[479] Brasilien (vgl. Karte Taf. V).
I. Allgemeine Entwicklung der Eisenbahnen.
Die vielfachen inneren Wirren und Unruhen im vorigen Jahrhundert haben die Entwicklung des Landes und damit auch die seines Bahnnetzes verzögert. Ferner stellen sowohl die Ströme als auch die an der Küste und durch das Land sich hinziehenden Höhenrücken dem Bahnbau ziemlich bedeutende Schwierigkeiten entgegen. Weiter ist B. sehr dünn bevölkert und es fehlt an Arbeitskräften. Auch hat in B. das heiße und zum Teil sehr ungesunde Klima in den nördlichen Staaten auf den Bahnbau hemmend eingewirkt.
Die ersten Anregungen zum Bahnbau fallen in das Jahr 1833. Von der kaiserlichen Regierung wurde damals eine Ausschreibung veranstaltet, wonach Rio de Janeiro mit Bahia, dem Westen von Minas Geraes und Rio Grande do Sul durch Bahnen verbunden werden sollten. Es war das ein für damalige Zeiten viel zu weitgehender Plan. Am besten wird dies dadurch bewiesen, daß dieser Plan heute noch nicht verwirklicht ist und seine Durchführung, insbesondere die Verbindung Bahias mit Rio de Janeiro, auch wohl fernerhin auf sich warten lassen wird. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Nord- und Mittelbrasilien sind auch nicht so groß, daß bei den guten Schiffahrtsverbindungen eine Bahn, die sehr hohe Kosten erfordern würde, dringend nötig wäre. Im Jahre 1835 wurde gleichwohl die Konzession für den erwähnten Bahnbau erteilt. Diese verfiel jedoch bereits 1839. Erst im Jahre 1852 begann man dem Bau von Bahnen wieder näherzutreten. Im Jahre 1855 wurde nach langen Verhandlungen ein Vertrag über den Bau einer Bahn von Rio de Janeiro ins Innere von Minas Geraes und nach Sao Paulo abgeschlossen. Die Bahngesellschaft erhielt eine Zinsgarantie von 7% für das beim Bahnbau angelegte Kapital ferner durfte in eine Zone von 5 Leguas (31 km) zu beiden Seiten der Linie keine andere Bahn eindringen. Außerdem sicherte man ihr Zollfreiheit für das zum Bau und Betrieb der Bahn einzuführende Material zu und verlieh ihr das Enteignungsrecht für das zum Bau des Bahnkörpers und der Gebäude nötige Land. Endlich[479] versprach man ihr die Zuwendung von brachliegenden Ländereien unter günstigen Bedingungen. Die wichtigste von diesen Bestimmungen war die Zusicherung der Zinsgarantie. Ähnliche Begünstigungen wurden auch anderen, damals entstandenen Gesellschaften gewährt. Die großen Kosten, die dem Staate durch die Bewilligung der Zinsgarantien erwachsen sind, haben dazu geführt, diese Begünstigungen möglichst einzuschränken und die erteilten Garantien abzulösen. Man ist bestrebt, heute neue Bahnen entweder unmittelbar durch den Staat zu bauen und zu verpachten, oder man stattet die Gesellschaften mit anderen Begünstigungen, wie Zollfreiheit u.s.w., aus.
Im Jahre 1867 waren erst rund 600 km Bahnen im Betrieb. Mit dem Kriege gegen Paraguay (18651870) trat eine völlige Stockung der Bahnarbeiten ein. Erst einige Jahre nach seiner Beendigung entwickelte sich wieder eine regere Bautätigkeit auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens.
In der Zeit von 1880 bis 1890 entstanden 6575 km neue Bahnen. Mit dem Sturz des Kaiserreichs im Jahre 1889 und den darauf folgenden Unruhen trat wieder eine Stockung im Bau neuer Bahnen ein. Dagegen wurden außerordentlich viele Konzessionen von der jeweiligen Regierung erteilt, um sich beim Volk beliebt zu machen. Ende 1892 gab es 255 Konzessionen für 14.600 km Bahnen, von denen 1894 bereits solche für 4260 km wieder hinfällig geworden waren. Gegen Ende der Neunzigerjahre traten in B. geordnete Verhältnisse ein und kurz darauf setzte auch neuerlich eine rege Bautätigkeit, besonders im Staate Sao Paulo, ein, die noch jetzt andauert und die rege Bautätigkeit vor dem Sturze des Kaiserreichs (18801890) wieder erreicht.
Die folgenden, der brasilianischen Statistik entnommenen Zahlen geben ein Bild von der Entwicklung der Bahnen.
1855 | 15 km | 1905 | 16781 km |
1860 | 222 km | 1906 | 17000 km |
1870 | 745 km | 1907 | 17242 km |
1880 | 3398 km | 1908 | 17605 km |
1890 | 9973 km | 1909 | 18671 km |
1900 | 15316 km | 1910 | 19537 km |
Am 1. Januar 1910 waren 19.537 km im Betrieb, wovon 13.504 km von der Union und 6032 von den Einzelstaaten geschaffen wurden; von den Linien der Union wurden 2959 km von ihr selbst betrieben, 6288 km sind verpachtet, 2546 km wurden mit Zinsgarantie und 1170 km ohne Zinsgarantie konzessioniert (s. Tab. S. 487).
Die vom Staate selbst verwalteten Bahnen (Central de Brasil, Oeste de Minas u.s.w.) liegen in den Mittelstaaten Rio de Janeiro, Sao Paulo u.s.w. Die verpachteten Staatsbahnen durchziehen die Nordstaaten (Ceara, Great Western u.s.w.). Die mit Zinsgarantie ausgestatteten Bahnen liegen in den verschiedensten Gebieten B., überwiegend aber durchziehen sie die Mittelstaaten, denen auch fast alle ohne Zinsgarantie gebauten Bahnen angehören. Bemerkenswert ist die große Rolle, die heute die von den einzelnen Staaten selbständig bewilligten Bahnen spielen, während es früher (1890) solche kaum gab.
Die Bahnen B. haben einen Wert von etwa 21/4 Milliarden M. Das größte Netz entfällt auf Sao Paulo mit 4828 km, dann folgen Minas Geraes mit 4291 km, Rio de Janeiro mit 2637 km, Rio Grande do Sul mit 1962 km, Bahia mit 1402 km u.s.w.
Fünf größere Staaten, Sergipe, Piauhy, Amazonas, Goyaz, Matto Grosso, die mit 4,354.849 km2 mehr als die Hälfte von B. ausmachen, sind von Schienenwegen noch gar nicht berührt. In den nördlichen tropischen Staaten hat Pernambuco das dichteste Bahnnetz, dann folgt Bahia. Auf die gesamten von Bannen durchzogenen Nordstaaten Para, Maranhao, Ceara, Bahia, Rio Grande do Norte kommen 2 km auf 1000 km2, in den südlichen, meist Ackerbau treibenden Rio Grande do Sul, Parana, S. Catarina schon 5∙8 km auf 1000 km2 und in den mittleren und entwickeltsten Staaten B., Rio de Janeiro, Espirito Santo, Sao Paulo bereits 13∙6 km auf 1000 km2, im Staate Rio de Janeiro sogar 37∙5 km auf 1000 km2.
Auf ganz B. kommen 0∙990 km (gegen 0∙908 km in Deutschland), scheidet man aber die Staaten ohne Eisenbahnen aus, so kommen in dem nördlichen Gebiet (Bahia u.s.w.) zwar nur 0∙470 km, in dem südlichen (Rio Grande do Sul u.s.w.) dagegen schon 1∙410 km und in den mittleren Staaten sogar 1∙350 km auf 1000 Einwohner. An der Spitze aller Staaten steht hier der Staat Parana mit 2∙55 km auf 1000 Einwohner.
II. Gliederung des Bahnnetzes.
Nordstaaten.
Die Nordstaaten Brasiliens von 5° nördlicher bis etwa zu 15° südlicher Breite, sind etwa 10mal so groß wie Deutschland und machen 2/3 von ganz B. aus. Sie haben Tropencharakter. Ihre wichtigsten Erzeugnisse sind: Kautschuk, Zucker, Kaffe, Kakao und Tabak. Die Gebiete sind nur wenig erschlossen und sehr dünn bevölkert. Sie sind von mächtigen Strömen durchzogen, von denen einzelne wegen der Wasserfälle nicht schiffbar sind. Das Eisenbahnnetz ist in den Nordstaaten nur sehr schwach entwickelt (5000 km).
Im Gebiete Amazonas (1,897.000 km2) spielen die Eisenbahnen gegenüber dem mächtigen Wasserverkehr nur eine ganz untergeordnete Rolle. Es gibt jetzt (1911) nur[480] die Bahn von Madeira und Mamoré, die die schiffbaren Teile dieser beiden Flüsse vereinigen soll (346 km, hiervon 152 km am 1. Januar 1911 eröffnet). Sie liegt 1700 km von der Küste entfernt im tropischen Urwald, umgeht die Wasserfälle des Madeira und soll die Ausfuhr des wichtigsten Handelsgegenstandes der Nordstaaten und Boliviens, des Kautschuks, erleichtern, der dann wieder auf dem Amazonenstrom und seinen Nebenflüssen ans Meer befördert wird.
Im Staate Para (1,150.000 km2) ist die nordbrasilianische Eisenbahn von Alcobaça nach Praia de Rainhas im Betrieb, die entlang den Stromschnellen des Rio Tocantins geht (84 km im Betriebe), und eine Linie von Belem nach Braganca (295 km), die nur örtlichen Bedürfnissen dient.
Ceara. Dieses Gebiet leidet unter den Folgen großer Dürre. Es finden sich nur zwei schiffbare Flüsse (Rio Itapicuru und Parnahyba).
Das Eisenbahnnetz ist noch im ersten Entwicklungsstadium. Bis jetzt wurden die Linie Caxias-Cajazeiras (78 km) sowie einige isolierte Linien (die Sobral-Eisenbahn [216 km] und die Baturibébahn [345 km]) gebaut.
Durch das Dekret vom 10. Mai 1911 wurde beschlossen, die Sobral- und Baturibélinien weiter auszubauen und neue Linien herzustellen, die beide untereinander verbinden (Fortaleza-S. Francisco und Girau-Cratheus), und anderseits Anschluß erhalten
a) an das Bahianetz, das südlicher liegt
b) an den Hafen von Sao-Luiz zur Verbindung mit der Caxiasbahn und an eine neue Bahn, die vom Staate selbst gebaut wurde, endlich an das Netz der Great Western.
Der Ausbau dieses Bahnnetzes wurde der »South American Construction Co.«, einer englischen Gesellschaft, überlassen; diese gründete eine Zweiggesellschaft (die »Brazil North Eastern Ry.«) die den Betrieb des Netzes übernehmen soll.
In den Nordoststaaten, Rio Grande do Norte, Parahyba, Pernambuco und Alagoas sind nahezu sämtliche Bahnen in den Händen der Great Western Ry., die am 1. Januar 1911 1335 km im Betrieb hatte. Die Bahnen gehören dem Staate, sind aber an vorgenannte Gesellschaft verpachtet. Ihr Netz umfaßt eine Reihe früher selbständiger Bahnen, nämlich der: Natal à Independencia (171 km), Conde d'Eu (165 km), Timbauba ao Pilar (39 km), Recife ao S. Francisco (125 km), Sul de Pernambuco (194 km), Central de Pernambuco (245 km), Central de Alagaos (150 km), Ribeirao a Cortez (29 km), Paulo-Affonso (116 km), Ramat de Campina Grande (80 km) und Recife ao Limoeiro e Timbauba (141 km). Die Bahnen stehen untereinander in Verbindung. Sie laufen an der Küste entlang von Natal (Rio Grande do Norte) nach Maceio (Alagaos). Einzelne Linien (Central de Pernambuco), besonders von Pernambuco aus, dringen aber auch schon ziemlich weit ins Innere des Landes vor.
Bis auf die Bahn von Recife ao S. Francisco haben alle Linien der Great Western 1 m-Spur. Die Recife ao S. Francisco hat 1∙6 m Spurweite. Sie ist die älteste Bahn der Nordstaaten (1858).
Neben der Great Western spielen die übrigen Bahnen in den Nordstaaten nur eine untergeordnete Rolle; es kommen noch folgende in Frage:
Die »Rio Grande du Nord«-Zentralbahn, die von der Regierung gebaut wird. Bisher sind 56 km im Betriebe. Nach Beendigung des Baues wird die Bahn 300 km lang sein. Sie führt von Natal nach Caico und dürfte nach ihrer Fertigstellung in das Netz der Great Western übernommen werden.
Es gibt ferner noch einige kleine Lokalbahnen, die von den Einzelstaaten konzessioniert wurden, u. zw.: Ribeiro-Barreiros (57 km lang, 0∙76 m Spurweite); die Linie Santos Dias (26 km lang; 0∙75 m Spurweite); die Linie Cachoeira-Lisa (25 km lang, 0∙75 m Spurweite); die Linie Recife-Caxanza (25 km lang, 1∙20 m Spurweite), endlich die Linie Recife-Olinda und Beribe (13 km lang, 1∙40 m Spurweite).
Bahia: Dieses Gebiet befindet sich zwischen dem Meere und dem in der Süd-Nord-Richtung parallel zur Küste laufenden Sao-Francisco-Flusse, der in seinem weiteren Verlauf einen großen Kreisbogen um die Stadt Bahia beschreibt, um sich ins Meer im Staate Alagaos (bei Penedo) zu ergießen. Er ist mit Ausnahme einer kleinen Stelle zwischen Jatoba und Peçanhas von Pirapora im Süden bis zu seiner Mündung schiffbar. Die nicht schiffbare Stelle ist durch die der Great Western Ry. gehörende Paulo-Affonso-Bahn (116 km lang) verbunden. Die Bahnen sind sämtlich sogenannte Stichbahnen, von der Küste aus ins Land hinein. Sie enden im Lande ohne Anschluß an andere Bahnen und sind meist auch untereinander nicht durch Schienenwege verbunden.
Die meisten Bahnen gehen von der Bucht von Bahia aus, u. zw.:
a) Nach Norden: die Bahia- und Sao-Francisco-Bahn mit einer Abzweigung nach Timho (206 km); der erste Teil der Bahn (124 km) hat 1∙6 m-Spur, die Fortsetzung aber nur 1 m-Spur.[481]
An die Bahia- und Sao-Francisco-Bahn schließt die Sao-Francisco-Bahn; von Alagoinhas nach Joazeiro (452 km von S. Francisco) an.
Sie hat 1 m-Spur. An der Übergangsstation Alagoinhas muß alles Gut umgeladen werden.
b) Nach Westen: die Central-Bahia (316 km bis 1911 eröffnet, Spurweite 1∙016 m). Die Bahn geht von S. Felix bis Machado Portella (259 km). Eine Zweigbahn führt von Cachoeira nach Feira de Sant' Anna (45 km). S. Felix und Cachoeira liegen an den Ufern des Flusses Paraguassu einander gegenüber. Sie sind durch eine Eisenbahnbrücke miteinander verbunden. Die beiden Plätze sind mit der Haupt- und Hafenstadt Bahia nur zu Wasser verbunden. Die Fahrzeit des Dampfers (3mal die Woche) beträgt etwa 56 Stunden. Alle bisher genannten Bahnen im Staate Bahia gehören dem Bunde.
c) Nach Süden: die Nazareth-Eisenbahn (im Jahre 1911 waren 185 km dem Verkehr über geben). Die Bahn führt von Nazareth nach José Marcellino und eine Zweigbahn nach Amargoza. Die Bahn gehört dem Staate Bahia. Die Spurweite beträgt 1 m. Die Verbindung mit Bahia ist, wie bei der Zentralbahn, nur auf dem Wasserwege möglich.
Die »Centre Ouest de Bahia« (52 km) gehört einer Gesellschaft gleichen Namens. Sie ist eine Zweigbahn der Bahia- und S.-Francisco-Bahn und führt von Aqua Comprida nach Santo Amaro (Spurweite 1 m). Die Eisenbahn Santo Amaro-Jacu, die vom Staate gebaut wurde und 36 km lang ist, führt von Santo Amaro nach Jacu.
Die wichtigste der vorgenannten Bahnen ist die Verbindung von Bahia nach Joazeiro (500 km). Wegen der verschiedenen Spurweiten muß auf diesem Schienenwege in Aqua Comprida umgeladen werden. Der Verkehr auf den Bahnen ist nur gering. Die Fahrt von Bahia nach Joazeiro dauert günstigstenfalls 2 Tage.
Die Verbindung mit dem im Norden liegenden Netz soll durch die (1911) im Bau befindliche (334 km) Bahn von Timho nach Propria an den Ufern des Rio Sao Francisco hergestellt werden, die an die Great Western Ry. anschließt.
Von Bahia nach Süden fehlt auf mehreren hundert km jede Bahn. Erst kurz vor der Grenze, zwischen Bahia und Esperito Santos, trifft man auf die Bahia- und Minas-Bahn. Sie gehört einer Privatgesellschaft und geht von dem Hafenorte Caravellas aus. Von der Bahn (376 km) liegen 142 km im Staate Bahia. Die Spurweite ist 1 m. Zur Verbindung des Südens und Nordens soll eine Verlängerung der Zentral-Bahia-Bahn gebaut werden, um die brasilianische Zentralbahn zu erreichen, und in der Mitte zwischen der Küste und dem Sao-Francisco-Fluß die Verlängerung der Nazareth-Bahn gegen Süden. Diese Bahn, die seit langer Zeit studiert wird, wird »Bahia-Südbahn« heißen und 1050 km Länge haben.
Die Bahn würde die Linie von Ilhéos nach Conquista kreuzen, deren Bau (200 km) im Zuge ist.
Mittelstaaten.
Die Mittelstaaten von B. (Rio de Janeiro, Esperito Santos, Minas Geraes und Sao Paulo) sind am meisten entwickelt. Ihre große Bedeutung haben die Staaten durch den Kaffeebau gewonnen. Daneben werden auch Häute, Mais, Weizen, Zucker, Reis, Baumwolle, Tabak und Mineralien gewonnen. Eingeführt werden Nahrungsmittel, Kohle, Maschinen und Gebrauchsgegenstände aller Art. Dementsprechend ist auch das Bahnnetz am weitesten ausgebaut. Ein großer Teil der Bahnen sind Staatsbahnen (3283 km) und werden hier vom Staate selbst verwaltet. Außerdem gibt es viele gut verwaltete und in finanziell günstiger Lage befindliche Privatbahnen (6810 km).
Rio und dessen Hinterland. In diesem Teile B. wird der Verkehr zum Teil auf den Flußwegen, zum Teil auf den Bahnen abgewickelt.
Die brasilianische Zentralbahn führt von Rio de Janeiro nach Pirapora, einem Punkt am Rio Sao Francisco, und wird von hier aus verlängert werden, um Anschluß an die Bahia-Zentralbahn zu erreichen.
Eine zur Küste parallel verlaufende Linie, die im Tale des Rio Parahyba liegt, ergibt eine Verbindung im Westen mit Sao Paulo und dessen Netz, im Osten in Porto Novo da Cunha, mit dem Netz der Leopoldinabahn.
Die ersten Strecken der Zentralbahn wurden im Jahre 1858 eröffnet. Sie führten von Rio de Janeiro aus nach Pyrahy und erforderten infolge der Überwindung der Seealpen hohe Kosten. Die Bahn gehört dem Staate und wird auch von ihm betrieben. Ihre Linien umfaßten im Jahre 1910 1746 km. Trotz ihrer günstigen Lage und ihres regen Verkehrs liefert die Bahn keinen Ertrag (s. Tabelle S. 487). Als Hauptgrund hierfür werden Überfluß an Personal und zu hohe Betriebsausgaben angegeben.
Die Hauptstrecken der Zentralbahn haben Breitspur. Auf der Strecke ins Innere liegt sie bis Burnier. Hier schließt die Meterspur an, die auch alle anderen in die Zentralbahn einmündenden Bahnen besitzen.
Eine große Gefahr für den Eisenbahnbetrieb bildet in den Gebieten, die die Zentralbahn durchzieht, das Wasser, da Gebiete mit sehr starken[482] Niederschlägen durchfahren werden. Oft gehen in ganz kurzer Zeit außerordentlich starke Regenmengen nieder. Auf gute Entwässerung der Bahnanlagen ist daher großer Wert gelegt.
Die Zentralbahn besitzt einen sehr lebhaften Vorortverkehr von und nach Rio. Mit Rücksicht auf diesen Verkehr ist die Strecke von Rio de Janeiro nach Mantigueiro viergleisig ausgebaut.
An die Zentralbahn schließt im Osten die Leopoldina Comp. an.
Ihr Netz ist das größte des ganzen Landes und umfaßte 1910 2484 km im Betrieb, 405 km im Bau. Von diesem Netz sind 1163 km Eigentum der Gesellschaft; 845 km fallen der Unionsregierung am 31. Dezember 1999, 880 km zum Teil der Unionsregierung, zum Teil den Einzelstaaten zu verschiedenen Terminen anheim.
Die Anfänge der Leopoldina stammen aus den Siebzigerjahren. Ihre Linien durchziehen vornehmlich die Staaten Rio de Janeiro und Esperito Santos, doch reichen auch einige Zweigbahnen in den Staat Minas Geraes hinein. Von besonderer Wichtigkeit für sie ist die seit 1892 erreichte selbständige Verbindung eines Teils ihrer Linien mit Rio de Janeiro. Früher war sie beim Verkehr nach Rio de Janeiro auf die Linien der Zentralbahn angewiesen. Dies war um so ungünstiger, als jene Bahn eine andere Spurweite hat. Neuerdings hat sie die Erlaubnis erhalten, auch ihre jetzt in Niteroy endenden Linien durch eine Bahn am. Golf entlang nach Rio einzuführen. Das Bahnnetz der Gesellschaft bildet ein einheitliches Ganzes und ist dadurch den meisten anderen Bahnen überlegen. Ihre Linien streben den Häfen Rio de Janeiro, Nitheroy und Campos zu. Durch eine Reihe von Querverbindungen ist für einen guten Zusammenhang der einzelnen Linien gesorgt, der durch die einheitliche Spur von 1 m unterstützt wird. Für einen Teil der Bahnen (187 km) ist von der Union eine Zinsgarantie bewilligt, die im Jahre 1918 abläuft, andere (892 km) genießen eine solche nicht, während die übrigen Linien (1405 km) von den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes und Esperito Santos genehmigt worden sind.
Die Linien der Leopoldiner Gesellschaft arbeiten mit Verlust, so daß die gewährleisteten Zinsen im vollen Betrag von der Union gezahlt werden müssen, das bedeutet aber nicht, daß die Bahnen unrentabel sind. Dies ergibt sich aus einer Betrachtung der finanziellen Ergebnisse der der Leopoldiner Bahn gehörigen Carangolobahn. Sie ist in der Zeit von 1873 bis 1883 mit Zinsgarantie des Staates gebaut, 223 km lang und führt von dem Hafenort Campos ins Innere des Staates Rio de Janeiro. Solange sie die Zinsgarantie erhielt, hat diese Bahn stets mit Verlust gearbeitet. Es mußten im Laufe der Jahre von der Regierung 8,552.405 Milreis Papier1, durchschnittlich also 372.000 Milreis jährlich gezahlt werden. Auch das Jahr 1904 schloß mit einem Verlust von 185.744 Milreis ab. Im folgenden Jahre aber, wo die Zinsgarantie fortfiel, ergab sich auf einmal ein Überschuß von 161.083 Milreis.
Das Minas-Geraes-Netz im Westen der ins Innere des Landes führenden Hauptlinie der Zentralbahn gelegen, ist zum Teil aus dem neuen Netz »Sud de Minas«, zum Teil aus der Goyazeisenbahn und zum Teil aus dem neuen Rio »Flumineuse«-Netz gebildet.
Das »Sud de Minas«-Netz wurde durch Bundesdekret vom 2. Dezember 1909 geschaffen und umfaßt folgende Linien:
a) die Sapucahybahn (532 km Betriebslänge);
b) die Rio- und Minasbahn (170 km);
c) die Muzambinhobahn (277 km); dieses Netz, zu dem auch 430 km Flußschiffahrt gehören, liegt im südlichen Teil des Staates Minas und mündet bei Cruzeiro in die Zentral bahn ein. Die Rio-, Minas- und die Muzambinhobahn sind Eigentum der Union. Sie sind ebenso wie ein Teil der neuen Linien, die das Netz vervollständigen sollen, auf 60 Jahre der Sapucahygesellschaft verpachtet. Die Linien haben 1 m Spurweite. Die Gesellschaft nennt sich »Compagnie des chemins de fer Fédéraux« und übertrug im Februar 1910 den Bau mehrerer neuer Linien der Compagnie Mogyana de Sao Paulo.
Westminas. Mehr im Norden besteht eine Gruppe von Eisenbahnen, die zum Teil die Meterspur- (223 km), zum Teil 0∙76 m (698 km) Spurbreite haben und »Westminasbahnen« (Oeste de Minas, 921 km) genannt werden. Die Bahngruppe gehört der Bundesregierung, die sie baut und selbst betreibt. Das Netz hat 921 km Betriebslänge; 580 km sind im Bau; außerdem gehören dem Netze noch 208 km Flußschifffahrt an. Die Bahn mündet bei Sitio in die Zentralbahn ein.
Goyazeisenbahn. Diese durchquert (61 km) Westminas, an dessen Netz (Oeste de Minas) sie in Formiga anschließt. Die Verlängerung der Bahn soll bei Catalaõ und Goyaz, der Hauptstadt, vorüberführen und ein Netz von mehr als 1400 km bilden, wozu noch Zweigbahnen kommen. Die Regierung übernahm vor kurzem den Bau auf eigene Rechnung und verpachtete die Bahn an die Gesellschaft, die die Linien stückweise dem Verkehr übergibt.
Flumineusenetz. Zur Verbindung des Süd- und Westminasnetzes mit der Goyazeisenbahn, die eine Verlängerung bis Rio herstellt, plant die Bundesregierung ein neues Netz zwischen dem »Sud-de-Minas«-Netz und Rio de Janeiro.
Sao Paulo und dessen Hinterland. Dieses Gebiet umfaßt den westlichen Teil Mittelbrasiliens, u. zw. die Staaten: Sao Paulo, und einen Teil von Goyaz und Matto Grosso. Der für dieses Gebiet in Betracht kommende Hafenort ist Santos.
Im Staate Sao Paulo fällt zunächst die eigenartige Gestaltung des Bahnnetzes auf. Die[483] Schwierigkeit, vom Meere aus durch das Küstengebirge ins Innere des Landes vorzudringen, führte dazu, nur eine Linie von Santos nach Sao Paulo zu bauen. Sodann hat die den Bahnen erteilte Konzession dazu geführt, den Bau von Querverbindungen zwischen den einzelnen Bahnen zu unterbinden. Diese Konzession billigte den einzelnen Bahngesellschaften das Recht zu, daß in eine Zone von 30 km zu beiden Seiten ihrer Strecke eine fremde Gesellschaft nicht vordringen durfte, und da die Bahnen in Sao Paulo mehreren Gesellschaften gehören, hatte dies zur Folge, daß meist zwischen den Linien verschiedener Bahnen ein 31 km breites, nicht von Bahnen durchzogenes Gebiet liegt. Eine aus besonderen Gründen zugelassene Ausnahme hiervon macht im Staate Sao Paulo nur die Companhia Paulista, die bei Ribeira Preto der Compagnia Mogyana bis auf 800 m nahe kommt.
Von 4460 km Bahnen im Jahre 1909 hatten 651 km 1∙6 m, 9 km 1∙36 m, 16 km 1∙05 m, 3551 km 1 m und 233 km 0∙6 m Spurweite. Der Wert dieser Bahnen dürfte etwas über 1/2 Milliarde betragen. Sie befinden sich zum weitaus größten Teil (2915 km) in Privathänden (Engländer, Brasilianer, Amerikaner). Von den Staatsbahnen gehören 301 km der Union und 1244 km dem Staate Sao Paulo.
Die Sao-Paulo-Bahn ist die älteste im Staate Sao Paulo und zugleich eine der ersten Bahnen in ganz B. Ihr Bau wurde im Jahre 1860 begonnen. Sie ist 1864 in Betrieb genommen. Sie führt von der Hafenstadt Santos nach Sao Paulo und von da nach Jundiahy. In sie münden alle Bahnen des Staates Sao Paulo direkt oder indirekt ein. Sie hat 1∙6 m Spurweite.
Die Linie von Santos nach Sao Paulo ist besonders bemerkenswert. Es war hier auf der kurzen Strecke von rund 11 km ein Höhenunterschied von fast 800 m zu überwinden. Man hat sich trotz der hohen Betriebsausgaben dazu entschlossen, eine Seilbahn zu bauen, bei der auf einer 10∙6 km langen Strecke in fünf Stufen dieser Höhenunterschied bewältigt wird.
Die anderen Linien dieses Gebietes gehen strahlenförmig von Sao Paulo aus und haben mit den Nachbarnetzen meist keine Verbindung.
Im allgemeinen sind die Linien folgendermaßen gruppiert:
die zentrale Verlängerung der Linie Santos Jundiahy ist die Hauptlinie der Paulistabahn; das im Norden von Sao Paulo gelegene Gebiet, das bis zur Grenze von Minas reicht, wird von der Mogyanabahn, das im Westen gelegene Gebiet von der Hauptlinie der Sorocobanabahn durchzogen.
Compagnia Mogyana. Die ersten Strecken dieser Bahn wurden im Jahre 1872 gebaut und 1875 in Betrieb genommen. 1909 umfaßte das Bahnnetz 1380 km, davon liegen 1046 km im Staate Sao Paulo. Die Linien durchqueren die reichen Kaffeegebiete des Staates Sao Paulo und dringen weit in das Innere B. bis an die Grenze von Gojaz vor. Obgleich diese Linien durch zum Teil noch wenig entwickelte Gebiete führen, ist die finanzielle Lage der Bahn günstig. Die Bahn hat bis auf eine 41 km lange Strecke nur 1 m-Spur, während die Paulistabahn, in die sie einmündet, eine Breitspurbahn (1∙6 m) ist. Die Bahngesellschaft hat im Jahre 1910 beschlossen, ihr Aktienkapital von 70 auf 80 Millionen Milreis zu erhöhen, um eine selbständige Schmalspurbahn nach Santos zum Meere zu bauen.
Die Hauptlinie wird über Araguary (in Minas) hinaus verlängert werden, wo sie in Catalaõ an ein der Goyazbahn überlassenes Netz anschließen wird.
Die »Paulista«-Compagnie, deren erste Strecken im Jahre 1872 eröffnet wurden, setzt sich aus 2 Sektionen (einer breitspurigen und einer mit Meterspur gebauten) zusammen. Die breitspurige führt von Jundiahy der Sao Paulo Ry bis Rio Claro und von dort weiter nach Barrettos nach Süden. Die Meterspur schließt in Rio Claro an und dringt bis Bauru nach Westen vor. Das hauptsächlich zur Verfrachtung kommende Gut ist Kaffee. Das Netz hatte 1908 1057 km (1910 1114 km) Länge, hiervon 279 km mit Breitspur, 738 km haben Meterspur und 41 km haben 0∙60 m Spurweite. An die Paulista-Bahn schließen einige Bahnen an, die aber bisher nur geringe Bedeutung haben. Die wichtigsten sind:
1. die Funileusebahn, zwischen der Paulista- und der Mogyanabahn (86 km), dem Staate Sao Paulo gehörig;
2. die Douradobahn, die die Ribeirao-Bonito-Zweiglinie entlang dem rechten Ufer des Rio Tiété verlängert;
3. die Eisenbahn von Araraquara, die von dieser Stadt aus nach Cuyaba geplant ist;
4. die Sao-Paulo- und Goyaz-Eisenbahn (noch wenig ausgebaut), von Bebedouro gegen die Nordgrenze führend.
Die Sorocabanabahn besteht seit dem Jahre 1865. Sie ist aus der Vereinigung der Sorocabana-Compagnie und Ituana-Compagnie (1891) hervorgegangen und hat derzeit ein Netz von 1310 km im Betrieb. Sie wurde durch das Gesetz vom 26. Juni 1904 vom Staate Sao Paulo für 3∙8 Mill. ₤ rückgekauft, der es der amerikanischen Brazil Ry. Co. am 22. Mai 1907 verpachtete.
Nach dem Vertrag mit der Regierung muß die Gesellschaft, die sie jetzt verwaltet, die Überschüsse bis zu einer Höhe von 1,300.000 ₤.[484] für die Fortführung der Linie, zur Verbesserung des Oberbaues und Verminderung der Steigungen von 20‰ auf 1∙7‰ verwenden. Außerdem ist sie zur Rückzahlung der vom Staate Sao Paulo bei ihrem Kauf von der Deutschen Bank erhobenen Anleihe verpflichtet.
Die Bahn hat Meterspur. Es müssen deshalb bei ihrer Einmündung in die Sao-Paulo-Bahn alle Güter umgeladen werden.
Die brasilianische Nordwestbahn, von Bauru ausgehend, wo sie sich sowohl an eine Linie der Sorocabanabahn als auch an eine der Paulistabahn anschließt, ist wichtig für die Entwicklung des Ackerbaues und hat auch strategischen Wert. Sie strebt über Corumba der Grenze Boliviens zu. Ihre Länge soll 1398 km betragen. Im Jahre 1910 waren 300 km im Betriebe.
Der im Staate Sao Paulo gelegene Teil ist der Gesellschaft konzessioniert worden. Der zweite, weitaus längere Teil (1000 km) soll von ihr auf Rechnung der Bundesregierung gebaut und betrieben werden (Dekret vom 25. April 1907).
Südstaaten.
Südbrasilien spielt im Ausfuhrhandel im Verhältnis zu den Nord- und Mittelstaaten keine große Rolle, da hier bei der Ausfuhr nur Tee und Häute besonders hervortreten. Für B. selbst sind diese Gebiete dagegen, da Nord- und Mittelbrasilien auf die Einfuhr von Nahrungsmitteln angewiesen sind, durch ihre Landwirtschaft von großer Bedeutung. Ihr Eisenbahnnetz ist noch erheblich weitmaschiger als das der Mittelstaaten, steht aber den Nordstaaten nicht nach.
Parananetz und benachbarte Gebiete.
Die Paranabahn, von Paranagua und dem gegenüberliegenden Antonina nach Ponta Grossa führend, hat, einige Abzweigungen eingerechnet, im ganzen 416 km.
In Ponta Grossa schließt die Bahn an die Sao Paulo-Rio Grande-Bahn an.
Im Staate Santa Catarina liegt die einzige deutsche Bahn in B. Sie führt von Itajahy nach Blumenau (die Santa Catarina Comp.).
1910 waren 30 km im Betriebe. Nach einem Vertrage mit dem Staate soll die Bahn auf Kosten desselben bis zur Sao Paulo-Rio Grande-Bahn fortgeführt werden.
Die wichtigste Bahn im Staate Parana ist die »Sao Paulo und Rio Grande«. Sie stellt eine Verbindung zwischen den Netzen der Sao Paulo und Rio Grande her. Ihre erste Strecke wurde 1900 eröffnet. An der Bahn (1 m-Spur) ist in den letzten Jahren eifrig gebaut worden, um die seit langem erstrebte Bahnverbindung der Süd- und Mittelstaaten zu erreichen. 1910 umfaßte sie 619 km. Die Bahn ist eine Privatbahn, aber mit Zinsgarantie der Union gebaut. Sie wird, sobald die Verbindung mit den Bahnen von Rio Grande und dadurch auch mit Uruguay erreicht ist, eine große Umwälzung des Verkehrs zwischen den Süd- und Mittelstaaten, die bisher nur auf den Seeverkehr angewiesen waren, hervorrufen, sofern sich die verschiedenen für den durchgehenden Verkehr in Frage kommenden Bahnen über den Übergang der Wagen und zweckmäßige Tarife einigen.
Rio Grande do Sul-Netz.
Fast das ganze Netz wurde mit Dekret vom 6. Juni 1905 an die »Compagnie Auxiliaire des chemins de fer au Brésil« (Viacao ferrea) vom Staate einer belgischen Gesellschaft verpachtet, die sie sehr gut verwaltet.
Die Compagnia auxiliare schließt an die Rio Grande-Sao Paulo-Bahn an. Sie durchzieht die Gebiete des Staates Rio Grande do Sul und umfaßte 1910 1792 km. Das Anlagekapital verzinst sich mit über 6%. Auch auf ihren Linien wird sich nach Fertigstellung der Verbindung mit Sao Paulo und Uruguay (Sao Paulo-Rio Grande-Bahn) ein wesentlicher Umschwung vollziehen. Die Bahn ist bemüht, ihr Netz weiter auszubauen. Zu Beginn des Jahres 1911 sind Verhandlungen zwischen dem Verkehrsministerium und der belgischen Bahngesellschaft zum Abschluß gekommen, wonach bis zum Jahre 1915 830 km neue Eisenbahnen gebaut werden sollen. Von den Kosten bezahlen die Bundesregierung und die Bahngesellschaft je die Hälfte.
Die einzige selbständig gebliebene Bahn des Staates Rio Grande do Sul ist jene von Quarahim nach Itaqui (176 km lang), die man bis Sao Borja verlängert, und die der »Brazil Great Southern Ry.« konzessioniert wurde.
III. Rückblick auf die bisherige Entwicklung. Neue Eisenbahnpläne.
Faßt man die Entwicklung zusammen, so ergeben sich folgende Netze:
1. die North Eastern Ry. (Cearanetz);
2. die Great Western Ry. (Netz der Nordoststaaten);
3. das Netz der Bahiabahnen;
4. die Leopoldina Zentralbahn, Sud Minas und West Minas (Hafenort Rio de Janeiro);
5. die Mogyana-, die Paulista-, die Sorocabana und Sao Paulo-Bahn (Hafenort Santos);
6. die Sao Paulo- und Rio Grande-Bahn;
7. die Compagnie Auxiliaire des chemins de fer au Brésil (Rio Grande do Sul-Netz).
Beachtenswert ist das Vordringen amerikanischen Kapitals in B., das sich am deutlichsten[485] in der wirtschaftlichen Entwicklung der »Brazil Ry.« zeigt.
Die zurzeit schwebenden Neubaupläne beziehen sich insbesondere auf Erschließung der weiteren Gebiete von Gojaz und Matto Grosso und auf Herstellung einer Verbindung mit Bolivien, Uruguay und Paraguay. Zur Förderung des Eisenbahnnetzes in den Staaten Rio de Janeiro, Minas Geraes und Espirito Santo ist mit der Leopoldiner Eisenbahngesellschaft ein Vertrag abgeschlossen worden. Darnach wird die Bahn unter Zusicherung von Zollbegünstigungen ihr Eisenbahnnetz in diesen Staaten weiter ausbauen. Anschließend sind Vorarbeiten für die Verbindung der Nordstaaten (Bahia u.s.w.) mit den Mittelstaaten (Rio de Janeiro) ausgeführt worden. Die Linie soll von Derubadiuha im nördlichen Minas Geraes nach Santa Anna in Bahia führen und würde rund 1100 km lang sein. Es erscheint aber zweifelhaft, ob diese Linie bei den günstigen Schiffahrtsverhältnissen zu stande kommen wird.
In den Mittelstaaten dringt die Mogyanabahn bis an die Grenze von Gojaz vor. Von dort ab will eine neugegründete Gesellschaft die Hauptstadt des Staates Gojaz erreichen.
Ein Gebiet, das schon seit jeher günstige Verbindungen mit dem Meere erstrebt, ist das über 16 Breitegrade sich erstreckende Matto Grosso. Am wahrscheinlichsten ist hier die Erreichung Corumbas von Bauru aus, einem Endpunkt der Sorocobanabahn, durch die dort beginnende und im Bau befindliche Noroeste do Brasil. Die noch zu erbauende Strecke ist fast 1400 km lang und würde etwa 150 Mill. M. kosten. An der Bahn ist in den letzten Jahren sehr eifrig gebaut worden (vgl. Tabelle S. 487, Die Bauru-Anhangahy-Bahn), der erste Teil (eröffnet 1911) reicht von Bauru nach Itopara am Parana und mißt 437 km. Diese Teilstrecke genießt eine Zinsgarantie von 6%, aber nur soweit, als die Kosten rund 38.000 M. f. d. km nicht übersteigen. Die zweite Strecke reicht von Itopara nach Porto Esperanza. Sie wird auf Kosten der Bundesregierung gebaut. Hier bieten die Sümpfe des Paraguay (40 km) ein großes Hindernis. Bisher sind von Porto Esperanza 250 km und vom Parana (Itopara) aus 150 km vollendet. Das sind etwa 40% der gesamten Teilstrecke von 966 km. Durch sie würde Bolivien auf kürzestem Wege mit dem Atlantischen Ozean verbunden. Ein anderes Projekt will Matto Grosso von Bibeirosiwa aus, dem Endpunkt der Paulistabahn, erreichen.
Aussicht auf baldige Vollendung hat die Verbindung Rio de Janeiro mit Rio Grande do Sul und Uruguay. Die Regierung ist eifrig bestrebt, den Bau dieser Bahn zu fördern. Mittels dieser Bahn würde man in kurzer Zeit von Montevideo nach Rio de Janeiro gelangen und wäre nicht mehr auf den Seeweg angewiesen. Die Bahn hat dadurch besondere Bedeutung, daß die Mittelstaaten Brasiliens (Rio de Janeiro u.s.w.) auf die Einfuhr von Lebensmitteln (Getreide, Fleisch u.s.w.) angewiesen sind, die sie zum großen Teil aus Argentinien, Uruguay und den Südstaaten beziehen. Diese Sendungen würden der Bahn zufallen. In den letzten Jahren (19081910) ist das Netz der Sorocobana-Bahn um fast 200 km vergrößert worden. Gleichzeitig sind auch die Gleise der anschließenden Sao Paulo-Rio-Bahn (Tabelle S. 487) verlängert worden. Das wichtigste Bindeglied, das für die durchgehende Verbindung von Sao Paulo nach Montevideo noch fehlt, ist die Überbrückung des Uruguay. Nach Fertigstellung der Bahn wird man die 2750 km lange Strecke von Porto Alegre nach Rio de Janeiro in 96 Stunden zurücklegen können. Die Verbindung Porto Alegres mit Montevideo ist bereits durch Ausbau der bisher fehlenden Strecke von Cacequi nach S. Anna de Livramento hergestellt. Die Fahrt dauert 3 Tage.
IV. Verwaltung, Verkehr und Betrieb der Eisenbahnen.
Die Verwaltung ist bei allen Bahnen ziemlich gleich.
An der Spitze steht ein Leiter, meist Superintendent genannt, dem 4 Abteilungsvorstände u.zw.: für 1. den Betrieb, 2. die Linie (Bau), 3. die Lokomotiven und Wagen und 4. die Finanzen und Tarife unterstellt sind.
Bei der Compagnia Paulista besteht die Betriebsleitung aus 2 Abteilungen, einer für die für die 1-m-Spur und einer für die Breitspur.
Was die Verkehrsverhältnisse anbelangt (vgl. Tabelle S. 487), so ist die Stärke des Personenverkehrs sehr verschieden. Während auf der Zentralbahn infolge des regen Vorortverkehrs (der 90% des gesamten Verkehrs ausmacht) durchschnittlich 12.500 Personen auf 1 km im Jahre befördert werden, kommen auf der Bahn San Francisco nur 45 Personen auf das km. Nächst der Zentralbahn weist die Bahn von Santos nach Sao Paulo den stärksten Personenverkehr auf.
Der Güterverkehr ist bei der Sao Paulo-Bahn bei weitem am stärksten. Dies erklärt sich daraus, daß alle Bahnen des Staates Sao Paulo in diese eine Bahn einmünden und ihr so der gesamte Verkehr dieses hoch entwickelten und besonders für die Kaffeeerzeugung wichtigen Staates zufällt.
Die Tarife sind im Personenverkehr im allgemeinen beträchtlich höher als in Deutschland, da man der dortigen ersten Klasse höchstens die zweite und der dortigen zweiten Klasse die dritte Klasse deutscher Bahnen gleichstellen kann. (I. Kl. durchschnittlich 610 Pf. und II. Kl. 2∙55 Pf, f. d. km, gegen 7∙9 Pf. und 4∙8 Pf. f. d. km in Deutschland.)
Der Betrieb der brasilianischen Eisenbahnen leidet sehr unter dem Mangel einer einheitlichen Spurweite. Trotz des gebirgigen Charakters des Landes wurden die ersten Bahnen mit Breitspur (1∙6 m) gebaut. Diese war in den weiten ebenen Gebieten Argentiniens wohl am Platze, in Brasilien aber durchaus unzweckmäßig.
Je schwieriger es nun wurde, für die Fortführung der Bahnen Baukapital zu bekommen und eine gute Verzinsung zu erzielen, um so mehr erkannte man den Fehler, den man mit der Wahl der Breitspur gemacht hatte. Man ging daher dazu über, beim Ausbau der vorhandenen und beim Bau neuer Linien nur noch die Schmalspur (1∙0 m) anzuwenden. Die Baukosten wurden dadurch beträchtlich ermäßigt. Dafür ergab sich aber der Nachteil,[486] daß beim Übergang von der Schmal- zur Breitspurbahn alle Güter umgeladen und alle Reisenden umsteigen mußten. So lange die Breitspurbahnen überwogen, machte sich diese Verkehrserschwernis nicht so bemerkbar; je mehr sich jedoch das Schmalspurnetz ausbreitete und die Breitspurbahnen der Kilometerzahl nach überflügelte, um so mehr traten die Nachteile der verschiedenen Spurweiten in die Erscheinung. Nur eine Bahngesellschaft, die Leopoldinerbahn, hat sich davon durch Schaffung eines einheitlichen, unabhängigen Schmalspurnetzes frei gemacht.
Betriebsergebnisse der brasilianischen Eisenbahnen im Jahre 1908.
[487] V. Technische Angaben.
Da B. ein zur Meeresküste steil abfallendes Hochland von ungefähr 1000 m mittlerer Meereshöhe ist und zum Teil von tiefeinschneidenden Flußtälern durchzogen wird, boten sich insbesondere für die von den Küstenstädten ausgehenden Linien durch die auf kurzen Strecken zu bewältigenden Steigungen sowie Überbrückungen von Tälern u. dgl. für den Bau große Schwierigkeiten.
Die Paranabahn erreicht beispielsweise einmal auf 48 km Streckenlänge eine Höhe von 888 m, die Mogyanabahn 451 m auf 16 km und die als Seilbahn gebaute Linie von Santos nach Sao Paulo sogar 776 m auf 12 km.
Nach der Spurweite geordnet, gab es am 1. Januar 1911 mit:
Spurweite | km |
1∙60 m | 1422 |
1∙40 m | 12 |
1∙36 m | 9 |
1∙21 m | 25 |
1∙10 m | 63 |
1∙067 m | 316 |
1∙05 m | 16 |
1∙00 m | 18.628 |
0∙76 m | 743 |
0∙60 m | 173 |
Die Höchststeigung für Breitspurbahnen (1∙6 m) beträgt 25%, für Schmalspurbahnen (1∙0 m) 30%.
Außer der eben erwähnten Seilbahn gibt es in B. auch einige Zahnradbahnen, darunter jene von Rio de Janeiro nach dem Corcovado, die bei einer Länge von 3∙7 km 667 m Höhe erklimmt. Eine der Leopoldinergesellschaft gehörende Linie mit gemischtem Zahnrad- und Reibungsbetrieb führt von der Bai von Rio zur Gesandtenresidenz Petropolis hinauf.
Als Bettungsmaterial wird vorzugsweise Erde verwendet, die sehr sandig ist und wenig vegetabilische Stoffe enthält. Sie bildet unter dem Einflüsse der Sonnenhitze rasch eine harte Kruste an der Oberfläche, die gute Entwässerung gestattet. Die Schwellen erreichen in diesem Bettungsmaterial ohne Tränkung eine mittlere Liegedauer von 8 bis 10 Jahren.
Für die Spurweite von 1 m werden Schienen mit einem Gewicht von 23 bis 25 kg f. d. m verwendet. Auf einigen neuen Linien ist man bis 30 und 32 kg f. d. m und darüber gegangen. Für die Spurweite von 1∙60 m werden Schienen mit einem Gewichte von 50 kg f. d. m verwendet.
Die Wasserläufe schwellen infolge der oft in sehr kurzer Zeit fallenden großen Regenmengen in ganz bedeutendem Maße an und sind daher in B. große Brückenbauten notwendig.
Die größte Brücke ist die über den Rio Santa Maria (Rio Grande-Bahn) führende, die etwa 1550 m Länge hat.
Von anderen großen Eisenbahnbrücken wären zu erwähnen:
Die größte Spannweite beträgt 136 m.
Große Anforderungen werden an die Lokomotiven bezüglich ihrer Einstellbarkeit beim Durchfahren der starken Krümmungen gestellt.
Die Lokomotiven sind überwiegend in Amerika und England, zum geringen Teil in Deutschland (Borsig) erzeugt. Seit kurzem beginnt die Mogyanabahn in ihren Werkstätten in Campinas die Lokomotiven selbst zu bauen. Zur Verteuerung gelangen Holz, die Nüsse der Auracariapflanze, Steinkohle und auch Briketts. Die Kohle muß vom Auslande (England) eingeführt werden.
Literatur: Archiv für Eisenbahnwesen 1895, 1902 und 1910. Kemman, Südamerika und seine Bahnen. Jännecke, Brasilien und seine Bahnen. Estatistica dos Estrados de ferro da Unia et dos Fiscalisados dela Uniao 1907, 1908, 1910. Anadros Estatisticos dos Estrados de Ferro do Estador de Sao Paulo 1899. Estrado de Ferro Sorocobana, Relatorio 1906. Sao Paulo Railway, Novos Plavos Inclinados 1907. Bettmann, Brasiliens Aufschwung. Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1909. Schmedes, Die Werkstätten der Magyanabahn. Archiv für Eisenbahnwesen, 1910. Offermann, Die neueste Entwicklung der Eisenbahnen Argentiniens. L. Wiener, Les chemins de fer du Brésil. Révue gén. 1911 und 1912.
Jänecke.
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