welcher das Subjekt sich in dem Verhältnis erhebt, als es sich in jeder seiner Formen immer wieder zum Objekt schlägt, zum Objekt hinzutritt (denn es ist ihm gleichsam nur darum zu tun, jenes sein erstes Sein zu einem sich angemessenen zu erhöhen, es mit immer höheren geistigen Eigenschaften auszustatten, in ein solches zu verwandeln, in dem es selbst sich erkennen und daher ruhen kann); indem aber die folgende Stufe immer die frühere festhielt, so kann dies nicht geschehen, ohne eine Totalität von Formen zu erzeugen; die Bewegung[150] ruht daher nicht eher, als bis das Objekt ganz = dem Subjekt geworden. Inwiefern daher auch im Prozeß das primum Existens ein Minimum von Subjektivem und ein Maximum von Objektivem ist, von welchem zu immer höheren Potenzen des Subjektiven fortgegangen wird, so ist auch hier (von dem im Prozeß Ersten aus) ein Fortgang vom Objektiven ins Subjektive.

Auf jeden Fall also mußte Hegel, da er doch im ganzen und in der Hauptsache dasselbe System aufstellen wollte, auch einen objektiven Anfang, und zwar wo möglich den objektivsten zu nehmen suchen. Hier begegnet ihm aber, dieses Objektivste als Negation alles Subjektiven, als reines Sein zu bestimmen, d.h. (wie kann man es anders verstehen?) als Sein, in dem gar nichts von einem Subjekt ist. Denn daß er übrigens diesem reinen Sein eine Bewegung, ein Übergehen in einen andern Begriff, ja sogar eine innere, es zu weiteren Bestimmungen forttreibende Unruhe zuschreibt, dies beweist nicht etwa, daß er in dem reinen Sein dennoch ein Subjekt denke, nur etwa ein solches, von dem sich nur noch sagen läßt, daß es nicht nicht ist oder nicht ganz nichts ist, auf keine Weise aber, daß es schon etwas ist – wäre dies sein Gedanke, so müßte der Fortgang ein ganz anderer sein. Daß er dem reinen Sein dennoch eine immanente Bewegung zuschreibt, heißt daher weiter nichts als daß der Gedanke, der mit dem reinen Sein anfängt seine Unmöglichkeit empfindet, bei diesem Allerabstraktesten und Allerleersten, wofür Hegel selbst das reine Sein erklärt, stehenzubleiben. Die Nötigung, von diesem fortzugehen hat ihren Grund nur darin, daß der Gedanke an ein konkreteres, inhaltsvolleres Sein schon gewöhnt ist, also mit jener mageren Kost des reinen Seins, in dem nur überhaupt ein Inhalt, aber kein bestimmter gedacht wird, sich nicht zufriedengeben kann; in letzter Instanz ist es also nur der Umstand, daß es in der Tat ein reicheres und inhaltsvolleres Sein gibt und daß der denkende Geist selbst schon ein solches ist; also es ist nicht eine in dem leeren Begriff selbst, sondern es ist eine in dem Philosophierenden liegende und ihm durch seine Erinnerung[151] aufgedrungene Notwendigkeit, die ihn nicht bei jener leeren Abstraktion stehen läßt. Also ist es eigentlich immer nur der Gedanke, der sich erst auf das möglichste Minimum von Inhalt zurückzuziehen, dann aber wieder sukzessiv zu erfüllen, zu einem Inhalt, und zuletzt zu dem Gesamtinhalt der Welt und des Bewußtseins zu gelangen sucht – freilich, wie Hegel vorgibt, nicht in einem willkürlichen, sondern in einem notwendigen Fortgang; aber das stillschweigend Leitende dieses Fortgangs ist doch immer der terminus ad quem, die wirkliche Welt, bei welcher die Wissenschaft zuletzt ankommen soll; die wirkliche Welt aber nennen wir jederzeit nur das, was wir von ihr erfaßt haben, und Hegels eigne Philosophie zeigt, wie manche Seiten dieser wirklichen Welt er z.B. nicht erfaßt hat; der Zufall ist also von jenem Fortgang doch nicht auszuschließen, nämlich das Zufällige der engeren oder weiteren individuellen Weltansichten des philosophierenden Subjekts. Es ist also in dieser angeblichen notwendigen Bewegung eine doppelte Täuschung, 1. indem dem Gedanken der Begriff substituiert und dieser als etwas sich selbst Bewegendes vorgestellt wird, und doch der Begriff für sich selbst ganz unbeweglich liegen würde, wenn er nicht der Begriff eines denkenden Subjekts, d.h., wenn er nicht Gedanke wäre; 2. indem man sich vorspiegelt, der Gedanke werde nur durch eine in ihm selbst liegende Notwendigkeit weitergetrieben, während er doch offenbar ein Ziel hat, nach welchem er hinstrebt, und das, wenn der Philosophierende auch noch so sehr dessen Bewußtsein sich zu verbergen sucht, darum nur um so entschiedener bewußtlos auf den Gang des Philosophierens einwirkt.

Daß nun aber der schlechthin erste Gedanke das reine Sein sei, dies wird daraus bewiesen, daß von diesem Begriff in seiner Reinheit und vollkommenen Abstraktion gedacht nichts sich ausschließen könne – er sei die reinste und unmittelbarste Gewißheit oder die reine Gewißheit selbst noch ohne weiteren Inhalt, das zu aller Gewißheit Vorausgesetzte; es sei keine Handlung der Willkür, sondern die vollkommenste Notwendigkeit, zuerst, daß Sein[152] überhaupt, sodann, daß in dem Sein alles Sein gedacht werde. Hegel nennt dergleichen Bemerkungen selbst triviale, entschuldigt sie aber damit: die ersten Anfänge müssen trivial sein, wie ja auch die Anfänge der Mathematik trivial seien; wenn aber je die Anfänge der Mathematik (ich weiß nicht, was darunter verstanden wird) – wenn sie aber trivial heißen könnten, so wäre dies nur, weil sie allgemein einleuchtend sind; der angeführte Satz hat aber nicht das Verdienst, in diesem Sinn trivial zu sein, jene angebliche Notwendigkeit aber, Sein überhaupt und in dem Sein alles Sein zu denken – diese Notwendigkeit ist selbst ein bloßes Vorgeben, sintemal es eine Unmöglichkeit ist, Sein überhaupt zu denken, weil es kein Sein überhaupt gibt, kein Sein ohne Subjekt, das Sein vielmehr notwendig und immer ein bestimmtes, entweder nämlich bloß wesendes, in das Wesen zurückgehendes, mit diesem identisches, oder gegenständliches Sein ist – eine Unterscheidung, die Hegel völlig ignoriert; nun ist aber von dem schlechthin ersten Gedanken das gegenständliche Sein schon durch seine Natur ausgeschlossen, es kann, wie schon in dem Wort Gegenstand liegt, nur einem andern entgegen, oder doch nur für das gesetzt sein, dem es Gegenstand ist; das Sein dieser Art kann also nur das zweite sein; daraus folgt, daß das Sein des schlechthin ersten Gedankens nur das ungegenständliche, das bloß wesentliche, das rein urständliche sein könne, mit dem eben nichts gesetzt ist als bloßes Subjekt. Mithin ist das Sein des ersten Gedankens nicht ein Sein überhaupt, sondern schon ein bestimmtes Sein. Unter dem Sein überhaupt dem völlig unbestimmten, wovon Hegel auszugehen vorgibt, könnte nur dasjenige verstanden werden, das weder das wesentliche noch das gegenständliche ist, von dem aber alsdann unmittelbar einleuchtet, daß in ihm wahrhaft nichts gedacht (Gattungsbegriff des Seins, ganz aus dem Gebiet der Scholastik). Man könnte hierauf erwidern: Hegel gestehe dies selbst, indem er dem Begriff des reinen Seins unmittelbar den Satz folgen lasse: das reine Sein ist das Nichts. Welchen Sinn er aber auch mit diesem Satz[153] verbände, auf keinen Fall kann es seine Absicht sein, das reine Sein für einen Ungedanken zu erklären, nachdem er es soeben als den absolut ersten Gedanken erklärt hatte. Mit jenem Satz sucht indes Hegel weiter, d.h. in ein Werden hineinzukommen. Der Satz lautet ganz objektiv: »das reine Seine ist das Nichts«. Allein, wie schon bemerkt, ist der wahre Sinn nur dieser: nachdem ich das reine Sein gesetzt, suche ich etwas in ihm und finde nichts, denn ich habe mir selbst verboten, etwas in ihm zu finden dadurch eben, daß ich es als das reine Sein, als das bloße Sein überhaupt gesetzt habe. Nicht also etwa das Sein selbst findet sich, sondern ich finde es als das Nichts und spreche dies in dem Satz aus: das reine Sein ist das Nichts. – Untersuchen wir nun die spezielle Bedeutung des Satzes. Hegel wendet unbedenklich die Form des Satzes, die Kopula, das ist, an, eh' er sich im Geringsten über die Bedeutung dieses ist erklärt hat. Ebenso wendet Hegel den Begriff Nichts als einen keiner Erklärung bedürftigen, sich von selbst verstehenden an. Entweder ist nun jener Satz (das reine Sein ist das Nichts) bloß tautologisch gemeint d.h., das reine Sein und das Nichts sind nur zwei verschiedene Ausdrücke für eine und dieselbe Sache, so ist der Satz als ein tautologischer ein nichtssagender, er enthält eine bloße Wortverknüpfung, es kann also auch nichts aus ihm folgen. Oder er hat die Bedeutung eines Urteils, so heißt er zufolge der Bedeutung der Kopula im Urteil so viel: das reine Sein ist das Subjekt, das Tragende des Nichts. Auf diese Weise wäre dann das reine Sein und das Nichts, beide, wenigstens potentia etwas, jenes als das Tragende, dieses als das Getragene, und man könnte alsdann von dem Satz weitergelangen, etwa indem man das reine Sein aus jenem Verhältnis des Subjektseins (der Subjektion) heraustreten ließe, mit dem Verlangen, selbst etwas zu sein, dadurch würde es nun dem Nichts ungleich und würde es von sich ausschließen, wodurch dieses als ein vom Sein ausgeschlossenes nun auch ein Etwas würde. Allein so ist es nicht, und der Satz ist also bloß als eine Tautologie gemeint. Das reine Sein ist,[154] da es das Sein überhaupt ist, allerdings unmittelbar (ohne alle Vermittlung) das nicht-Sein und in diesem Sinne Nichts. Man hat sich nicht über diesen Satz zu verwundern, sondern vielmehr über das, wozu er als Mittel oder Übergang dienen soll. Aus dieser Verbindung von Sein und Nichts soll nämlich das Werden folgen. Doch will ich vorher noch bemerken: Hegel will jene Gleichsetzung des reinen Seins und des Nichts durch das Beispiel des Begriffs Anfang erklären. »Die Sache ist, wie er sich ausdrückt, ist noch nicht in ihrem Anfang«3. Hier wird also das Wörtlein noch eingeschaltet. Nimmt man dies zu Hilfe, so würde der Satz: das reine Sein ist das Nichts, nur soviel heißen das Sein ist hier – auf dem gegenwärtigen Standpunkt – noch das Nichts. Aber gleichwie in dem Anfang das Nichtsein der Sache, wozu er der Anfang ist, nur das noch nicht wirkliche Sein der Sache ist, nicht aber ihr völliges Nichtsein, sondern allerdings auch ihr Sein, zwar nicht ihr Sein unbestimmter Weise, wie Hegel sich ausdrückt, aber ihr Sein in der Möglichkeit, in der Potenz, so würde der Satz: das reine Sein ist noch das Nichts, bloß so viel heißen: es ist noch nicht das wirkliche Sein. Aber eben damit würde es ja selbst bestimmt und nicht mehr das Sein überhaupt, sondern das bestimmte Sein, nämlich das Sein in potentia Indes ist mit jenem eingeschalteten noch schon ein künftiges, das noch nicht ist, in Aussicht gestellt, und mit Hilfe dieses noch gelangt also Hegel zum Werden, von dem er ebenfalls höchst unbestimmterweise sagt, es sei Einheit oder Vereinigung von Nichts und Sein – (man müßte vielmehr sagen, es sei Übergang vom Nichts, vom noch nicht Sein zum wirklichen Sein, so daß also im Werden nichts und Sein eigentlich nicht vereinigt werden, sondern das Nichts vielmehr verlassen wird. Allein Hegel liebt diese ungefähre Art sich auszudrücken; dadurch läßt sich allerdings dem Trivialsten der Schein eines Ungemeinen geben).

Man kann diesen Sätzen eigentlich nicht widersprechen[155] oder sie etwa für falsch erklären; denn vielmehr sind es Sätze, an denen man gar nichts hat. Es ist, wie wenn man Wasser in der hohlen Hand tragen wollte, wovon man auch nichts hat. Die bloße Arbeit, etwas festzuhalten, das sich nicht festhalten läßt, weil es nichts ist, gilt hier statt des Philosophierens. Man kann dasselbe von der ganzen Hegelschen Philosophie sagen. Man sollte eigentlich gar nicht von ihr sprechen, weil ihr Eigentümliches in vielen Fällen eben in solchen unfertigen Gedanken besteht, die nicht einmal so weit sich festhalten lassen, daß ein Urteil darüber möglich wäre. Auf die angezeigte Weise indes kommt Hegel nicht etwa auf irgendein bestimmtes Werden, sondern nur auf den allgemeinen Begriff des Werdens überhaupt, womit wieder nichts gegeben ist. Dieses Werden aber wirft sich ihm sofort in Momente auseinander, so daß er auf diese Weise zu der Kategorie der Quantität und damit überhaupt in die Kantische Kategorientafel hinüberkommt.

Die bisher dargestellten Momente, reines Sein, Nichts, Werden, sind nun die Anfänge der Logik, welche Hegel als die rein spekulative Philosophie erklärt mit der Bestimmung, daß hier zunächst die Idee noch im Denken oder das Absolute noch in seine Ewigkeit eingeschlossen sei (die Idee und das Absolute werden demnach als gleichbedeutend behandelt, so wie Denken, weil es das völlig Zeitlose ist, als identisch mit Ewigkeit genommen wird). Da sie die reine göttliche Idee darzustellen hat, wie sie vor aller Zeit oder inwiefern sie noch bloß im Denken ist, so ist die Logik in dieser Hinsicht subjektive Wissenschaft, die Idee ist bloß noch als Idee, nicht auch als Wirklichkeit und Objektivität gesetzt; aber sie ist nicht subjektive Wissenschaft in dem Sinn, daß sie die reale Welt ausschlösse, vielmehr als der absolute Grund alles Realen sich erweisend ist sie ebensowohl reale und objektive Wissenschaft; sie hat noch den Reichtum der konkreten sowohl der sinnlichen als der geistigen Welt außer sich; indem aber auch dieser in dem nachfolgenden realen Teil erkannt wird und in demselben sich erweist als in die[156] logische Idee zurückgehend und in ihr seinen letzten Grund, seine Wahrheit habend, so erscheint damit die logische Allgemeinheit nicht mehr als eine Besonderheit gegen jenen realen Reichtum, sondern als denselben enthaltend, als wahrhafte Allgemeinheit4. Sie sehen, daß hier die Logik als der eine, nämlich ideale Teil der Philosophie dem andern als dem realen entgegengesetzt wird, welcher selbst wieder unter sich a) Naturphilosophie, b) Philosophie der geistigen Welt begreift. Die Logik ist nur die Erzeugung der vollendeten Idee. Diese Erzeugung geschieht, indem angenommen wird, daß die Idee oder, wie sie in ihrem Anfang heißt, der Begriff – daß der Begriff durch eine ihm selbst inwohnende bewegende Kraft – welche eben, weil sie Kraft des bloßen Begriffes ist, dialektisch heißt – daß der Begriff durch die ihm eigne dialektische Bewegung von jenen ersten leeren und inhaltslosen Bestimmungen zu immer inhaltvolleren fortschreite; das Gehaltvollere der späteren entsteht eben dadurch, daß sie die früheren, ihnen vorausgehenden Momente sich untergeordnet oder als aufgehoben in sich enthalten; jedes folgende Moment ist das Aufhebende des früheren, aber es ist dies nur, inwiefern in ihm der Begriff selbst schon eine höhere Stufe von Positivität erreicht hat, im letzten Moment ist es die vollendete oder, wie sie auch genannt wird, die sich selbst begreifende Idee, die alle früher durchlaufenen Seinsweisen, alle Momente ihres Seins als aufgehobene nun in sich hat.

Man sieht, daß es die Methode der früheren Philosophie ist, welche hier in die Logik übergetragen worden ist. Wie dort das absolute Subjekt jede Stufe seines Seins überbietet, daß es sich in einer noch höheren Potenz der Subjektivität, der Geistigkeit oder Innerlichkeit setzt, bis es zuletzt als reines, d.h. nicht mehr objektiv werden könnendes, also ganz bei sich bleibendes, stehenbleibt, so soll hier der durch verschiedene Momente oder Bestimmungen[157] hindurchgehende Begriff, indem er zuletzt alle unter sich aufnimmt, der sich selbst begreifende Begriff sein. Hegel nennt auch diese Fortbewegung des Begriffs einen Prozeß. Nur ist der Unterschied zwischen der Nachahmung und dem Original. Hier ist der Anfangspunkt, an welchem das Subjekt sich zu einer höheren Subjektivität steigert oder aufrichtet, ein wirklicher Gegensatz, eine wirkliche Dissonanz, und man begreift auf diese Art eine Steigerung. Dort (in der Hegelschen Philosophie) verhält sich der Anfangspunkt gegen das ihm Folgende als ein bloßes Minus, als ein Mangel, eine Leere, die erfüllt und insofern freilich als Leere aufgehoben wird, aber es gibt dabei so wenig etwas zu überwinden, als bei der Füllung eines leeren Gefäßes zu überwinden ist; es geht dabei alles ganz friedlich zu – zwischen Sein und Nichts ist kein Gegensatz, die tun einander nichts. Die Übertragung des Begriffs Prozeß auf die dialektische Fortbewegung, wo gar kein Kampf, sondern nur ein eintöniges, beinah einschläferndes Fortschreiten möglich ist, gehört daher zu jenem Mißbrauch der Worte, der bei Hegel allerdings ein sehr großes Mittel ist, den Mangel des wahren Lebens zu verbergen. Ich will nichts mehr sagen von der auch hier wiederkehrenden Verwechslung von Gedanken und Begriff. Von dem Gedanken – wenn er nämlich überhaupt in diese Folge sich einläßt, kann man sagen, er gehe oder bewege sich durch diese Momente hindurch, aber vom Begriff gesagt, ist es nicht etwa eine kühne, sondern nur eine frostige Metapher. Von dem Subjekt begreift sich, daß es nicht stehenbleibt, es hat eine innere Nötigung, überzugehen ins Objekt und so zugleich in seiner Subjektivität sich zu steigern. Aber ein leerer Begriff, wofür Hegel selbst das Sein erklärt, hat darum, weil er ein leerer ist, noch keine Nötigung, sich zu erfüllen. Nicht der Begriff erfüllt sich, sondern der Gedanke, d.h., ich, der Philosophierende, kann ein Bedürfnis empfinden, von dem Leeren zum Erfüllten fortzugehen. Aber da doch nur der Gedanke das beseelende Prinzip dieser Bewegung ist, welche Bürgschaft gibt es gegen Willkür, was verhindert[158] den Philosophen, um einen Begriff unterzubringen, auch wohl mit einem bloßen Schein von Notwendigkeit oder umgekehrt mit einem bloßen Schein des Begriffs sich zu begnügen?

Die Identitätsphilosophie war mit den ersten Schritten in der Natur, also in der Sphäre des Empirischen und somit auch der Anschauung. Hegel hat über der Naturphilosophie seine abstrakte Logik aufbauen wollen. Allein er hat dorthin die Methode der Naturphilosophie mitgenommen, es ist leicht zu erachten, welche Erzwungenheit dadurch entstehen mußte, daß er die Methode, welche durchaus Natur zum Inhalt und Naturanschauung zur Begleiterin hatte, ins bloß Logische erheben wollte; die Erzwungenheit entstand dadurch, daß er diese Formen der Anschauung verleugnen mußte und doch sie beständig unterschob, daher es auch eine ganz richtige Bemerkung und unschwere Entdeckung ist, daß Hegel schon mit dem ersten Schritt seiner Logik Anschauung voraussetzte und, ohne sie unterzuschieben, keinen Schritt tun könnte.

Die alte Metaphysik, die sich aus verschiedenen Wissenschaften aufbaute, hatte zur allgemeinen Grundlage eine Wissenschaft, welche ebenfalls die Begriffe nur als Begriffe zum Inhalt hatte, die Ontologie. Hegeln schwebte bei seiner Logik nichts anderes als diese Ontologie vor, die er über die schlechte Form erheben wollte, die sie z.B. in der Wolffischen Philosophie gehabt hatte, wo die verschiedenen Kategorien in einem mehr oder weniger bloß zufälligen, mehr oder weniger gleichgültigen Neben- und Nacheinander aufgestellt und abgehandelt wurden. Er suchte diese Erhebung zu bewerkstelligen durch Anwendung einer Methode, die für einen ganz andern Zweck, für reale Potenzen erfunden war, auf bloße Begriffe, denen er ein Leben, eine innere Nötigung zur Fortbewegung vergebens einzuhauchen suchte. Man sieht, daß hierin nichts Ursprüngliches ist, für diesen Zweck wäre die Methode nie erfunden worden. Sie ist hier etwas nur künstlich und gewaltsam Angewendetes. Aber überhaupt auf diese Ontologie zurückzugehen, war ein Rückschritt.[159]

In Hegels Logik findet man alle gerade zu seiner Zeit gangbaren und einmal vorhandenen Begriffe jeden als Moment der absoluten Idee an einer bestimmten Stelle aufgenommen. Es ist damit die Prätension einer vollendeten Systematisierung, d.h. der Anspruch verbunden, daß alle Begriffe umfaßt und außer dem Kreis der umfaßten kein anderer möglich sei. Wenn sich nun aber Begriffe aufzeigen ließen, von denen jenes System nichts weiß oder die es nur in einem ganz anderen als dem echten Sinn in sich aufzunehmen wußte? Anstatt eines impartiellen, alles mit gleicher Gerechtigkeit aufnehmenden Systems werden wir also nur ein partielles vor uns haben, das entweder nur solche Begriffe aufgenommen oder die aufgenommenen nur in dem Sinn aufgenommen hat, in welchem sie sich mit dem einmal schon vorausgesetzten System vertragen. Wenigstens da, wo das System auf die höheren, eben darum dem Menschen näherliegenden, auf die sittlichen und religiösen Begriffe kommt, da sind ihm ganz willkürliche Verrenkungen dieser längst vorgeworfen worden.

Man möchte vielleicht fragen: wo denn die frühere Philosophie den Ort oder die Stelle für die Begriffe als Begriffe gehabt habe. Man könnte denken, vielleicht ist es sogar vorgegeben worden: diese Philosophie habe für die Logik, für die allgemeinen Kategorien, für die Begriffe als solche keine Stelle gehabt. Für Begriffe, die das Reale noch außer sich haben, hatte sie allerdings keine Stelle, denn sie war, wie gesagt, mit ihren ersten Schritten in der Natur; aber sie ging eben in der Natur fort bis zu dem Punkt, wo das durch die ganze Natur hindurchgegangene, nun zu sich gekommene, sich selbst besitzende Subjekt (das Ich) zwar nicht mehr die früheren in der Natur zurückgelassenen Momente selbst, wohl aber die Begriffe derselben, und zwar als Begriffe, findet, mit denen das Bewußtsein nun wie mit einem ganz von den Dingen unabhängigen Besitz schaltet und waltet und sie nach allen Seiten hin anwendet. Auf diese Weise konnte wenigstens Hegel hören, an welcher Stelle des Systems die Begriffswelt[160] in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit und systematisch vollständigen Auseinandersetzung in das Ganze eintrete; er konnte sogar die Formen der insgemein sogenannten Logik ganz so wie die Naturformen behandelt sehen – eine Analogie, von der Hegel selbst, wenigstens da, wo er von den Figuren der Schlüsse redet, Gebrauch macht. Hier, wo die unendliche Potenz, die durch die Natur hindurchgegangen ist, zuerst sich selbst gegenständlich ist, wo sie ihren bisher objektiv auseinandergelegten Organismus subjektiv im Bewußtsein entfaltet als Organismus der Vernunft, hier war in einer natürlich fortschreitenden, wirklich von vorn anfangenden Philosophie der einzige Ort für die Begriffe als solche; diese konnten für sie nicht anders als wie die Körperwelt oder die Pflanzen oder was irgend sonst in der Natur vorkommt, nur Gegenstände einer rein apriorischen Herleitung und daher für sie nicht eher da sein, als wo sie zuerst in die Wirklichkeit eintreten (mit dem Bewußtsein), am Ende der Naturphilosophie und im Anfang der Geistesphilosophie. An dieser Stelle sind die Begriffe selbst auch wieder etwas wirkliches Objektives, während sie da, wo sie Hegel abhandelt, nur etwas Subjektives, künstlich objektiv Gemachtes sind. Die Begriffe als solche existieren in der Tat nirgends als im Bewußtsein, sie sind also objektiv genommen nach der Natur, nicht vor derselben; Hegel nahm sie von ihrer natürlichen Stelle hinweg, indem er sie an den Anfang der Philosophie setzte. Da stellt er denn die abstraktesten Begriffe voran, Werden, Dasein usw.; Abstrakta aber können doch natürlicherweise nicht eher dasein, für Wirklichkeiten gehalten werden, als das ist, wovon sie abstrahiert sind: ein Werden kann nicht eher sein als ein Werdendes, ein Dasein nicht eher als ein Daseiendes. Wenn Hegel die Philosophie damit anfangen heißt, daß man sich ganz in das reine Denken zurückzieht, so hat er damit das Wesen der wahrhaft negativen oder rein rationalen Philosophie trefflich ausgedrückt, und wir könnten ihm für den bezeichnenden Ausdruck dankbar sein; aber dieses Zurückziehen in das reine Denken ist bei ihm nicht[161] von der ganzen Philosophie gemeint oder gesagt, er will uns damit nur für seine Logik gewinnen, indem er sich mit dem beschäftigt, was nicht bloß vor der wirklichen, sondern vor aller Natur ist. Es sind nicht die Gegenstände oder die Sachen, wie sie a priori im reinen Denken, also im Begriff sich darstellen, sondern der Begriff soll wieder nur den Begriff zum Inhalt haben. Nur das Denken, das bloße Begriffe zum Inhalt hat, nennt er und nennen seine Anhänger reines Denken. Sich ins Denken zurückziehen, heißt ihm nur, sich entschließen, über das Denken zu denken. Das kann man aber wenigstens nicht wirkliches Denken nennen. Wirkliches Denken ist, wodurch ein dem Denken Entgegenstehendes überwunden wird. Wo man nur wieder das Denken, und zwar das abstrakte Denken, zum Inhalt hat, hat das Denken nichts zu überwinden. (Hegel selbst beschreibt diese Bewegung durch bloße Abstraktionen, wie Sein, Werden usf., als eine Bewegung im reinen, d.h. widerstandslosen Äther. Das Verhältnis ist etwa wie folgendes. Die Poesie kann z.B. ein poetisches Gemüt im Verhältnis und im Kampf mit der Wirklichkeit darstellen, da hat sie einen wirklich objektiven Inhalt. Die Poesie kann aber auch die Poesie überhaupt und in abstracto zum Gegenstand haben – Poesie über die Poesie sein. Manche unserer sogenannten romantischen Dichter hatten es nie weiter gebracht als zu einer solchen Verherrlichung der Poesie durch die Poesie. Aber niemand hat diese Poesie über die Poesie für wirkliche Poesie gehalten.)

Hegel fahrt als Gegensatz seiner Behauptung, daß der Begriff das einzig Reale sei, die Meinung an, daß die Wahrheit auf sinnlicher Realität beruhe. Dies könnte aber nur dann sein, wenn der Begriff eine übersinnliche, ja die einzige übersinnliche Realität wäre. Offenbar nimmt Hegel dies an. Diese Annahme stammt in gerader Linie von jener Kantischen ab, nach welcher Gott nur ein Vernunftbegriff, eine Vernunftidee ist. Dem Begriff steht aber nicht bloß das sinnliche Reale, sondern das Reale überhaupt, sowohl das sinnliche als das übersinnliche, entgegen.[162] – Als einzigen Widerspruch oder Tadel gegen die Idee seiner Logik denkt sich Hegel den, daß diese Gedanken nur Gedanken seien, da der wahre Gehalt nur in der sinnlichen Wahrnehmung sei. Allein davon (von der sinnlichen Wahrnehmung) ist auch hier nicht die Rede. Es ist wohl nicht anders zu sagen, als daß der Inhalt der höchsten Wissenschaft, der Philosophie, in der Tat nur Gedanken seien und daß sie selbst die nur durch Denken zustande kommende Wissenschaft sei. Nicht dieses also kann getadelt werden, daß der Inhalt der Philosophie nur Gedanken seien, sondern daß der Gegenstand dieser Gedanken nur der Begriff oder Begriffe seien. Hegel kann sich außer Begriffen nur noch sinnliche Realität denken, was offenbar eine petitio principii ist, da z.B. Gott nicht bloßer Begriff und doch auch nicht eine sinnliche Realität ist. Hegel beruft sich oft darauf: von jeher habe man gemeint, zur Philosophie gehöre vorzugsweise Denken oder Nachdenken. Allerdings, aber daraus folgt nicht, daß der Gegenstand dieses Denkens nur wieder das Denken selbst oder der Begriff ist. Ebenso: »Der Unterschied des Menschen vom Tier bestehe nur im Denken.« Dies als richtig angenommen, bleibt der Inhalt dieses Denkens ganz unbestimmt, denn der Geometer, der sinnlich vorstellbare Figuren, der Naturforscher, der sinnliche Gegenstände oder Begebenheiten, der Theolog, der Gott als eine übersinnliche Realität betrachtet, wird darum nicht zugeben, daß er nicht denke, weil der Inhalt seines Denkens nicht der reine Begriff ist.

In die Einzelheiten der Hegelschen Logik nun kann es nicht unsere Absicht sein uns noch weiter einzulassen. Was unser ganzes Interesse erregt, ist das System als Ganzes. Hegels Logik ist in bezug auf das zugrund liegende System insofern etwas ganz Zufälliges, als es nur auf sehr lose Weise mit ihr zusammenhängt. Wer die bloße Logik beurteilt, der hat das System selbst nicht beurteilt. Und wer vollends nur gegen einzelne Punkte dieser Logik zu Felde zieht, mag dabei wohl nicht unrecht haben, sogar viel Scharfsinn und richtige Einsicht zeigen, aber in bezug[163] auf das Ganze ist dabei nichts gewonnen. Ich glaube selbst, daß man diese sogenannte reale Logik leicht auf zehnerlei verschiedene Art machen könnte. Doch verkenne ich darum nicht den Wert vieler ungemein kluger, besonders methodologischer Bemerkungen, die sich in Hegels Logik finden. Hegel hat sich aber in die methodologische Erörterung so geworfen, daß er darüber die außer ihr liegenden Fragen ganz vergaß.

Ich wende mich also nun zum System als solchem und werde hierbei auch die dem vorangegangenen System von seiten Hegels gemachten Vorwürfe nicht unbeantwortet lassen.

Obgleich nämlich der Begriff nicht der einzige Inhalt des Denkens sein kann, so könnte wenigstens immer wahr bleiben, was Hegel behauptet, daß die Logik in dem metaphysischen Sinn, den er ihr gibt, die reale Grundlage aller Philosophie sein müsse. Es könnte darum doch wahr sein, was Hegel so oft einschärft, daß alles, was Ist, in der Idee oder in dem logischen Begriff ist und daß folglich die Idee die Wahrheit von allem ist, in welche zugleich alles in seinen Anfang und in sein Ende eingeht. Was also dieses beständig Wiederholte betrifft, so könnte zugegeben werden, daß alles in der logischen Idee sei, und zwar so sei, daß es außer ihr gar nicht sein könnte, weil das Sinnlose allerdings nirgends und nie existieren kann. Aber eben damit stellt sich auch das Logische als das bloß Negative der Existenz dar, als das, ohne welches nichts existieren könnte, woraus aber noch lange nicht folgt, daß alles auch nur durch dieses existiert. Es kann alles in der logischen Idee sein, ohne daß damit irgend etwas erklärt wäre, wie z.B. in der sinnlichen Welt alles in Zahl und Maß gefaßt ist, ohne daß darum die Geometrie oder Arithmetik die sinnliche Welt erklärte. Die ganze Welt liegt gleichsam in den Netzen des Verstandes oder der Vernunft, aber die Frage ist eben, wie sie in diese Netze gekommen sei, da in der Welt offenbar noch etwas anderes und etwas mehr als bloße Vernunft ist, ja sogar etwas über diese Schranken Hinausstrebendes.[164]

Die Hauptabsicht der Hegelschen Logik und dessen sie sich vorzüglich rühmt, ist, daß sie in ihrem letzten Resultat die Bedeutung der spekulativen Theologie annehme, d.h., daß sie eine eigentliche Konstruktion der Idee Gottes und daß demnach diese oder das Absolute bei ihr nicht eine bloße Voraussetzung, wie in dem unmittelbar vorausgegangenen System, sondern wesentlich ein Resultat sei. Es ist damit der früheren Philosophie ein doppelter Vorwurf gemacht: 1. hat sie das Absolute statt als begründetes Resultat als bloße unbegründete Voraussetzung, 2. hat sie damit überhaupt eine Voraussetzung, während die Hegelsche Philosophie sich berühmt, die nichts, schlechterdings nichts voraussetzende zu sein. Allein, was das letztere betrifft, so muß sich Hegel, indem er die Logik in jenem erhabenen Sinn als die erste philosophische Wissenschaft aufstellt, dabei der gemeinen logischen Formen bedienen, ohne sie gerechtfertigt zu haben, d.h., er muß sie voraussetzen, wie er z.B. sagt: das reine Sein ist das Nichts, ohne im geringsten über die Bedeutung dieses ist sich ausgewiesen zu haben. Aber offenbar sind es nicht bloß die logischen Formen, sondern es sind so ziemlich alle Begriffe, deren wir uns im gemeinen Leben ohne weiteres Nachdenken bedienen, und ohne daß wir für nötig hielten, uns wegen derselben zu rechtfertigen, es sind so ziemlich alle Begriffe dieser Art, deren auch Hegel gleich anfangs sich bedient, die er also voraussetzt. Er stellt sich freilich im Anfang nur wenig zu verlangen, was gleichsam nicht der Rede wert ist, so inhaltslos, wie das Sein überhaupt, daß man gleichsam gar nicht umhin kann, es ihm zuzugeben. Der Hegelsche Begriff ist der indische Gott Wischnu in seiner dritten Inkarnation, der sich dem Mahabala, dem riesenhaften Fürsten der Finsternis (gleichsam als dem Geist der Unwissenheit), entgegenstellt, welcher die Oberherrschaft in allen drei Welten erlangt hat. Diesem erscheint er zuerst in der Gestalt eines kleinen, zwergartigen Brahminen und bittet ihn nur um drei Fuß Land (die drei Begriffe Sein, Nichts, Werden), kaum hat der Riese diese gewährt, so dehnt sich der Zwerg zu einer[165] ungeheuern Gestalt aus, reißt mit einem Schritte die Erde, den Himmel mit dem andern an sich, und ist eben im Begriff, mit dem dritten auch die Hölle zu umfassen, als der Riese sich ihm zu Füßen wirft und demütig die Macht des höchsten Gottes erkennt, der nun seinerseits großmütig ihm die Herrschaft im Reich der Finsternis (versteht sich unter seiner Oberherrschaft) überläßt. Wir wollen nun also zugeben, daß die drei Begriffe Sein, Nichts, Werden nichts mehr außer sich voraussetzen und daß sie die ersten reinen Gedanken sind. Aber diese Begriffe haben noch eine Bestimmung an sich: einer ist der erste, einer der zweite, im ganzen sind es drei, und diese Dreiheit wiederholt sich in der Folge, wo schon mehr Raum gewonnen ist, in immer größeren Dimensionen. Hegel selbst spricht oft genug von der immer sich wiederholenden dreigliederigen Einteilung oder Trichotomie der Begriffe. Wie komme ich nun aber dazu, hier am äußersten Rand der Philosophie, wo sie noch kaum den Mund auftun darf, mit Mühe nur Wort und Rede findet, den Begriff Zahl anzuwenden?

Aber außer diesem allgemeinen Ruhm, nichts vorauszusetzen, vindiziert sich jene Philosophie noch den besonderen, das vorhergegangene System darin übertroffen zu haben, daß diesem das Absolute eine bloße Voraussetzung, ihr aber ein Resultat, ein Erzeugtes, Begründetes sei. Darin liegt nun ein Mißverstand, den ich kürzlich auseinandersetzen will. Wie Sie wissen, so ist jenem System das Absolute als Ausgangspunkt (als terminus a quo) reines Subjekt. Geradeso, wie Hegel sagt, die wahrhaft erste Definition des Absoluten sei: das Absolute ist das reine Sein, so konnte ich sagen: die wahrhaft erste Definition des Absoluten ist, Subjekt zu sein. Nur insofern, als dieses Subjekt sogleich auch in der Möglichkeit gedacht werden muß, Objekt (= entselbstetes Subjekt) zu werden, nannte ich das Absolute auch Gleichgültigkeit (Gleichmöglichkeit, Indifferenz) von Subjekt und Objekt, so wie ich es späterhin, da es schon im Actus gedacht wird, lebendige, ewig bewegliche, in nichts aufzuhebende Identität des[166] Subjektiven und Objektiven genannt habe. Das Absolute ist also in dem früheren System nicht anders und nur so Voraussetzung, wie in Hegels System das reine Sein Voraussetzung ist, von dem er ja auch sagt: es sei der erste Begriff des Absoluten. Aber das Absolute ist allerdings nicht bloß Anfang oder bloße Voraussetzung, es ist ebensowohl auch Ende und in diesem Sinn Resultat – nämlich das Absolute in seiner Vollendung. Aber das so bestimmte Absolute, das Absolute, inwiefern es nun schon alle Momente des Seins unter und relativ außer sich hat und als nicht mehr in das Sein, in das Werden herabsteigen könnender, d.h. als seiender und bleibender Geist gesetzt ist – dieses Absolute ist dem früheren System ebensowohl Ende oder Resultat. Der Unterschied zwischen dem Hegelschen und dem früheren System ist, was das Absolute betrifft, eben nur dieser. Das frühere System kennt nicht ein doppeltes Werden, ein logisches und ein reales, sondern von dem abstrakten Subjekt, dem Subjekt in seiner Abstraktion ausgehend, ist es mit dem ersten Schritt in der Natur, und es bedarf nachher keiner weiteren Erklärung des Übergangs von dem Logischen in das Reale. Hegel dagegen erklärt seine Logik als diejenige Wissenschaft, worin sich die göttliche Idee logisch, d.h. im bloßen Denken, vor aller Wirklichkeit, Natur und Zeit vollendet, hier also hat er die vollendete göttliche Idee schon als logisches Resultat, aber er will sie gleich nachher nochmals (nämlich nachdem sie durch die Natur und geistige Welt hindurchgegangen ist) als reales Resultat haben. So hat Hegel allerdings vor dem früheren System etwas voraus, nämlich, wie schon gesagt, das doppelte Werden. Ist aber die Logik die Wissenschaft, in der sich die göttliche Idee im bloßen Denken vollendet, so müßte man erwarten, daß nun die Philosophie geschlossen wäre oder, wenn sie weiter fortschritte, der Fortgang nur noch in einer ganz andern Wissenschaft sein könnte, in welcher nicht mehr bloß von der Idee die Rede ist, wie in der ersten. Hegeln aber ist die Logik nur ein Teil der Philosophie, die Idee hat sich logisch vollendet, und nun soll sich dieselbe Idee[167] real vollenden. Denn es ist die Idee, die den Übergang in die Natur macht. Ehe ich von diesem Übergang rede, will ich noch eines anderen Tadels erwähnen, welcher dem Identitätssystem von seiten Hegels gemacht worden ist. Der eben berührte Vorwurf nämlich (in der vorangegangenen Philosophie sei das Absolute eine bloße Voraussetzung gewesen) wurde auch so ausgedrückt: diese Philosophie habe sich in betreff des Absoluten, anstatt es auf dem Wege der Wissenschaft zu beweisen, auf die intellektuelle Anschauung berufen, von der man gar nicht wisse, was sie sei: gewiß sei aber, daß sie nichts Wissenschaftliches sei, sondern etwas bloß Subjektives, am Ende vielleicht nur Individuelles, eine gewisse mystische Intuition, deren sich nur einige Begünstigte rühmen, mit deren Vorgeben man es sich also in der Wissenschaft bequem machen könnte.

Hier ist vor allem zu bemerken, daß in der ersten urkundlichen Darstellung der Identitätsphilosophie, der einzigen, welche der Urheber als die streng wissenschaftliche von jeher anerkannt hat5, das Wort intellektuelle Anschauung gar nicht vorkommt und man demjenigen eine Belohnung aussetzen könnte, der es in ihr entdeckte. Dagegen ist von intellektueller Anschauung allerdings zuerst ursprünglich die Rede in einer jener Darstellung vorausgegangenen Abhandlung.6 Aber wie ist dort von ihr die Rede? Um dies zu erklären, muß ich auf die Bedeutung der intellektuellen Anschauung bei Fichte zurückgehen. Denn das Wort schreibt sich zwar schon von Kant, die Anwendung desselben aber auf den Anfang der Philosophie schreibt sich von Fichte her. Fichte verlangte zum Anfang ein unmittelbar Gewisses. Dieses war ihm das Ich, dessen er sich durch intellektuelle Anschauung als eines unmittelbar[168] Gewissen, d.h. als eines unzweifelhaft Existierenden, versichern wollte. Der Ausdruck der intellektuellen Anschauung war eben das mit unmittelbarer Gewißheit ausgesprochene »Ich bin«. Intellektuelle Anschauung wurde der Akt genannt, weil hier nicht, wie in der sinnlichen Anschauung, Subjekt und Objekt ein anderes, sondern dasselbe ist. Nun sage ich in der angeführten Abhandlung, nicht das Ich, wie es in der intellektuellen Anschauung als unmittelbar Gewisses ist, sondern das durch Abstraktion von dem Subjekt in der intellektuellen Anschauung Gewonnene, das aus der intellektuellen Anschauung herausgenommene, d.h. allgemeine, bestimmungslose Subjekt-Objekt, das insofern nun nicht mehr ein unmittelbar Gewisses ist, sondern herausgenommen aus der intellektuellen Anschauung nur noch Sache des reinen Gedankens sein kann: dies erst sei der Anfang der objektiven, von aller Subjektivität befreiten Philosophie. – Fichte hatte sich auf die intellektuelle Anschauung berufen, um die Existenz des Ich zu beweisen: wie konnte nun sein Nachfolger mit derselben intellektuellen Anschauung die Existenz dessen beweisen wollen, was gar nicht mehr das Ich, sondern das absolute Subjekt-Objekt ist? Das Beweisende der intellektuellen Anschauung in bezug auf das Ich liegt bloß in ihrer Unmittelbarkeit; im »Ich bin« ist unmittelbare Gewißheit, aber auch im »es ist« das allgemeine Subjekt-Objekt Ist? da ist ja alle Kraft der Unmittelbarkeit verloren. Um Existenz konnte es dabei gar nicht mehr zu tun sein, sondern nur um den reinen Inhalt, um das Wesen dessen, was in der intellektuellen Anschauung enthalten war. Das Ich ist nur ein bestimmter Begriff, eine bestimmte Form des Subjekt-Objekts, diese soll abgestreift werden, damit das Subjekt-Objekt überhaupt als der allgemeine Inhalt alles Seins hervortrete. Die Erklärung, man müsse aus der intellektuellen Anschauung den allgemeinen Begriff des Subjekt-Objekts nehmen, war Beweis genug, daß es um die Sache, um den Inhalt, nicht um die Existenz zu tun war. Hegel mochte es tadeln, wenn ich es nicht deutlich und ausdrücklich genug gesagt hatte,[169] obwohl es deutlich genug gesagt war, daß es nicht mehr, wie bei Fichte, um das Sein, um die Existenz sich handle7, statt dessen setzt er voraus: weil Fichte mit der intellektuellen Anschauung die Existenz des Ich bewiesen, so wolle ich in derselben auch die Existenz des allgemeinen Subjekts-Objekts beweisen. Gegen das Vorhaben hat er nichts, er tadelt nur die ungenügende Art des Beweises. Freilich handelt es sich um das, was Ist; aber eben dieses soll erst gesucht werden. Man hat es noch nicht einmal als ein wirklich Gedachtes, d.h. als ein logisch Verwirklichtes: es ist von Anfang vielmehr bloß das Gewollte; »die Pistole, aus der es geschossen wird«, ist das bloße Wollen desselben, das aber im Widerspruch mit dem seiner nicht habhaft Werden, es nicht zum Stehen bringen Können, unmittelbar in die fortschreitende und fortziehende Bewegung, in der sich das Seiende bis zum Ende als das nie Verwirklichte, nur erst zu Verwirklichende verhält, mit fortgerissen wird.

Die Frage ist ja selbst erst: Was Ist, wie könnte also das, wovon ausgegangen wird, selbst schon seiend – ein Existierendes sein, da ja das Seiende, Existierende erst gefunden werden soll. Hegel freilich will nicht das Absolute sondern das existierende Absolute, und setzt voraus, die vorangegangene Philosophie habe es auch gewollt, und da er in ihr keine Anstalt sieht, die Existenz des Absoluten zu beweisen (wie er sie durch seine Logik beweisen will), so meint er, der Beweis habe einfach schon in der intellektuellen Anschauung liegen sollen.

Ich bemerke, daß in jener (ersten) Darstellung des Identitätssystems das Wort, das Absolute, gar nicht vorkam, so[170] wenig als das intellektuelle Anschauung; das Wort konnte in ihr nicht vorkommen, weil sie nicht bis zum Ende geführt war. Denn das Absolute nannte jene Philosophie nur die bei sich stehenbleibende, seiende, von jedem Fortgang und fernerem Anderswerden freigesprochene Potenz. Diese war das Letzte, reine Resultat. Das durchs Ganze Hindurchgehende aber nannte jene Philosophie nicht das Absolute, sondern die absolute Identität, eben um jeden Gedanken an ein Substrat, an eine Substanz zu entfernen. Zur Substanz, zum Seienden wird es eben erst im letzten Moment, denn die ganze Bewegung hatte ja nur die Absicht, das Seiende (das, was Ist) als das Seiende zu haben, was im Anfang, der eben darum als Indifferenz bezeichnet wurde, unmöglich war. Vorher ist es nichts, wovon ich einen Begriff habe, sondern selbst nur den Begriff alles Seienden als eines Folgenden. Es ist das, was nie war, das, sowie es gedacht wird, verschwindet und immer nur im Folgenden Ist, aber auch da nur auf gewisse Weise ist, also erst im Ende eigentlich Ist. Da also nimmt es auch erst den Namen des Seienden sowie den des Absoluten an. Wohl absichtlich hatte sich darum die (erste) Darstellung lauter solcher abstrakten Ausdrücke, wie absolute Indifferenz, absolute Identität, bedient, nur erst in späteren Darstellungen erlaubte man sich vielleicht aus einer Art von Kondeszendenz für diejenigen, welche schlechterdings ein Substrat verlangten, auch gleich den Ausdruck das Absolute im Anfang zu brauchen.

Aber indem ich nun die intellektuelle Anschauung in dem Sinn, in welchem sie mir Hegel zuschieben will, zurückweise, so folgt daraus nicht, daß sie bei mir nicht eine andere Bedeutung hatte und in dieser allerdings von mir auch jetzt noch festgehalten wird.

Jenes absolut Bewegliche, von dem ich soeben sprach, das fortwährend ein Anderes ist, in keinem Moment sich festhalten läßt, das erst im letzten Moment (bemerken Sie diesen Ausdruck wohl!), das erst im letzten Moment wirklich gedacht wird, wie verhält sich dieses Bewegliche zu dem Denken? Offenbar nicht einmal als eigentlicher Gegenstand[171] desselben; denn unter Gegenstand versteht man etwas Stillhaltendes, Stillstehendes, Bleibendes. Nicht eigentlich Gegenstand ist es, vielmehr die ganze Wissenschaft hindurch die bloße Materie des Denkens; denn das wirkliche Denken äußert sich eben nur in der fortgehenden Bestimmung und Gestaltung dieses an sich Unbestimmten, dieses nie sich selbst Gleichen, immer ein Anderes Werdenden. Diese erste Unterlage, diese wahre prima materia alles Denkens kann daher nicht das eigentlich Gedachte, nicht in dem Sinn Gedachte sein, wie es die einzelne Gestaltung ist. Wenn das Denken beschäftigt ist mit der Bestimmung dieser Materie, so denkt es nicht an diese Unterlage selbst, sondern nur an diese Begriffsbestimmung, die es in sie hineinsetzt – (Bildhauer-Ton) – sie ist also das im Denken doch eigentliche nicht Gedachte. Ein nichtdenkendes Denken wird aber wohl von einem anschauenden Denken nicht weit entfernt sein, und insofern geht ein Denken, dem eine intellektuelle Anschauung zugrunde liegt, durch diese ganze Philosophie hindurch, wie durch die Geometrie, in welcher die äußere Anschauung der Figur, die an der schwarzen Tafel oder sonst verzeichnet ist, stets nur der Träger einer inneren und geistigen ist. Dies also sei einer allerdings anschauungslosen Philosophie gegenüber gesagt.

Hegel also (um auf ihn zurückzukehren) will das Absolute, ehe er es zum Prinzip nimmt, als Resultat einer Wissenschaft, und diese Wissenschaft ist eben die Logik. Also diese ganze Wissenschaft hindurch ist die Idee im Werden. Unter »Idee« versteht auch Hegel das zu Verwirklichende, das im ganzen Verlauf Werdende und Gewollte: es ist die im Anfang vom reinen Sein ausgeschlossene Idee, die an dem Sein gleichsam zehrt, was eben durch die hineingesetzten Begriffsbestimmungen geschieht; nachdem sie es nun ganz aufgezehrt und in sich verwandelt hat, ist sie selbst natürlich die verwirklichte Idee. Diese am Ende der Logik verwirklichte Idee ist genau ebenso bestimmt, wie das Absolute am Ende der Identitätsphilosophie bestimmt war, als Subjekt Objekt, als Einheit des Denkens und[172] Seins, des Idealen und Realen usw.8 Aber als die so verwirklichte ist sie eben schon auf der Grenze des bloß Logischen, also ist mit ihr entweder überhaupt nicht fortzugehen, oder nur außerhalb dieser Grenze, so daß sie die Stellung, die sie als bloßes Resultat der logischen Wissenschaft noch in dieser hat, ganz verlassen und in die unlogische, ja dem Logischen entgegengesetzte Welt übergehen muß. Diese dem Logischen entgegengesetzte Welt ist die Natur; diese Natur ist aber nicht mehr die apriorische, denn diese hätte in der Logik sein müssen. Allein die Logik hat nach Hegel die Natur noch ganz außer sich. Die Natur fängt ihm an, wo das Logische aufhört. Daher ist ihm die Natur überhaupt nur noch die Agonie des Begriffs. – Mit Recht, sagt Hegel in der ersten Ausgabe seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften9, ist die Natur als der Abfall der Idee von sich selbst bestimmt worden. (In der zweiten Ausgabe seiner Enzyklopädie10 läßt Hegel das »mit Recht« aus und sagt bloß noch: die Natur sei als Abfall von der Idee bestimmt worden, wo also der Satz nur noch die Bedeutung einer geschichtlichen Anführung hat). Mit diesem »Abfall« stimmt ganz überein, was sonst von der Natur gesagt wird: in ihr sei der Begriff seiner Herrlichkeit entkleidet, ohnmächtig, sich selbst untreu geworden und vermöge sich nicht mehr zu behaupten. Kaum kann Jakobi die Natur schlechter machen, als sie Hegel dem Logischen gegenüber macht, von dem er sie ausgeschlossen und dem er sie jetzt nur noch entgegensetzen kann. Aber in der Idee liegt überhaupt keine Notwendigkeit zu irgendeiner Bewegung, mit der sie ja nicht etwa noch in sich selbst fortschreiten könnte (denn das ist unmöglich, weil sie ihre Vollendung schon hat), sondern vielmehr ganz von sich abbrechen mußte. Die Idee am Ende der Logik ist Subjekt und Objekt, ihrer selbst bewußt, als das Ideale auch das Reale,[173] das also kein Bedürfnis mehr hat, weiter und auf andere Weise, als sie es schon ist, reell zu werden. Wird also doch angenommen, daß etwas der Art geschehen, so wird es nicht angenommen wegen einer Notwendigkeit in der Idee selbst, sondern lediglich, weil die Natur eben existiert. Man hat sich wohl, um irgendeinen Grund zum Weitergehen der Idee auszufinden, damit helfen wollen, daß man sagte: sie existiert zwar am Ende der Logik, aber sie ist noch nicht bewährt, sie muß also aus sich gehen, um sich zu bewähren. Aber dies ist eine von den zahlreichen Vorspiegelungen, mit denen man nur Gedankenlose täuschen kann. Denn für wen soll sich die Idee bewähren? Für sich selbst? Aber sie ist die ihrer selbstsichere und gewisse und weiß voraus, daß sie im Anderssein nicht untergehen wird; für sie wäre dieser Kampf ohne allen Zweck. Also hätte sie sich zu bewähren für einen Dritten, einen Zuschauer? Aber wo ist dieser? Am Ende soll sie sich doch nur für den Philosophen bewähren, d.h., der Philosoph muß wünschen, daß die Idee sich zu dieser Entäußerung hergebe, damit ihm Gelegenheit gegeben sei, die Natur und die geistige Welt, die Welt der Geschichte, zu erklären. Denn man würde einer Philosophie lachen, die bloß Logik im Hegelschen Sinne wäre und von der wirklichen Welt gar nichts wüßte: wie es denn auch nicht die Logik, sondern die Idee der Natur- und der Geistesphilosophie war, die dieser schon vor sich fand, die allein die Aufmerksamkeit erregen konnte, welche die Hegelsche Philosophie gefunden hat. In der Logik liegt nichts Weltveränderndes. Hegel muß zur Wirklichkeit kommen. In der Idee selbst aber ist also durchaus keine Notwendigkeit der Weiterbewegung oder des Anderswerdens. »Die Idee, sagt Hegel11, die Idee in der unendlichen Freiheit, in der sie ist (also die vollendete Idee, Freiheit ist nur, wo Vollendung, nur das Absolute ist los- und freigesprochen von jedem notwendigen Fortgang) – die Idee in der unendlichen Freiheit, in der Wahrheit ihrer[174] selbst entschließt sich, sich als Natur oder in der Form des Andersseins aus sich zu entlassen«. Dieser Ausdruck »entlassen« – die Idee entläßt die Natur – gehört zu den seltsamsten, zweideutigsten und darum auch zaghaftesten Ausdrücken, hinter die sich diese Philosophie bei schwierigen Punkten zurückzieht. Jakob Böhme sagt: die göttliche Freiheit erbricht sich in die Natur. Hegel sagt: die göttliche Idee entläßt die Natur. Was soll man nun unter diesem Entlassen denken? So viel ist klar: dieser Erklärung der Natur geschieht noch die größte Ehre, wenn man sie theosophisch nennt. Wer übrigens noch hätte zweifeln können, daß die Idee am Ende der Logik als die wirklich existierende gemeint sei, müßte sich jetzt davon überzeugen; denn was sich frei entschließen soll, muß ein wirklich Existierendes sein, ein bloßer Begriff kann sich nicht entschließen. Es ist ein böser Punkt, bei welchem die Hegelsche Philosophie hier angelangt ist und der beim Anfang der Logik nicht vorgesehen worden, ein garstiger breiter Graben, deren Aufzeigung (mit einigen Worten war in der Vorrede zu Cousin zuerst davon die Rede) zwar viel böses Blut, aber durchaus keine irgend brauchbare und nicht bloß trügerische Auskunft zur Folge gehabt hat.

Man kann nun zwar schlechterdings nicht begreifen, was die Idee bewegen sollte, nachdem sie zum höchsten Subjekt erhoben, das Sein ganz aufgezehrt hat, doch sich wieder subjektlos zu machen, zum bloßen Sein herabzusetzen und sich in die schlechte Äußerlichkeit des Raumes und der Zeit zerfallen zu lassen. Indessen hat sich nun die Idee in die Natur geworfen, aber nicht um in der Materie zu bleiben, sondern durch sie wieder zum Geist, zunächst zum menschlichen Geist zu werden. Der menschliche Geist ist aber nur der Schauplatz, auf dem der Geist überhaupt durch eigne Tätigkeit die Subjektivität, die er im Menschengeist angenommen, wieder wegarbeitet, sich so zum absoluten Geist macht, welcher zuletzt alle Momente der Bewegung als seine eignen unter sich aufnimmt und Gott ist.

Auch hier werden wir das Eigentümliche des Systems[175] am besten so treffen, wenn wir sehen, welches Verhältnis es sich in Ansehung dieses Letzten und Höchsten zu der unmittelbar vorausgehenden Philosophie gibt. Dieser wird vorgeworfen, Gott sei in ihr nicht als Geist, sondern nur als Substanz bestimmt gewesen. Durch das Christentum und durch den Katechismus wird freilich jeder angewiesen, Gott als Geist nicht nur zu denken, sondern zu wollen und zu meinen; so wird niemand es als seine Entdeckung ansprechen können, daß Gott Geist sei. So kann es auch nicht gemeint sein. In der Tat will ich nicht darüber streiten, ob die Identitätsphilosophie sich des Ausdrucks Geist bedient, um die Natur des Absoluten auszusprechen, am Ende nämlich, oder sofern es letztes Resultat ist. Das Wort (Geist) hätte freilich erbaulicher geklungen. Für die Sache konnte ich indes hinlänglich halten, daß Gott als das seiende, bleibende Selbstobjekt (Subjekt-Objekt) bestimmt war, denn auch so war er, um den Aristotelischen Ausdruck zu brauchen, der sich selbst Denkende (ho heauton noôn) und, wenn auch nicht Geist genannt, doch dem Wesen nach Geist, und in diesem Sinne nicht Substanz, wenn Substanz eben das blind Seiende bedeuten soll. Und auch daß er nicht Geist genannt wurde, konnte guten Grund haben. Denn man hat keine Ursache, in der Philosophie mit Worten verschwenderisch zu sein, und sollte sich daher wohl bedenken, das Absolute, das nur Ende ist, mit dem Wort Geist zu bezeichnen. Strenggenommen müßte dies auch von dem Wort Gott gelten. Denn der Gott, sofern er nur Ende ist, wie er in der rein rationalen Philosophie nur Ende sein kann, der Gott, der keine Zukunft hat, der nichts anfangen kann, der bloß als Finalursache, auf keine Weise Prinzip, anfangende, hervorbringende Ursache sein kann, ein solcher Gott ist doch offenbar nur in der Natur und dem Wesen nach Geist, also in der Tat nur substantieller Geist, nicht Geist in dem Sinn, in welchem die Frömmigkeit oder auch der gewöhnliche Sprachgebrauch das Wort zu nehmen pflegt; hier gebraucht wäre es nur ein täuschender Ausdruck gewesen. Auch bei Hegel konnte das Absolute doch nur substantieller Geist sein,[176] wie das Wort Geist überhaupt nur mehr negative als positive Bedeutung hat, da ja dieser letzte Begriff auch nur durch sukzessive Negation alles andern entsteht. Die Benennung dieses Letzten, d.h. die Bezeichnung seines Wesens, konnte von nichts Körperlichem hergenommen werden, es blieb nur der allgemeine Name Geist, und da es auch nicht menschlicher, endlicher Geist ist (denn auch dieser ist auf einer früheren Stufe schon gesetzt), so ist es also notwendig unendlicher, absoluter Geist, aber doch bloß dem Wesen nach, denn wie sollte wirklicher Geist sein, was von dem Ende, an das es gesetzt ist, nicht hinweg kann, das nur die Funktion hat, die vorhergehenden Momente alle unter sich als alles Beschließendes aufzunehmen, aber nicht selbst Anfang und Prinzip von etwas zu sein.

Auch Hegel war im Anfang nicht verlassen von dem Bewußtsein der Negativität dieses Endes, wie es überhaupt der andringenden Macht des Positiven, die Befriedigung in dieser Philosophie verlangte, nur allmählich gelang, dem Identitätssystem das Bewußtsein seiner Negativität zu entziehen. Im ersten Entstehen mußte dieses Bewußtsein vorhanden sein, denn sonst hätte diese Philosophie nicht entstehen können. Auch bei Hegel ist wenigstens in seiner frühesten Darstellung da, wo er auf das Letzte kommt, noch ein Nachklang davon, daß durchaus an kein wirkliches Geschehen oder Geschehensein zu denken sei. Ich meine damit einen Paragraphen der ersten Ausgabe seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften12, der in der zweiten Ausgabe bereits entstellt ist; in diesem sagt er, in dem letzten Gedanken reinige sich die selbstbewußte Idee von allem Schein des Geschehens, der Zufälligkeit und des Außer- und Nacheinanderseins der Momente (welchen Schein der Inhalt der Idee noch in der Religion hat, die ihn für die bloße Vorstellung zu einer zeitlichen und äußerlichen Aufeinanderfolge auseinanderzieht).[177]

In der letzten Zeit versuchte Hegel noch eine höhere Steigerung und suchte selbst bis zur Idee einer freien Weltschöpfung zu gelangen. Eine merkwürdige Stelle, wo dieser Versuch gemacht ist, findet sich in der zweiten Ausgabe seiner Logik – die Stelle hatte in der ersten Ausgabe der Logik anders gelautet und hatte dort auch offenbar einen ganz andern Sinn. In der zweiten lautet sie so13: das Letzte, worin alles als in seinen Grund eingeht, ist denn auch dasjenige, woraus das Erste, das zuerst als Unmittelbares aufgestellt wurde, hervorgeht, und »so wird noch mehr der absolute Geist, der als die konkrete und letzte, höchste Wahrheit alles Seins sich ergibt, erkannt als am Ende der Entwicklung sich mit Freiheit entäußernd und zur Gestalt eines unmittelbaren Seins sich entlassend – zur Schöpfung einer Welt sich entschließend, welche (Welt) alles das enthält, was in die Entwicklung fiel, die jenem Resultat vorausgegangen war, so daß alles dieses (alles in der Entwicklung Vorausgegangene) durch diese umgekehrte Stellung zugleich mit seinem Anfange in ein von dem Resultat als Prinzip Abhängiges verwandelt wird«14, d.h. also, was erst Resultat war, wird zum Prinzip, was in der ersten Entwicklung Anfang war, der zu dem Resultat hinführt, wird umgekehrt zu einem von dem Resultat, das vielmehr jetzt Prinzip geworden ist, Abhängigen und daher unstreitig auch Abzuleitenden. – Nun, wenn diese Umkehrung auf die Weise, wie sie Hegel will, möglich wäre und wenn er nicht bloß von dieser Umkehrung gesprochen, sondern sie versucht und wirklich aufgestellt, so hätte er bereits selbst seiner ersten Philosophie eine zweite an die Seite gestellt, die umgekehrte der ersten, welche ungefähr das gewesen wäre, was wir unter dem Namen der positiven Philosophie wollen. Eine notwendige[178] Folge davon hätte aber dann sein müssen (da zwei Philosophien nicht gleiche Bedeutung und Dignität haben können), seine erste Philosophie als die bloß logische und negative Philosophie zu erkennen (in welcher dann freilich der Übergang in die Naturphilosophie bloß hypothetisch geschehen durfte, womit auch die Natur in der bloßen Möglichkeit erhalten wurde). Allein schon die Art, wie er diese Äußerung durch Veränderung des ursprünglichen Textes nur gelegenheitlich und im Vorübergehen einzuschalten gesucht hat, zeigt, daß er nie einen ernstlichen Versuch gemacht hat, jene Umkehrung wirklich zu unternehmen, die so, wie er sie dargestellt hat, einfach darin zu bestehen gehabt hätte, daß man die Stufen wieder herabgestiegen wäre, die man in der ersten Philosophie hinaufgestiegen war. Sehen wir, was damit entstehen konnte.

In der Identitätsphilosophie ist es allerdings so, daß je das Vorhergehende erst im Folgenden, relativ Höheren, und so zuletzt alles in Gott erst seine Wahrheit hatte. Es ist zwar nicht ganz genau so, wie Hegel dies ausdrückt, daß in das Letzte alles in seinen Grund eingehe, es ist nicht genau so, man müßte vielmehr sagen: jedes Vorhergehende begründete sich selbst dadurch, daß es sich zum Grund des Folgenden, d.h. zu dem herabsetzt, was nicht mehr selbst das Seiende, sondern einem andern Grund des Seins ist, es begründet sich durch sein zu-Grunde-Gehen es selbst ist also dabei Grund, nicht das Folgende. So findet der Weltkörper, dessen Natur es ist, zu fallen, dessen Fallen daher – weil alles aus der Natur eines Dinges Folgende unendlich folgt – ein unendliches ist, seinen Grund dadurch, daß er sich einem Höheren zum Grunde macht, und bleibt auf diese Weise im allgemeinen auf seiner Stelle (in einer gleich mittleren Entfernung vom Zentrum) stehen; und so begründet sich alles zuletzt dadurch, daß es sich dem Absoluten, Letzten, als Grund unterordnet. (Nach dieser Berichtigung des Ausdrucks gehen wir zur Sache selbst). Da nach Hegel selbst das, was das Ende ist, erst nachdem es Ende ist, sich zum Anfang macht, so verhält[179] es sich in der ersten Bewegung (und also in der Philosophie, in welcher es Resultat ist) noch nicht als bewirkende, sondern als Endursache, die Ursache nur insoweit ist, daß alles zu ihr hinstrebt. Ist nun aber das Letzte die höchste und letzte Endursache, so ist die ganze Reihe mit alleiniger Ausnahme des ersten Glieds – die ganze Reihe ist nichts anderes als eine ununterbrochene und stetige Folge von Endursachen; jedes an seiner Stelle ist so gut Endursache für sein Vorhergehendes wie das Letzte Endursache für alles. Gehen wir zurück bis zu der nur unförmlich zu denkenden Materie, die das allem zu Grunde liegende ist, so ist die unorganische Natur die Endursache der Materie, die organische Natur ist die Endursache der unorganischen, in der organischen Natur ist die Endursache der Pflanze das Tier, der Mensch die Endursache der Tierwelt. Wenn es also, um auf eine Schöpfung zu kommen, nicht mehr bedürfte, als dieselben Stufen wieder herabzusteigen, die man hinaufgestiegen ist, und wenn schon einfach durch diese Umkehrung das Absolute zur wirkenden Ursache wird, so müßte durch diese Umkehrung auch der Mensch als wirkende oder hervorbringende Ursache der Tierwelt, das Tierreich als hervorbringende Ursache des Pflanzenreichs, der Organismus überhaupt als Ursache der unorganischen Natur erscheinen usw., denn wir wissen nicht, wie weit nach Hegels Meinung dies fortzusetzen wäre, ob vielleicht in die Logik hinein, daß man bis zum reinen Sein zurückkäme, das = Nichts ist: genug, wir sehen, auf welche Ungereimtheiten die so verstandene Umkehrung führen würde und wie illusorisch die Meinung ist, durch solche einfache Umkehrung die Philosophie in eine solche verwandeln zu können, die auch eine freie Weltschöpfung begriffe.

Der Ausdruck übrigens, mit dem in der angeführten Stelle der Logik die Entäußerung des absoluten Geistes beschrieben wird, »daß er sich mit Freiheit zur Gestalt eines unmittelbaren Seins entlasse«, zeigt völlige Übereinstimmung mit den Ausdrücken, die beim Übergang von der Logik zur Naturphilosophie gebraucht wurden, und so[180] wäre also der absolute Geist, der sonst, und zwar aufs entschiedenste nur am Ende der ganzen Entwicklung, also nach der Natur- und Geistesphilosophie, gesetzt wurde, jetzt der sich schon zur Natur entäußernde. Wenn man nun aber auch von diesem Widerspuch absieht, so war durch diese formelle Annäherung an die Lehre von einer freien Weltschöpfung doch nichts gewonnen; der Sache nach war man von derselben ebensoweit, am Ende weiter entfernt als zuvor. Denn der absolute Geist entäußert sich selbst zur Welt, er leidet in der Natur, er gibt sich einem Prozeß hin, von dem er nicht mehr loskommen kann, gegen den er keine Freiheit hat, in den er gleichsam unrettbar verwickelt ist. Der Gott ist nicht frei von der Welt, sondern mit ihr belastet. So weit ist also diese Lehre Pantheismus, aber nicht der reine, stille Pantheismus des Spinoza, in welchem die Dinge reine logische Emanationen der göttlichen Natur sind, dieser ist aufgegeben, um ein System göttlicher Aktivität und Wirkung einzuführen, bei welchem die göttliche Freiheit nur um so schmachvoller verlorengeht, als man sie retten und aufrechterhalten zu wollen sich den Schein gegeben hatte. Die Region der rein rationalen Wissenschaft ist verlassen, denn jene Entäußerung ist ein frei beschlossener, die bloß logische Folge absolut unterbrechender Akt, und dennoch erscheint auch diese Freiheit wieder als illusorisch, weil man sich unvermeidlich dennoch am Ende zu dem Gedanken hingedrängt sieht, der alles Geschehensein, alles Geschichtliche wieder aufhebt, weil man, sich besinnend, doch wieder ins rein Rationale zurückkehren muß.

Wenn man einen Anhänger dieser Philosophie fragte: ob sich der absolute Geist in irgendeinem bestimmten Moment zur Welt entäußert habe, so mußte er antworten: Der Gott hat sich nicht in die Natur geworfen, sondern wirft sich immer wieder in sie, um sich ebenso immer wieder obenan zu setzen; das Geschehen ist ein ewiges, d.h. immerwährendes, Geschehen, aber eben darum auch wieder kein eigentliches, d.h. wirkliches Geschehen. Der Gott ferner ist allerdings frei, sich zur Natur zu entäußern,[181] d.h., er ist frei, seine Freiheit zum Opfer zu bringen, denn dieser Akt der freien Entäußerung ist zugleich das Grab seiner Freiheit; von nun ist er im Prozeß oder selbst Prozeß; er ist allerdings nicht der Gott, der nichts zu tun hat (wie er es wäre, wenn er als der wirkliche bloßes Ende wäre), er ist vielmehr der Gott des ewigen, immerwährenden Tuns, der unablässigen Unruhe, die nie Sabbat findet, er ist der Gott, der immer nur tut, was er immer getan hat, und der daher nichts Neues schaffen kann; sein Leben ist ein Kreislauf von Gestalten, indem er sich immerwährend entäußert, um wieder zu sich zurückzukehren, und immer zu sich zurückkehrt, nur um sich aufs neue zu entäußern.

In der letzten populärsten, auf das große Publikum berechneten Version pflegt dieses Thema der Entäußerung so ausgeführt zu werden: »Gott ist zwar schon an sich (d.h. ohne es auch für sich zu sein) das Absolute, er ist auch schon zuvor (was soll dieses ›Zuvor‹ in einer rein rationellen Entwicklung?) das Erste, das Absolute, aber um sich selbst bewußt zu sein, entäußert er sich, stellt er sich die Welt als ein anderes entgegen, um von der tiefsten Stufe der Entäußerung, noch immer zwischen Bewußtsein und Unbewußtsein schwebend, zum Menschen aufzusteigen, in dessen Gottesbewußtsein er sein eigenes hat. Denn das Wissen des Menschen, das Wissen, das der Mensch von Gott hat, ist das einzige, das Gott von sich selbst hat.« Mit einer solchen Darstellung ist wohl die tiefste Note der Leutseligkeit für dieses System angegeben; es läßt sich darnach bereits ermessen, in welchen Schichten der Gesellschaft es sich noch am längsten behaupten mußte. Denn es ist leicht zu beobachten, wie gewisse Ideen immer in den höheren, namentlich den gelehrten oder überhaupt höher gebildeten Ständen zuerst aufkommen; wenn sie dann bei diesen bereits ihre Geltung verloren, haben sie inzwischen sich in die tieferen Schichten der Gesellschaft hinabgesenkt, und erhalten sich dort noch, wenn obenher von ihnen nicht mehr die Rede ist. So ist auch leicht wahrzunehmen, daß diese neue, aus der[182] Hegelschen Philosophie hervorgegangene Religion ihre Hauptanhänger im sogenannten großen Publikum gefunden, unter Industriellen, Kaufmannsdienern und anderen Mitgliedern dieser in anderer Beziehung übrigens sehr respektablen Klasse der Gesellschaft; unter diesem nach Aufklärung begierigen Publikum wird sie denn auch ihre letzten Stadien verleben. Man darf wohl annehmen, daß dieses Breittreten seiner Gedanken Hegeln selbst am wenigsten Vergnügen gemacht hätte. Dies alles indes schreibt sich von dem einen Mißgriff her, daß an sich wahre, nämlich bloß logisch genommen wahre Verhältnisse in wirkliche umgesetzt wurden, womit aus ihnen alle Notwendigkeit gewichen ist.[183]

3

Enzyklopädie, zweite Ausgabe, S. 103 (erste Ausgabe, S. 39)

4

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften § 17, erste Ausgabe.

5

Zeitschrift für spekulative Physik, II. Bd., 2. Heft.

6

Über den wahren Begriff der Naturphilosophie, Zeitschr. für spec. Phys., II. Bd., 1. Heft, 1801. Diese Abhandlung möchte wohl auch zeigen, daß der Verfasser das Bewußtsein seiner Methode sowie des im ersten Begriff gesetzten, zum Fortgang treibenden Widerspruchs hatte, das man ihm gerne abgesprochen hätte.

7

Weil die Indentitätsphilosophie sich mit dem reinen Was der Dinge beschäftigte, ohne sich über die wirkliche Existenz auszusprechen, nur in diesem Sinne konnte sie sich absoluton Idealismus nennen, zum Unterschied von dem bloß relativen, der die Existenz der Außendinge leugnet (denn dieser behält immer noch eine Beziehung zur Existenz). Die Vernunftwissenschaft ist absoluter Idealismus, inwiefern sie die Frage nach der Existenz gar nicht aufnimmt.

8

Enzyklopädie, § 162, erste Ausgabe (§ 214. zweite Ausgabe).

9

S. 128.

10

S. 219.

11

Enzyklopädie, § 191, erste Ausgabe (§ 244, zweite Ausgabe).

12

§ 472.

13

S. 43, Ausgabe von 1832.

14

In der ersten Ausgabe der Logik von 1812 (S. 9) hieß es: »So wird auch der Geist am Ende der Entwicklung des reinen Wissens sich mit Freiheit entäußern und sich in die Gestalt eines unmittelbaren Bewußtseins, als Bewußtsein eines Seins, das ihm als ein Anderes gegenübersteht, entlassen.«

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Zur Geschichte der neueren Philosophie. Leipzig 1966.
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