Bremsschuh

[59] Bremsschuh, Hemmschuh (scotch block; sabot d'enrayement; scarpa die arresto), Vorrichtung zum Aufhalten einzelner Wagen oder Wagengruppen beim Entrollen sowie auf Abrollgleisen.

Der B. wird in einer gewissen Entfernung von dem Platze, wo der Wagen anhalten soll, auf eine Schiene gelegt. Das eine Vorderrad läuft auf (Abb. 74) und kommt dadurch sofort oder nach kurzer Zeit außer Drehung. Schuh und Rad gleiten auf der Schiene, ebenso das andere auf derselben Achse sitzende Rad. So kommt der Wagen nach kurzer Zeit zum Stehen; er läuft dann vielfach infolge der Bauart mancher B. rückwärts von diesen herunter, so daß die Schuhe aus dem Gleis gehoben werden können.

Zur Aufhaltung entrollter Wagen auf der Strecke wird der Seemannsche B. vielfach verwendet. Er besteht aus einer Flachschiene, deren eines Ende zugeschärft und an deren anderem Ende ein Holzkörper befestigt ist; die eine Seite dieses nach dem mittleren Raddurchmesser kreisbogenförmig ausgearbeiteten Holzkörpers ist gegen das zugeschärfte Ende der Schiene gekehrt. Zu beiden Seiten sind Eisenstangen angebracht, die in Kloben hängen und den Zweck haben, den auf die Schiene gestellten B. gegen das Umkippen zu sichern. Solche B. werden in Gefällsstrecken bei den Wärterhäusern hinterlegt, um von dem Wärter im Bedarfsfalle verwendet zu werden.

Der B. von Rosenbaum (Abb. 75) ruht auf der Sohle A, die durch zwei seitliche[59] Führungslaschen auf der Schiene geführt wird. Auf der Sohle sitzt das Sattelstück oder der Bock C und hierauf die Kappe oder Bremsbacke K. Weitere wesentliche Bestandteile sind die Sohlenspitze B und der Handgriff S. Die Sohlenspitze ist zugeschärft, um das Auflaufen des Rades zu erleichtern. Bei manchen Hemmschuhbauarten sind die Sohle, das Sattelstück und der Handgriff zu einem Ganzen verbunden, die Sohlenspitze und die Kappe, die häufigerer Erneuerung bedürfen, aber leicht auswechselbar. Bei dem in Abb. 76 dargestellten B. (Büssing) sind dagegen die Sohle und die Sohlenspitze aus einem Stück hergestellt; nach Verschleiß der Spitze ist sie nach der Linie a–b abzuschneiden und durch eine neue Sohlenspitze (wie punktiert) zu ersetzen. Bei diesem B. sind die Seitenlaschen im Gegensatz zu dem in Abb. 74 dargestellten bis an die Spitze herangeführt und so abgeschliffen, daß sie im ersten Augenblick der Berührung keilartig zwischen Spurkranz und Schienenkopf eingeklemmt werden. Durch die Verlängerung der Laschen bis zur Spitze wird die Haltbarkeit der Sohle erhöht und das Aufbiegen verhindert; man kann mit sehr geringen Sohlenstärken auskommen, wodurch das Anheben der Wagen auf ein Kleinstmaß verringert wird.

Wo die Schienen teilweise breitgefahren oder an der Außenkante eingepflastert sind, oder wo die Stoßlaschen des Gleises an der Außenseite beinahe bis zur Schienenoberkante emporragen, sind zweilaschige B. nicht brauchbar, da sie sich festsetzen würden. In solchen Fällen werden daher B. mit Innenlasche und Außenfeder angewandt (Abb. 77, Büssing). Diese Federbremsschuhe können je nach ihrer Bauart nur auf der rechten oder nur auf der linken Schiene verwendet werden, weil die Feder stets außen liegen muß; und lediglich den Zweck hat, die Innenlasche fest an den Schienenkopf heranzuziehen; irgend einen Einfluß auf das Bremsen hat sie nicht. Ähnlich ist die Wirkung des in Abb. 78 dargestellten Federlaschenbremsschuhes von Rosenbaum. Außer den dargestellten B. gibt es noch eine große Anzahl anderer Bauarten. In früherer Zeit wurden die B. mit Rollen versehen, doch haben sich diese nicht bewährt.

Beschädigte B. müssen sofort aus dem Betrieb entfernt werden, um Störungen zu vermeiden. Im allgemeinen wird empfohlen, bei flotterem Rangierbetrieb möglichst viel B. gleichzeitig in Benutzung zu nehmen, um eine allzustarke Erhitzung der Spitzen und Bremsbacken zu vermeiden. Auch ist es zweckmäßig,[60] die B. auf der unteren Seite der Sohle mit Öl oder Graphit zu schmieren, besonders bei trockenem Wetter oder sehr starkem Regen, weil in beiden Fällen die Reibung sehr groß wird, der Hemmschuh sich festsetzt und das Rad über ihn hinwegspringt. Bei nebligem Wetter oder nach Schneefällen muß man unter Umständen die Reibung durch Sandstreuen erhöhen. Bei sehr starker Kälte empfiehlt es sich, die B. vor dem Gebrauch etwas anzuwärmen, da sie andernfalls leicht brechen.

Von größtem Einfluß auf die Lebensdauer des B. ist die Beschaffenheit des Stahls, der für die Sohle verwendet wird. Das Gewicht der B. soll möglichst gering sein (etwa 61/2 kg), um die Handhabung zu erleichtern und die Arbeiter nicht zu rasch zu ermüden. B. werden auf den europäischen Eisenbahnen in großem Umfang angewandt. In England und Amerika haben sie sich nicht einzubürgern vermocht, da besonders das Auffangen schwerer Wagen mit Drehgestellen durch B. leicht zu Beschädigungen führt. (Bulletin d. Int. Eis.-Kongr. Verb. 1911 S. 1282) (s. Bremsschlitten, Gleisbremse, Gleissperre, Klemmkeil, Vorlegekeil).

Literatur: Eis. T. d. G. III, 2. Wiesbaden 1902. Hb. d. Ing. W. V, 4, 1. Leipzig 1907. – Hb. des Eisenbahnmaschinenwesens. II. Verschubdienst, Berlin 1908. – Ztg. d. VDEV. 1912 No. 20, Winke für die Handhabung der Hemmschuhe und Bedienung der Gleisbremsen auf Verschiebebahnhöfen.

Oder.

Abb. 74.
Abb. 74.
Abb. 75. Bremsschuh von Rosenbaum.
Abb. 75. Bremsschuh von Rosenbaum.
Abb. 76. Bremsschuh von Büssing.
Abb. 76. Bremsschuh von Büssing.
Abb. 77. Federbremsschuh von Büssing.
Abb. 77. Federbremsschuh von Büssing.
Abb. 78. Federlaschenbremsschuh von Rosenbaum.
Abb. 78. Federlaschenbremsschuh von Rosenbaum.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 59-61.
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