Bolivia

[458] Bolivia. Die Entwicklung des Eisenbahnnetzes von B. leidet darunter, daß das Land, seit es sein Küstengebiet an Chili verloren hat, keinen unmittelbaren Anschluß an das Meer findet. Die bolivianischen Eisenbahnen können den Stillen Ozean nur durch Chili oder Peru, den Atlantischen durch Brasilien, Argentinien oder Paraguay erreichen. Während für den letzteren Weg der Bau von Anschlußbahnen in Brasilien und in Argentinien geplant wird, nach deren Fertigstellung man erst in B. an die Arbeit gehen würde, hat sich in dem westlichen Teil von B., obgleich hier das gebirgige Gelände weit größere Schwierigkeiten bietet, seit etwa 1908 ein lebhaftes Interesse an dem Eisenbahn bau entwickelt. Das bolivianische Eisenbahnnetz hatte Ende 1910 einen Umfang von 1217 km. Es besteht eine Bahn von La Paz nach Mollendo (Hafen am Stillen Ozean), von der indes das Mittelstück Puno-Guaqui (Hafen am Titicacasee) erst im Bau ist. Diese Strecke muß jetzt noch zu Schiff zurückgelegt werden. Von La Paz geht eine zweite Linie südwestlich über Uyuni nach dem Hafen Antofagasta. Die ganze Bahn ist 1158 km lang. Sie gehört zu den Bahnen, für die einer großen amerikanischen Gesellschaft unter Führung des Bankhauses Speyer die Konzession erteilt worden ist (Speyersche Konzessionen). Von dieser Bahn sollen Zweigbahnen von Oruro nach Cochambamba, von Rio Mulatos nach Potosi, von Uyuni nach Tupiza und von La Paz über Yungas nach Puerto Pando führen, von denen einzelne Strecken bereits fertiggestellt sind, andere sich im Bau und in Vorbereitung befinden. Von der Arica-La Paz-Bahn, die die kürzeste Verbindung des bolivianischen Hochlandes mit dem Stillen Ozean herstellen wird, sind erst kleine Strecken fertig.

Für die zur Erschließung der östlichen, landwirtschaftlich bedeutenden Gebiete B. zu bauende Bahn ist die Konzession einem Syndikat für die Erschließung des Ostens von B. – Sindicato de fomento del Oriente de Bolivia – erteilt worden. Es handelt sich um Bahnen von Santa Cruz nach Puerto Sucre einerseits, und nach Villa Montes und Yacuiba anderseits. Für diese sehr langen Bahnen sind aber erst Studien gemacht worden. B. wird auch durch die geplante interkontinentale Bahn u.zw. in seinen gebirgigsten Gegenden, durchschnitten werden.

Die bolivianischen Eisenbahnen sind von größtem Wert für die Beförderung der reichen Mineralschätze des Landes (außer Edelmetallen hauptsächlich Kupfer, Zinn und Wismut), des in großen Mengen gewonnenen Kautschuks und der landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Seit einigen Jahren herrscht im Lande ein reger Unternehmungsgeist. An dem Eisenbahnbau ist hauptsächlich amerikanisches und englisches Kapital beteiligt.

v. der Leyen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 458.
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