Bergbaubeschränkungen

[223] Bergbaubeschränkungen zum Schutze der Sicherheit des Bahnbetriebs, falls letzterer mit einem Bergwerksbetrieb zusammentrifft.

Wo sich Bahn- und Bergbaubetrieb innerhalb gewisser räumlicher Grenzen nähern, können sich beide gegenseitig gefährden; es ist daher Aufgabe der Gesetzgebung, Anordnungen zu treffen, um das Nebeneinanderbestehen der beiden Betriebe zu ermöglichen. Diese Anordnungen bezwecken sowohl die Sicherheit des Bahnbetriebs als auch jene des Bergwerkbetriebs. Die ersteren setzen zur Sicherung des Bahnkörpers und des Bahnbetriebs verschiedenartige B. mit einem mehr oder minder weitgehenden Entschädigungsanspruch des Bergbauunternehmers gegen die Eisenbahn fest.

Die maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen sind in den einzelnen Staaten äußerst verschiedenartig.

I. Das preußische Berggesetz verpflichtet im öffentlichen Interesse den Bergbauunternehmer, Sicherheitspfeiler stehen zu lassen, und schränkt den Ersatzanspruch des Bergbauunternehmers wesentlich ein; das Gesetz verhält nämlich die Eisenbahnunternehmung[223] nur dann zu einem Ersatz, wenn entweder sonst nicht erforderliche Anlagen notwendig werden oder bereits in dem Berg werke vorhandene Anlagen nur aus Anlaß der Bahnanlage beseitigt oder verändert werden müssen. Eine Schutzpfeilerentschädigung kennt aber das preußische Recht nicht.

II. Abweichend sind die Bestimmungen im sächsischen Berggesetz. Dieses regelt nicht die zwischen Bahn- und Bergbau möglichen Gefährdungen, sondern erklärt ganz allgemein, daß, wenn durch den Bergwerksbetrieb Anlagen an der Oberfläche gefährdet oder am Entstehen gehindert werden, an deren Erhaltung oder Errichtung ein überwiegendes öffentliches oder volkswirtschaftliches Interesse besteht und die Störung sich nicht durch Veränderung oder Verlegung beseitigen läßt, dann der Bergwerksbetrieb soweit beschränkt werden muß, daß die Gefährdung oder Behinderung wegfällt.

Hat der Bergbau das Vorrecht, so muß der Unternehmer der Oberflächenanlage die Kosten der sicherstellenden Veränderung tragen oder bei Beschränkung des Bergwerksbetriebs den Bergbauunternehmer entschädigen. Hat die Oberflächenanlage das Vorrecht, so wird die Bergbaubeschränkung nicht entschädigt; auch hat der Bergbauunternehmer die Kosten für die sicherstellende Veränderung der Anlage zu tragen.

III. Für das österreichische Recht gilt nach der Ministerialverordnung vom 2. Januar 1859 folgendes:


Schürfungen und oberirdische Bergbaue (Einbaue) sowie die davon herrührenden Halden müssen von Eisenbahnen und deren Zubehör in solcher Entfernung gehalten werden, daß Haldenstürze den Bahnbetrieb nicht stören, Schächte, Stollen und andere oberirdische Bergbaue aber mindestens 38 m von Gebäuden, 29 m von Stationsplätzen, 6 m vom Sohlenende des Dammkörpers und 12 m von den Grundmauerwerken der Viadukte und Brücken der Eisenbahnen entfernt bleiben.

Gleiche Entfernungen sind auch bei der Anlage von Eisenbahnen in der Nähe schon bestehender Schächte, Stollen und anderer oberirdischen Bergbaue und deren Halden zu beobachten.

Unterirdische Bergbaue dürfen nur in solcher Nähe von Eisenbahnen geführt werden, daß dadurch weder die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs noch jene des Bergbaubetriebs eine Beeinträchtigung oder Gefahr erleidet. Die dabei einzuhaltende Entfernung haben mit Rücksicht auf die verschiedenen örtlichen Verhältnisse die Bergbehörden im Einvernehmen mit den politischen Behörden von Fall zu Fall festzusetzen.

In paralleler Richtung unterhalb einer Eisenbahn soll die Führung von Stollen und Strecken nicht stattfinden. Wenn jedoch solche Bergbaue in anderen Richtungen unter Eisenbahnen geführt werden, müssen sie den zur Sicherheit sowohl des Bergbaues als der Eisenbahn erforderlichen festen Ausbau mittels gewölbter Mauerung erhalten.

Wird die Verleihung eines Grubenfelds angesucht, das sich über eine genehmigte oder bereits ausgeführte Eisenbahn erstrecken soll, so hat die Berghauptmannschaft zu der Freifahrung Vertreter der Bahnunternehmung und einen landesfürstlichen Baubeamten zuzuziehen, um mit dessen Beirat sorgfältig zu erheben, ob und unter welchen Bedingungen die angesuchte Bergwerksverleihung stattfinden kann. Diese Bedingungen sind sodann in die Verleihungsurkunde aufzunehmen, und es steht wegen etwaiger auf diesem Wege vorgeschriebener B. dem Bergbauunternehmer gegen die Eisenbahn ein Entschädigungsanspruch nicht zu.

Soll eine geplante Eisenbahn über bereits verliehene Grubenfelder oder schon bestehende Bergbaue angelegt werden, so ist der Begehungskommission auch ein Vertreter der Bergbehörde zuzuziehen und zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen die Bahnanlage zulässig sei.

Muß sich (im Fall der Priorität der Bergwerksverleihung) infolge der Entscheidung über die Zulässigkeit des (späteren) Bahnbaues der Bergbauunternehmer eine Beschränkung seines Betriebs zu gunsten der Eisenbahn gefallen lassen, so hat ihm der Eisenbahnunternehmer angemessene Entschädigung dafür zu leisten und ist die Bewilligung zum Bau der Eisenbahn unter dieser Bedingung zu erteilen.

Entstehen zwischen bereits bestehenden Bergbauen und zwischen ebensolchen Eisenbahnen Kollisionen, so muß der Bergbaubesitzer jene Sicherheitsvorkehrungen in seinem Bergbau treffen oder sich solche Beschränkungen gefallen lassen, die die ungestörte Erhaltung und Benutzung einer in öffentlicher und volkswirtschaftlicher Beziehung wichtigen Eisenbahn nach dem von der politischen Landesstelle im Einverständnis mit der Berghauptmannschaft zu fällenden Erkenntnis unbedingt erheischt. Ob und welche Entschädigung in diesem Fall dem Bergbauberechtigten gegen die Eisenbahnunternehmung zusteht, haben im Fall eines Streits die Gerichte nach Maßgabe der bestehenden Gesetze zu entscheiden (wobei natürlich abermals die Priorität wesentlich von Belang ist; war die Bahn früher konzessioniert als der Bergbau, so kann von Entschädigung keine Rede sein, wohl aber, wenn die Grubenmaße früher verliehen waren).


IV. In Frankreich sind die B. mit Rücksicht auf den Betrieb von nah gelegenen Eisenbahnen teils durch das Berggesetz vom 21. April 1810 (mit Abänderungen vom 27. Juli 1880), teils durch das Eisenbahnpolizeigesetz vom 15. Juli 1845 und endlich durch den Artikel 24 des allgemeinen Cahier des charges für Eisenbahnen geregelt.

Wenn eine Eisenbahn über ein bereits verliehenes Grubenfeld führt, so haben der Bergwerksbesitzer und die Bahnverwaltung alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, eine Beeinträchtigung des Bergwerk- sowie des Eisenbahnbetriebs hintanzuhalten. Der Bergbau unter dem Eisenbahngleis oder in einer Entfernung von weniger als 100 m von diesem bedarf einer besonderen behördlichen Erlaubnis. Die Genehmigung wird nach Anhören des Bergwerksbesitzers, der Eisenbahningenieure und sonstiger Sachverständiger nach Hinterlegung einer Kaution erteilt; sie ist ferner an[224] die Erfüllung einzelner Bestimmungen geknüpft, die die Erhaltung und Sicherheit beider Unternehmen, des Bergbaues und der Eisenbahn, bezwecken.

V. Die englische Gesetzgebung (Gesetz vom Jahr 1845) beruht noch vollständig auf dem Grundsatze der Manchesterschule »laisser faire«; sie überläßt daher die Entscheidung darüber, ob im Interesse der Sicherheit des Bahnbetriebs Sicherheitspfeiler unterhalb des Bahnkörpers und demnach B. notwendig sind oder nicht – den Eisenbahnunternehmungen. Deren Sache ist es, soweit sie Schutzpfeiler für notwendig erachten, sich mit dem Bergwerksbesitzer ins Einvernehmen zu setzen und diesem nicht nur den Sicherheitspfeiler abzukaufen, sondern ihm auch für Mehraufwand Schadenersatz zu leisten, der dem Bergwerksbesitzer durch den getrennten Betrieb, durch die Anlage neuer Wasserstrecken u.s.w. erwächst.

Der Bergwerksbesitzer ist, sobald er sich mit seinem Betrieb der Eisenbahn auf 40 Yards (= 36∙576 m) nähert, verpflichtet, der Eisenbahnunternehmung hiervon Anzeige zu machen; letztere hat sodann das Recht, das Bergwerk besichtigen zu lassen und den nach ihrem Ermessen zum Schutze der Eisenbahn erforderlichen Teil des Bergwerks für einen nötigenfalls durch Schiedspruch festzustellenden Preis anzukaufen.

Gibt der Eisenbahnunternehmer hierüber binnen 30 Tagen keine bindende Erklärung ab, so kann der Bergwerksbesitzer seinen Betrieb in ordnungsmäßiger Weise fortsetzen, ohne der Bahn ersatzpflichtig zu sein.

Erwirbt die Bahnverwaltung einen Teil des Grubenfeldes unter der Bahnlinie, so muß die Ausbeutung dieses Feldteils unterbleiben; doch darf der Bergwerksbesitzer, dessen Bergwerk sich zu beiden Seiten der Bahn ausdehnt, durch den abgetretenen Teil unter der Bahn die zur Wasserführung, Wasserhaltung und Förderung erforderlichen Stollen durchtreiben.

Der Bahnunternehmer hat das Recht, den Bergbaubetrieb zu beaufsichtigen und auf ordnungsmäßigen Betrieb gerichtlich zu klagen.

Selbstverständlich beschränken die Bahnen bei dieser Rechtslage die Erwerbung von Schutzpfeilern auf das geringste Ausmaß und wagen vielfach eine Bodensenkung, wenn deren Folgen minder kostspielig sind, als die Einlösung des Schutzpfeilers.

Schreiber.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 223-225.
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223 | 224 | 225
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