Knittelverse

[605] Knittelverse, 1) kurzweilige, holperige, gewöhnlich paarweise durch oft rohe, unreine Reime gebundene Verse, ohne bestimmte Messung u. Anzahl metrischer Füße, doch gern mit Abwechselung verschiedenartiger Füße. Sie entstanden aus den kurzen Reimpaaren (das Metrum der epischen Kunstpoesie des deutschen Mittelalters), die im 14. u. 15. Jahrh. vernachlässigt wurden, u. erhielten bereits im 16. Jahrh. die Bezeichnung K. im Gegensatz zu den streng gemessenen Versen. In ihnen sind sehr viele alte Sprichwörter abgefaßt. Besonders üblich waren sie bei den Meistersängern (seit dem 14. Jahrh.; Hans Sachs' sämmtliche Gedichte sind in K-n abgefaßt), bis gegen Opitz' Zeiten, u. noch B. Waldis' Fabeln u. Rollenhagens Froschmäusler (1595) bestehen blos aus K-n. Sie sind in der neueren niedrig-komischen Poesie (z.B. Kortums Jobsiade) seit dem Anfange des 18. Jahrh. wieder üblich; Rost suchte sie zuerst zu veredeln, welchem Zachariä (Fabeln in Waldis' Manier), Goethe (im Faust), Schiller (in Wallensteins Lager), Nikolai (in einer poetischen Epistel), Wieland (Titanomachie) u. in neuerer Zeit Mehre folgten. Bei den Franzosen heißen derartige Verse Rimaille, Vers du vieux temps od. Vers Léonins (von den Leonischen Versen des mittelalterlichen Latein), die Engländer nennen sie Hobbling verses od. rythmes. 2) so v.w. Schlechte Verse.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 605.
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