[69] Absteckungen (to stake out the line, tracing, laying-out; piqueter, tracer; palinare o pichettare una linea) im Gelände werden überall da erforderlich, wo es sich um die Übertragung eines Ingenieurbau-Entwurfs, z.B. einer Eisenbahnlinie, ins Gelände handelt. Es kommen hierbei gerade Linien, Kreis- und Übergangsbogen vor.
1. Absteckung gerader Linien. In der Regel beginnt man mit dem Übertragen der geraden Linien aus dem Plan in das Gelände, indem man im Plan den Abstand dieser Linien von Punkten mißt, die auch im Gelände wiederzufinden sind, z.B. Grenzpunkten, Brechungspunkten von Wegen u. dgl., und diese Strecken im Felde abmißt. Sind für eine Gerade im Gelände zwei Punkte abgesteckt, so kann man Zwischenpunkte durch direktes Einweisen mit freiem Auge oder mit einem Krimstecher ausrichten und durch Pflöcke vermarken. Für lange gerade Linien benützt man den Theodolit entweder zum direkten Einweisen von einem Ende aus oder zum indirekten Einschalten von der Mitte aus. Ebenso kann man mittels des Theodolits eine Gerade verlängern, indem man im Endpunkte einen Winkel von 180° absetzt. In allen drei Fällen ist darauf zu achten, daß das Einweisen, bzw. Messen oder Absetzen von Winkeln in beiden Fernrohrlagen erfolgt, damit die Instrumentalfehler vermieden werden (s. Winkelmessung). Für Einzelheiten in bezug auf die Absteckung gerader Linien sei verwiesen auf: Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, Bd. II, 7. Aufl., Stuttgart 1908, § 203.
2. Absteckung der Kreisbogen. Die Aufgabe tritt am häufigsten in der Form auf, daß zwei Geraden RS und ST (Abb. 86) im Gelände vermarkt sind, die ein Kreisbogen von gegebenem Halbmesser r berühren soll. Man unterscheidet Absteckung der Hauptpunkte (Anfang, Mitte und Ende des Bogens) und Absteckung der Einzelpunkte, welche letzteren in so kleinen Abständen zu bestimmen sind, daß weitere Kurvenpunkte bequem nach Augenmaß eingeschaltet werden können.
Der Schnittpunkt S der beiden Geraden sei zugänglich und der von ihnen gebildete Winkel ω = ∢ RST sei gemessen worden. Aus diesem ergibt sich der Zentriwinkel α/2 = ∢ SCA = ECS = 90 ω/2 und sodann mit dem gegebenen Halbmesser r[69]
1. die Tangentenlängen SA = SE = T
2. der Scheitelabstand SM = a
ferner als Probemaße entweder
3 a) die Koordinaten des Scheitels in Bezug auf einen der Berührungspunkte A oder E
oder
3 b) die die Länge der Scheiteltangenten NM = MP = t = r tg α/4 und die Abstände ihrer Schnittpunkte mit den Haupttangenten von S nämlich SN = SP = T t, endlich
4. die Länge des halben Bogens
wobei
bedeutet.
Die horizontalen Entfernungen SA = SE = T, SN = SP = T t werden eingemessen, ebenso SM = a in der Halbierungslinie des Winkels bei S; dann müssen die Punkte N, M und P in einer Geraden liegen. Außerdem kann die Lage des Scheitels mit xm ym geprüft werden (umständlich). Bei größerer Länge des Kreisbogens wird die Ordinate ym zu groß, weshalb die Zwischentangente, und bei sehr großen Kurven noch weitere Untertangenten einzuschalten sind, um von diesen aus die Bogenpunkte selbst einzumessen. Ist der Schnitt S nicht zugänglich, so müssen mittelbare Messungen zur Ableitung des Winkels α/2 und zur Absteckung der beiden Punkte A und E eintreten.
Näheres in den Lehrbüchern über praktische Geometrie: v. Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde, II. Bd., 7. Aufl., Stuttgart 1890; Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, Bd. II, 7. Aufl., Stuttgart 1908.
Das Abstecken der Bogenpunkte kann auf verschiedene Art geschehen:
a) mit rechtwinkligen Koordinaten von den Tangenten aus,
b) mit Peripheriewinkeln und
c) durch ein sog. Einrückungsverfahren.
Zu a). Das Abstecken mit rechtwinkligen Koordinaten wird wieder in zweifacher Weise angewendet, nämlich: 1. mit gleichen Abszissen und 2. mit gleichen Bogenlängen.
1. Bei Absteckung der Bogenpunkte mit gleichen Abszissen kommt die Gleichung
zur Verwendung, wobei die Abzissen in runden Zahlen (10, 20, 30 u.s.f.) angenommen werden und die Ausrechnung am einfachsten mit Quadrattafeln erfolgt.
2. Bei Absteckung der Bogenpunkte in gleichen Abständen (Abb. 87) voneinander ergeben sich deren Abszissen und Ordinaten aus den Gleichungen
wobei
Gleiche Abszissen gewähren den Vorteil einer bequemeren Messung, gleiche Bogenlängen, namentlich für kleinere Radien, haben den Vorzug, daß der gleichmäßige Verlauf des abgesteckten Bogens mit freiem Auge geprüft werden kann, indem jeder Punkt in bezug auf die gerade Verbindungslinie seiner Nachbarpunkte (als Sehne) gleiche Pfeilhöhe besitzen muß.
Manchmal kann die Benutzung von Parallelen zur Tangente nötig oder vorteilhaft sein, wobei der Abstand derselben bei Berechnung der Ordinaten zu berücksichtigen ist; beispielsweise kann statt der Messung der Ordinaten von der Scheiteltangente aus, jene von der ihr parallelen Sehne im Abstand s = r r cos α/2 eintreten, wobei sämtliche Ordinaten um s zu verringern und folglich die neuen Ordinaten
u.s.f. anzunehmen wären.
Zu b). Das Abstecken der Bogenpunkte mit Peripheriewinkeln beruht auf dem geometrischen Satz, daß gleichen Bogen gleiche Peripheriewinkel entsprechen und findet ebenfalls in zweifacher Weise Anwendung. Zuweilen werden[70] für gleichgroße Peripheriewinkel gleiche Sehnenlängen gemessen; dann wird an die Tangentenrichtung zunächst der Winkel α1 angetragen und die entsprechende Länge s = A 1 (Abb. 88), die aus der Gleichung s = 2 r sin α1 bestimmt ist, abgetragen, sodann wird der Winkel α1 neuerdings an A 1 angetragen und die Länge s von 1 aus bis 2 gemessen u.s.f. Hierbei kann man die Sehnenlänge entweder gleich jener des Meßbands (10 oder 20 m) oder auch so wählen, daß der Zentriwinkel α/2 des halben Bogens ein ganzes Vielfaches des zu messenden Winkels α1, somit α1 = α/2n ist, womit eine Probe der Bogenlänge und ihres zugehörigen Zentriwinkels erreicht wird.
Die Absteckung wird am bequemsten, wenn man für α1 einen runden Wert, z.B. 1° oder 1° 30' u.s.w. wählt und die dazugehörige Sehne berechnet. Da am Ende des Bogens ein kleiner Restwinkel übrigbleiben wird, so berechnet man auch für diesen die Sehne und prüft, ob die gemessene Restsehne hiermit übereinstimmt.
Die zweite Art der Anwendung des oben genannten Satzes besteht darin, daß für einen abzusteckenden Bogen AB (Abb. 89) solche Punkte gesucht werden, von denen aus die Richtungen nach A und B ein und denselben Winkel ϑ einschließen. Dieser Winkel ϑ ist zugleich der Winkel der Sehne AB mit der Tangente AT, also durch Abstecken der Berührungspunkte A und B auf den beiden Tangenten gegeben. Man benutzt hierzu katoptrische Instrumente ohne Fernrohre (wegen der ungleichen Längen der Winkelschenkel), die nach Art des Winkelspiegels oder des Bauernfeindschen Prismenkreuzes benutzt werden, jedoch zum Einstellen veränderlicher Winkel eingerichtet sind (s. der Arkograph von Pockels, Deutsche Bauzeitung 1875, und Decher, Die Prismentrommel, 2. Aufl., München 1888).
Zu c). Absteckungen der Bogenpunkte durch das Einrückungsverfahren werden bei beschränkten Raumverhältnissen angewendeten Tunnel, dichten Waldungen, Kornfeldern u. dgl.) und lassen sich in verschiedener Weise ausführen:
1. mit Tangenten, die den Bogen einschließen, indem für eine Bogenlänge b der Zentriwinkel α1 in Abb. 90 (am besten = α/2n s.o.) berechnet wird, aus dem sich die zugehörige Tangente t = r tg α1, sowie der Abstand a = r/cos α1 r = r tg α1 tg α1/2 ergibt. Man zunächst die Länge t in der Tangente und trägt den Abstand a senkrecht hierzu in A auf, womit die Punkte 1' und 0 erhalten werden. Zur Absteckung des Bogenpunkts 1 wird auf ein rechtwinkliges Dreieck, wie man es zum Ordinatenabstecken oft benutzt, der Abstand a vom rechten Winkel aus aufgetragen, dieses sodann mit dem Endpunkt der Länge a an 1' so angelegt, daß die eine Kathete nahezu radial, die andere tangential auf 0 gerichtet ist; spannt man von 0 aus gleichzeitig ein Meßband, so gibt die Länge t eine Probe für Punkt 1 und die doppelte Länge t in derselben Richtung den Punkt 2'. Dort wiederholt sich das Verfahren, indem das rechtwinklige[71] Dreieck nun mit einer Kathete an 2' angelegt und die andere auf 1' gerichtet wird; in dieser Richtung liegt in der Entfernung t von 1' aus der Punkt 2 des Bogens und in jener 2 t der Punkt 3' u.s.f.
2. Mit Sehnen läßt sich nach Abb. 91 das selbe Verfahren anwenden, wenn man für einen Zentriwinkel α1 zunächst die halbe Sehnenlänge s = r sin α1 = x, sowie die Pfeilhöhe p = r r cos α1 = 2 r sin2 α1/2 = y berechnet und diese beiden Werte wie Koordinaten von A aus aufträgt, womit man den Bogenpunkt 1 erhält. Hat man sodann das Maß p auf einer Kathete des rechtwinkligen Dreiecks aufgetragen, dieses an 1 so angelegt, daß jene Kathete radial, die zweite auf A gerichtet ist, so braucht man nur die Längen s und 2 s zu messen, um die Punkte 1' und 2 zu erhalten; letzterer allein wird markiert und daselbst sodann das Verfahren wiederholt, womit Punkt 3 zum Vorschein kommt u.s.f.
Am genauesten erfolgt die Absteckung mit dem Theodolit, indem man in A (Abb. 92) von der Tangente AT aus den Winkel 180° α1/2 absteckt und hierauf die Sehne s abmißt, wodurch man den Punkt 1 erhält. Steckt man in 1 von der Sehne 1 A aus den Winkel 180° α1 ab, so erhält man mit der Sehne s den Punkt 2 u.s.w. Mitunter wird man auch gezwungen sein, ungleiche Zentriwinkel α1, α2 u.s.w. zu benutzen.
3. Für flache Bögen kann man auch ein Näherungsverfahren, die sog. Viertelsmethode anwenden, indem für die Sehne s eines Kreisbogens AB (Abb. 92) und die Pfeilhöhe h zunächst der Punkt P bestimmt und sodann in der Mitte jeder Sehne AP = BP die Länge h1 = h/4 als Pfeilhöhe aufgetragen wird, womit man weitere Bogenpunkte erhält.
Man berechnet:
als Pfeil, ferner
und
u.s.w.
Über das Ausrichten von Gleisbogen, die durch den Eisenbahnbetrieb verschoben sind, s. Kurvenprüfung.
Hilfstafeln für Kurvenabsteckungen: Handbuch zum Abstecken der Kurven auf Eisenbahnen und Weglinien von H. Kröhnke, 14. Aufl., Leipzig 1902, und Handbuch zum Abstecken von Kurven von L. Winkel, Berlin 1873, geben die Hauptmaße für das Kurvennetz für alle Winkel bis zu 120°, die Koordinaten der Bogenpunkte für gleiche Bogenlängen; Handbuch zum Trassieren von H. Hanhart und A. Waldner, Berlin 1874, enthält Tafeln zum gleichen Zweck für Haupt- und Bogenpunkte, außerdem Tafeln der Peripheriewinkel für alle vorkommenden Radien und Bogenlängen; Taschenbuch zum Abstecken von Kreisbögen mit und ohne Übergangskurven von O. Sarrazin und H. Oberbeck, 23. Aufl., Berlin 1911, enthält außer den Tafeln zum Abstecken der Hauptpunkte und jenen der Bogenpunkte mit gleichen Abszissen solche zum Abstecken der Übergangskurven für Haupt- und Nebenbahnen, sowie zur Absteckung der Kreisbögen mit Peripheriewinkeln; Taschenbuch zum Abstecken der Kurven an Straßen und Eisenbahnen von C. Knoll, 3. Aufl., von W. Weit brecht, Leipzig 1911, enthält sehr umfangreiche Tafeln und behandelt auch sehr viele besondere bei der Praxis der Absteckungen auftretende Aufgaben; Pernt M., Tafeln zum Abstecken von Kreis- und Übergangsbogen durch Polarkoordinaten. A. Hartlebens Verlag, 1903; außerdem finden sich in den Handbüchern der praktischen Geometrie entsprechend eingerichtete Tafeln.
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