Darjeeling-Himalaya-Eisenbahn

[260] Darjeeling-Himalaya-Eisenbahn, 82 km lange, mit Dampflokomotiven betriebene Schmalspurbahn (mit einer Spurweite von 61 cm = 2' engl.) zur Verbindung des Ortes Siliguri mit dem auf einer Höhe von 2185 m über dem Meere gelegenen Höhenkurort Darjeeling in der britisch-indischen Provinz Bengalen.

Die Bedeutung der Bahn liegt in der Erschließung des großartigen Gebirgspanoramas des Himalaya für Touristen und eines der wichtigsten Luftkurorte für die in den heißen Ebenen Vorderindiens beständig von dem Fieber[260] bedrohten Europäer. Außerdem ist die Bahn Abfuhrlinie für Tee, von dem hier jährlich etwa 4000 t gewonnen werden. Man erreicht Darjeeling von Calcutta aus auf der Eastern-Bengal-Staatsbahn, die zunächst breitspurig (s = 1∙67 m) bis Damookdeah an den Ganges und dann – nach seiner Überschreitung mittels Fähre – von dem am anderen Ufer gelegenen Sara Ghat mit 1 m Spur bis Siliguri führt.

Die D.-Bahn ist in den Jahren von 1879 bis 1881 als Privatbahn mit einem Kostenaufwand von 1,750.000 Rupien (= 2,300.000 M.) erbaut; infolge von baulichen Verbesserungen ist das Kapital auf 3,196.000 Rupien (= 4,200.000 M.) angewachsen, so daß die Baukosten von 1 km Bahnlinie etwa 51.000 M. betragen. Die Bahn, deren Lageplan in Abb. 233 dargestellt ist, folgt im allgemeinen der Bergstraße. Ihr Scheitelpunkt (s. Abb. 234), bis zu dem eine Höhe von 2130 m überwunden wird, liegt bei Station Ghoom etwa in km 76∙2 auf 2250 m ü. d. Meere. Der Bahnlänge von 82 km steht eine Luftlinie von nur rund 37 km gegenüber. In den Luftlinien zwischen den einzelnen Stationen sind, wie Abb. 234 erkennen läßt, durchschnittliche Steigungen bis zu 160 vorhanden, die durch umfangreiche Längenentwicklungen mit mehreren Schleifen (s. Abb. 235) und Spitzkehren ermäßigt sind. Die Spitzkehren sind stets als doppelte angelegt, so daß die Lokomotiven, nachdem sie den Zug über den zwischen den beiden Kehren liegenden Teil heraufgedrückt haben, immer wieder an die Spitze des Zuges gelangen. Infolge der großen Längenentwicklungen liegen 67% der ganzen Bahnlinie in Halbmessern von ≦ 61 m. Die früher vorhandenen kleinsten Halbmesser von 15 m sind inzwischen auf 18 m erhöht worden. Die zwischen Gegenkrümmungen vorhandenen Zwischengeraden sind nur wenig über 2 m lang. Die bei der ersten Anlage vorhandenen stärksten Steigungen von 52∙6% (= 1 : 19) sind nachträglich ermäßigt worden und betragen ohne Rücksicht auf die Bogen in längeren Strecken 34∙5 (= 1 : 29), auf kurze Längen 43∙5 (= 1 : 23). Die ungünstige Linienführung der Bahn, die auch keine gleichmäßig durchgehende Steigung aufweist, war eine Folge ihrer Anschmiegung an die vorhandene Gebirgsstraße, die sich unter Ausnutzung der vielen kleinen Seitentäler in zahlreichen Kehren bergan[261] windet und nun beständig von der Bahn gekreuzt wird.

Der Unterbau weist eine Reihe von Kunstbauten auf. Der Oberbau besteht aus Breitfußschienen von 35 kg/m Gewicht auf hölzernen Querschwellen. Die Bahnhöfe haben einfache Empfangsgebäude und z. T. Kreuzungsgleise, von denen einige zur Ersparung von Stationslänge nur einseitig angeschlossen sind.

Die zweiachsigen Wagen, die aus Abb. 235 ersichtlich sind, haben eine Gesamtlänge von nur 3 m und einen Achsstand von 1∙05 m. Für die Personenbeförderung sind drei Klassen vorhanden, von denen die erste und zweite fast nur von Europäern, die dritte ausschließlich von Eingeborenen benutzt wird. Die Wagen sind als Aussichtswagen offen. Die Lokomotiven wiegen 12 und 14 t und sind im stände, einen Zug von 50 t Gewicht zu befördern.

In letzter Zeit wurden auf der D. neue von Garratt entworfene und von der Lokomotivfabrik Bever, Peacock & Co. in Manchester gebaute Lokomotiven in Betrieb genommen, die sich vermöge ihrer besonderen Bauart für das Durchfahren der scharfen Krümmungen in hervorragender Weise geeignet erwiesen haben.


Wie Abb. 236 erkennen läßt, besteht die Garratt-Lokomotive aus drei Hauptteilen, von denen der mittlere den Dampfkessel trägt. Das Neue der Anordnung besteht darin, daß dieser Kesselteil überhaupt keine Räder hat, sondern wie eine Sänfte von dem Vorder- und Hinterteil getragen wird. Diese beiden mit Achsen versehenen Teile vereinen in sich je eine Dampfmaschine und einen Tender. Jeder Teil hat eine Treib- und eine Tragachse. Die Treibachse wird von dem Dampfzylinder aus angetrieben. Genau über ihrer Mitte ruht der Drehzapfen für das Sänftengestell des Kessels. Auf diese Weise wird, das Gewicht des schweren Kesselteiles nutzbringend für die Schienenhaftkraft verwendet und kommt in seiner ganzen Größe zur Ausnutzung. Die beiden Tenderbehälter bergen jeder das nötige Speisewasser und der hintere auch die Kohlen. Außerdem sind noch unter dem Kessel Wasserbehälter angebracht. Die Einrichtung ist so getroffen, daß die im Verlaufe der Fahrt stattfindende Entnahme von Wasser und Kohlen in keiner Weise das gesamte Gleichgewicht stört. Bei den Versuchsfahrten in der Fabrik zeigte die Lokomotive mit den verschiedensten Geschwindigkeiten auffallend ruhigen Gang.


Die Fahrgeschwindigkeit beträgt 14 bis 19 km/Std., die Reisegeschwindigkeit etwa 12 km/Std. Die Fahrt von Calcutta nach Darjeeling nimmt etwa 20 Stunden in Anspruch. Die Fahrpreise sind mit 31, 15 und 4∙5 Pf./km wesentlich höher als die sonst bei den indischen Eisenbahnen üblichen Einheitspreise.

Literatur: Ztschr. f. Kleinb. 1897. S. 354 und 1904. S. 714.

Giese.

Abb. 233. Linienführung der Darjeeling-Himalaya-Eisenbahn.
Abb. 233. Linienführung der Darjeeling-Himalaya-Eisenbahn.
Abb. 234. Längenschnitt der Luftlinien zwischen den einzelnen Stationen der Darjeeling-Himalaya-Eisenbahn.
Abb. 234. Längenschnitt der Luftlinien zwischen den einzelnen Stationen der Darjeeling-Himalaya-Eisenbahn.
Abb. 235. Schleife der Darjeeling-Himalaya-Eisenbahn zwischen den Stationen Tindaria und Gybaree.
Abb. 235. Schleife der Darjeeling-Himalaya-Eisenbahn zwischen den Stationen Tindaria und Gybaree.
Abb. 236. Ansicht der Garrattschen Krümmungslokomotive. (Ausführung: Lokomotivfabrik Bever, Peacock & Co., Manchester.)
Abb. 236. Ansicht der Garrattschen Krümmungslokomotive. (Ausführung: Lokomotivfabrik Bever, Peacock & Co., Manchester.)
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 260-262.
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