Betriebskontrolle

[315] Betriebskontrolle (control-service; contrôle d'exploitation; controllo dell'esercizio), die Überwachung der gesamten, mit der Abwicklung des Betriebsdienstes verbundenen Tätigkeit.

Die B. scheidet sich im wesentlichen in zwei Hauptrichtungen, u. zw. in die unmittelbar wirkende (aktive, ausübende) und in die schriftliche, insbesondere rechnerische Kontrolle. Die B. in ersterem Sinne obliegt sowohl den obersten Verwaltungsstellen (Ministerium, Generaldirektion) als auch, u. zw. vor allem den bei größeren Verwaltungen für engere Bezirke bestehenden mittleren Betriebsdienststellen (Betriebsdirektionen, Distriktsdirektionen, Betriebsämter, Betriebsinspektionen u. dgl.) schließlich auch den Vorständen der unteren Dienststellen des äußeren Dienstes (Stationen, Materialmagazine, Betriebs- und Hauptwerkstätten u.s.w.). Die aktive Kontrolle wird durch örtliche Besichtigungen, Revisionen und Besprechungen wahrgenommen; die leitenden und anderen höheren Beamten der obersten Verwaltungsstellen sowie der mittleren Betriebsstellen bereisen zu diesem Zwecke in den meisten Bahngebieten die äußeren Dienststellen planmäßig. Bei solchen Reisen werden in der Regel auch Anträge, Anregungen, Beschwerden an Ort und Stelle erledigt. Vielfach sind den kontrollierenden Stellen besondere, fachlich ausgebildete Beamte (Inspektoren, Betriebs-, Verkehrs-, Telegraphen-, Wagen-, Oberbau-, Betriebsmaschinen-, Zugs-, Materialien-, Kassenkontrolleure u.s.w.) beigegeben.

Über die Art der Ausübung der aktiven Kontrolle bestehen bei größeren Verwaltungen zumeist besondere Dienstvorschriften. Die Kontrolleure, die der Regel nach ausschließlich durch die Kontrolltätigkeit in Anspruch genommen sind, beobachten und berichten über ihre Wahrnehmungen an die vorgesetzten Stellen meist mündlich oder in einfachster Weise schriftlich. Selbständige Verfügungen dürfen sie in der Regel, wenn nicht Gefahr im Verzug ist, nicht treffen. Eine wichtige Aufgabe der Kontrollorgane besteht darin, daß sie die Heranbildung der Dienstanfänger überwachen und ihre Fähigkeit vor der Einstellung in den verantwortlichen Dienst feststellen.

Damit die unmittelbare Überwachung des Dienstes wirksam sei, müssen die Kontroleure (Revisoren) tunlichst unvermutet an dem Ort ihrer Amtstätigkeit erscheinen und die vorzunehmende Revision ohne Unterbrechung beenden.

Dieser Grundsatz gilt auch hinsichtlich der Überwachung des Zugspersonals in der Richtung, ob dasselbe etwa Reisende ohne gültige Fahrausweise zuläßt. Nachdem aber diese allerdings sehr notwendige Kontrolle für Reisende des Fernverkehrs, namentlich bei mehrfacher Wiederholung eine nicht geringe Belästigung mit sich bringt, ist es umsomehr notwendig, diese Kontrolle durch besonnene, an verbindliche Umgangsformen gewöhnte Organe vollziehen und bei direkten, dem Fernverkehr dienenden Zügen nicht ohne besondere Veranlassung zur Nachtzeit vornehmen zu lassen.

Unerläßlich ist das unvermutete Erscheinen der Kontrollorgane bei Kassenrevisionen (Kassenskontrierungen, Kassensturz) und bei Befundsaufnahmen der Materialvorräte, nachdem es nur auf diese Weise möglich ist, zu verhüten, daß Ordnungswidrigkeiten durch anscheinend richtige Buchführung während längerer Zeit der Entdeckung entzogen bleiben.

Bei den preuß.-hess. Staatsbahnen sind den Direktionen zur Überwachung des Betriebs-, insbesondere des Fahr-, Wagen-, Beförderungs- und Verkehrsdienstes Betriebskontrolleure unmittelbar unterstellt und den betreffenden Direktionsdezernenten zugeteilt, um diese bei den in den genannten Geschäftszweigen dauernd erforderlichen zahlreichen örtlichen Erhebungen zu unterstützen. Bei dieser Gelegenheit und auch bei besonders hierfür auszuführenden Reisen haben sie den gesamten äußeren Dienst zu überwachen, überall belehrend[315] und fördernd einzugreifen und beobachtete Mängel zur Sprache zu bringen. Selbständige Befugnisse stehen ihnen nicht zu. Nur bei Gefahr im Verzug dürfen sie in den äußeren Dienst eingreifen. Sie haben sich in steter und reger Verbindung mit den Vorständen der Betriebs- und Verkehrsämter, denen sie dienstlich untergeordnet sind, zu halten sowie Anweisungen und Anleitungen von ihnen entgegenzunehmen. Soweit der durchgehende Lauf der Züge eine Überwachung über den Bezirk der eigenen Direktion hinaus erfordert, können die Betriebskontrolleure bei den preuß.-hess. Staatsbahnen auch mit örtlichen Erhebungen im Bezirk anderer Eisenbahndirektionen beauftragt werden.

Den Betriebskontrolleuren gleichgeordnet sind die Verkehrskontrolleure. Sie sind jedoch nicht den Eisenbahndirektionen, sondern den Verkehrsämtern zur Hilfeleistung bei der Überwachung des Verkehrs- und Beförderungsdienstes, des Wagendienstes, des Abfertigungs- und Kassendienstes zugeteilt und mit der ständigen Vertretung des Vorstandes beauftragt. Insbesondere obliegt ihnen die Vornahme der Prüfung und Übergabe der Kassen.

Für die technischen Dienstzweige sind bei den preuß.-hess. Staatsbahnen besondere Kontrolleure bestellt. Ihre Tätigkeit ist wie die der Kontrolleure für den Betriebs- und Verkehrsdienst geregelt. Sie soll in erster Linie dazu dienen, die technischen Mitglieder der Eisenbahndirektion in steter Fühlung mit der praktischen Handhabung des Dienstes zu halten und dazu beitragen, die an einer Stelle gewonnenen Erfahrungen an anderen Stellen zu verwerten. Den verschiedenen Dienstzweigen entsprechend gibt es:

a) Betriebsmaschinenkontrolleure zur Beaufsichtigung des gesamten Lokomotivfahrdienstes und des Unterhaltungsdienstes der Fahrzeuge. Ihnen obliegt auch die Belehrung des Personals in der Behandlung der Lokomotive, besonders bei der Erprobung und Einführung von Neuerungen.

b) Technische Betriebskontrolleure für die Überwachung der Stellwerks-, Block-, Signal- und Telegrapheneinrichtungen, der Arbeiten in den Telegraphenwerkstätten und für die Abnahme der vorgeschriebenen Prüfung der Beamten in der Bedienung dieser Einrichtungen.

c) Oberbaukontrolleure für die Prüfungen der Gleislage und für die Unterweisung der beim Umbau und Neubau von Gleisen beschäftigten Beamten und Arbeiter.

In Bayern obliegt die B. den den Eisenbahndirektionen unterstellten Bau-, Betriebs- und Maschineninspektionen.

Auch bei den übrigen deutschen Staatsbahnverwaltungen liegt die Kontrolle zumeist in den Händen der für die Leitung und Überwachung des Betriebes bestehenden Inspektionsämter u. dgl. (s. Betriebsdienst).

Bei den österreichischen Staatsbahnen erfolgt die regelmäßige aktive Kontrolle durch die den Staatsbahndirektionen zugeteilten Bahnerhaltungskontrollore, Verkehrs- (Betriebs-), Transport-, Tarif-, Telegraphen- und Kassenkontrollore, in Ungarn durch die Betriebsleitungen, in Belgien, Frankreich und den Niederlanden durch die Distriktsleitungen, in Italien durch die Bezirksdirektionen, in der Schweiz durch die Kreisdirektionen u.s.w.

Während die aktive Kontrolle durch die Behörden und Dienststellen wahrgenommen wird, die gleichzeitig teils mit der Leitung, teils mit der Ausführung des Betriebsdienstes betraut sind, bestehen für die schriftliche (Rechnungs-) Kontrolle zumeist Verwaltungseinrichtungen, die sich ausschließlich mit dem betreffenden Zweig der Kontrolle befassen. Zu diesen Kontrolleinrichtungen im engeren Sinne gehören:

Die Einnahmekontrollen (contrôle des recettes), Hauptkontrollen, Verkehrskontrollen, auch Personen- oder Güterkontrollen. Diese sind Dienststellen, die für die Kontrolle der Einnahmen aus dem Personen- und Güterverkehr eingerichtet sind.

Die Wagenkontrolle (contrôle des wagons; controllo veicoli) ist die Dienststelle, der die Feststellung des Laufs der Wagen zum Zweck der Ermittlung der geleisteten Achs/km, ferner zum Zweck der Abrechnung mit anderen Bahnen über die gegenseitige Benützung der Wagen obliegt. Bei den preuß.-hess. Eisenbahnen werden diese Geschäfte, zugleich für die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen, vom Wagenabrechnungsbureau in Magdeburg wahrgenommen. Unter Wagenkontrolle versteht man auch die Überwachung der zweckmäßigsten Ausnützung des Wagenparks, namentlich der Güterwagen durch rechtzeitige Be- und Entladung, richtige Benützung, raschen Rücklauf zu den Versandgebieten u.s.w. Diese Kontrolle ist vielfach Aufgabe der sog. Wagenbureaus. Auch für die Durchsicht und Prüfung der Belege über Ausgaben aller Art bestehen mancherlei Kontrolleinrichtungen, die bei einigen Bahnen in den sog. Ausgabekontrollen zusammenlaufen.

In Ansehung der Vielfältigkeit der sachlichen Betriebserfordernisse und des Umstands, daß bei Staatsbahnen Ausgaben nur im Rahmen des im voraus zu ganz bestimmten Zwecken zu bewilligenden Voranschlags bestritten werden dürfen, während bei Privatbahnen die[316] Entscheidung über die mit der Vermögensgebarung verbundenen wichtigeren Fragen zumeist den Vertretern der Bahneigentümer (Verwaltungsrat, Aufsichtsrat) zukommt, ist die Beurteilung der Notwendigkeit beizustellender Betriebserfordernisse und der Angemessenheit des dafür vorzusehenden Geldaufwands nach Maßgabe der bezüglichen Anträge der Zentralleitung in letzter Linie allerdings Sache der mit dem Geldbewilligungsrecht ausgestatteten Stellen. Auch wird die fachmännische Beurteilung der sachgemäßen Ausführung von Herstellungen und Lieferungen sowie des zur Bewältigung des vorhandenen Verkehrs erforderlichen Aufwands an lebender und maschineller Kraft und sachlichen Bedürfnissen der Hauptsache nach immerhin den betreffenden Fachvorständen unter eigener Verantwortung überlassen bleiben müssen.

Trotz der hierdurch gegebenen Einschränkung ist jedoch die Wirksamkeit der Ausgabenkontrolle eine sehr vielseitige und erstreckt sich auf die fachgemäße und ziffermäßige Prüfung aller Belege über Betriebsausgaben, u. zw. sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit der anweisenden Stelle und der für den betreffenden Zweck vorhandenen Bedeckung als in bezug auf die bedingungsgemäße Richtigkeit der Preisansätze, die formelle Angemessenheit der Belege, die richtige Verrechnung der Zahlungsbeträge auf die durch das Buchungsschema hierzu vorgesehenen Rubriken und gegebenenfalls auch auf die fachgemäße Beurteilung der Aufrechnung.

Derartige Doppelaufgaben haben beispielsweise die Revisionsbureaus bei den preuß.-hess. Eisenbahndirektionen und bei den Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen sowie das Revisionsamt der bayerischen Staatsbahnen in München. Diese Kontrollstellen üben auch die Kontrolle über das Materialienwesen aus, während bei anderen Eisenbahnverwaltungen hierfür besondere Verwaltungsstellen (»Hauptmaterialienverwaltung«, »Materialienkontrolle« u. dgl.) eingerichtet sind (s. Verwaltung).

Hoff.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 315-317.
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