Diensteid der Eisenbahnbediensteten

[334] Diensteid der Eisenbahnbediensteten (oath of office of the functionaries; serment du personnel des chemins de fer; giuramento che si presta sull' entra in carrico), Amtseid, die besonders feierliche Zusage des Amtsinhabers (Beamten), die ihm durch sein Amt auferlegten Pflichten getreulich erfüllen zu wollen.

Der Beamte hat den D. im allgemeinen bei Antritt des Dienstes abzuleisten. Der D. ist ein promissorischer Eid, dessen Verletzung nicht als Meineid oder Eidbruch, sondern[334] durch Bestrafung wegen begangener Dienstvergehen geahndet wird. Er soll dem Beamten ein religiöser Antrieb zu erhöhter pflichtgemäßer Aufmerksamkeit und zu gewissenhafter Erfüllung seiner Obliegenheiten sein. Im übrigen wird aber das Staatsbeamtenverhältnis nicht durch die Ableistung des Dienst- und Verfassungseides, sondern allein durch die Anstellung als Beamter, durch die Berufung und deren Annahme begründet. Ein jeder, dem ein öffentliches Amt von einer Behörde provisorisch oder dauernd anvertraut wird, übernimmt dadurch zugleich alle mit diesem Amte verbundenen Pflichten. Läßt er sich ein Amtsvergehen oder Verbrechen zuschulden kommen, so finden die darauf angeordneten Strafen ihre Anwendung, ohne Unterschied, ob er einen D. geleistet hat oder nicht. Man nimmt daher gewöhnlich an, daß der D. lediglich eine Sicherstellung für den Dienstherrn ist und daß der Rechtsgrund, auf dem die Befugnis zu Amtshandlungen beruht, der Auftrag ist, der nicht durch äußere Umstände in seiner Wirksamkeit bedingt sein kann.

Ein D. kann in der Regel nur von einer öffentlichen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde abgenommen werden. Es kann daher von einem D. nur bei Beamten der Staatsbahnen die Rede sein. Soweit eine Vereidigung bei Privateisenbahnverwaltungen vorkommt, handelt es sich um keinen D. sondern um einen Polizeieid, der von den zur Ausübung der Bahnpolizei berufenen Bahnbediensteten durch die Aufsichtsbehörde abgenommen wird.

Der D. verpflichtet den Schwörenden nicht nur für die zur Zeit der Eidesleistung von ihm bekleideten, sondern auch für alle ihm etwa später zu übertragenden Ämter.

Die Beeidigung der höheren Beamten der preußisch-hessischen Staatseisenbahnen erfolgt nach ihrer Ernennung zum Gerichtsreferendar oder zum Regierungsbauführer. Bezüglich des mittleren und unteren Personals der Staatseisenbahnverwaltung ist angeordnet, daß den D. zu leisten haben:

a) die unmittelbaren Staatsbeamten,

b) alle sonstigen Betriebs- und Bahnpolizeibeamte ohne Rücksicht auf die Art und Dauer des Dienstverhältnisses.

Alle übrigen dauernd oder vorübergehend mit Beamtenverrichtungen betrauten Hilfskräfte, die nicht zu den Bahnpolizeibeamten gehören, sind durch Handschlag an Eidesstatt zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Dienstobliegenheiten zu verpflichten. Über die Verpflichtung ist eine schriftliche Verhandlung aufzunehmen. Versorgungsberechtigte Dienstanfänger, die noch dem Truppenverbande angehören, sind erst nach der Entlassung aus dem Militärdienst zu vereidigen. Soweit die Vereidigung nicht bei der Eisenbahndirektion erfolgt, ist sie durch den Amtsvorstand persönlich zu bewirken. Nur wenn bei länger dauernder Behinderung des Amtsvorstandes ein höherer Beamter zu seiner Vertretung nicht bestellt ist, kann dem mit der Vertretung betrauten Betriebsingenieur für die Dauer dieser Vertretung die Vornahme der Vereidigung von der Eisenbahndirektion übertragen werden. Das gleiche gilt für die eidesstattliche Verpflichtung.

Bei den bayerischen Staatseisenbahnen hat gemäß §3 der »Dienstordnung für die Staatseisenbahnverwaltung« gültig vom 1. Mai 1911, die eidliche Verpflichtung der mittleren und unteren Beamten, die den Verfassungseid noch nicht geleistet haben, durch die Abnahme eines besonderen Eides zu geschehen.

Zur Abnahme des Diensteides sind zuständig:

a) beim Personal der Bahnmeistereien die Bahnmeister und Oberbahnmeister,

b) beim Personal der übrigen äußeren Dienststellen die Dienstvorstände, sofern sie der Klasse 17 oder einer höheren Klasse der Gehaltsordnung angehören,

c) beim Personal der äußeren Dienststellen, deren Vorstände nicht der Klasse 17 oder einer höheren Klasse der Gehaltsordnung angehören, die Vorstände der Inspektionen,

d) beim Personal der Eisenbahndirektionen und Ämter die Vorstände dieser Dienststellen,

e) beim Personal des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten die Abteilungsvorstände.

Die Vorstände der Inspektionen, der Eisenbahndirektionen und Ämter, sowie die Abteilungsvorstände des Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten können mit der Vornahme der Vereidigung Beamte beauftragen, die mindestens der Klasse 17 der Gehaltsordnung angehören.

Über die Vereidigung ist eine Verhandlung aufzunehmen, die zu den Personalakten zu nehmen oder dem Personalblatt einzuverleiben ist.

Der geleistete Eid verpflichtet auch für alle Ämter, die später übertragen werden.

Beiden sächsischen Staatsbahnen werden die Staatsdiener im Sinne des Gesetzes vom 7. März 1835 sowie die Inhaber von Beamtenstellungen, mit denen die Ausübung der Bahnpolizei verbunden ist, nach den Vorschriften des Gestzes, die Form der Eidesleistung[335] betreffend, vom 20. Februar 1879 vereidigt.

Bei den württembergischen Staatsbahnen haben die auf Lebenszeit angestellten Beamten, nachdem sie erstmalig eine solche Anstellung erlangt haben, vor oder bei der Übernahme des Amtes gemäß den Vorschriften der kgl. Verordnung vom 27. Okt. 1878 den D. zu leisten, während die übrigen Beamten ein Gelöbnis an Eidesstatt ablegen. Der D. und das eidliche Gelöbnis sind für die Angestellten so lange bindend, als sie sich im Dienste befinden, sie verpflichten auf Lebensdauer, soweit es sich um das Amtsgeheimnis handelt.

Bei den badischen Staatseisenbahnen ist der Beamteneid von allen Personen zu leisten, denen die Beamteneigenschaft verliehen wird. Die Tatsache, daß der Beamte bereits den Huldigungseid als Staatsbürger oder den Fahneneid oder einen Diensteid im Verhältnis vertragsmäßiger Verwendung im Dienste des Reiches, eines anderen Staates oder eines Kommunalverbandes geleistet hat, entbindet nicht von der Pflicht zur Leistung des Beamteneides. Der Beamteneid ist nur einmal zu leisten, u. zw. in der Regel am Tage des Dienstantritts. Die Vereidigung erfolgt im allgemeinen durch den Vorstand der dem Beamten zunächst vorgesetzten Stelle.

Die Beeidigung erfolgt in der Weise, daß der Beamte die linke Hand auf das Herz legt, die rechte Hand erhebt und die Worte der ihm vorgesprochenen Eidesformel laut wiederholt.

Im übrigen werden Bedienstete, denen mit der Absicht dauernder Beibehaltung die Versehung einer Stelle übertragen ist, die mit Beamteneigenschaft übertragen werden kann, durch feierliches Handgelübde an Eidesstatt in Pflicht genommen.

Bei den österreichischen Staatsbahnen hat jeder Beamte (Beamtenaspirant), Unterbeamte und Diener nach Erhalt des Anstellungsdekretes und vor Antritt des Dienstes den vorgeschriebenen D., an den er bei späteren Beförderungen zu erinnern ist, abzulegen.

Die erfolgte Eidesleistung wird unter Angabe des Datums auf dem Anstellungsdekret bestätigt.

Von den Volontären, Aushilfsunterbeamten, Aushilfsdienern und Arbeitern werden nur die vereidigt, die infolge ihrer besonderen Verwendung in die Lage kommen können, bahnpolizeiliche Funktionen auszuüben. Im übrigen haben Volontäre, Aushilfsunterbeamte, Aushilfsdiener und Manipulantinnen durch Handschlag das Gelöbnis nach vorgeschriebener Form zu leisten.

Die Beeidigung und die Abnahme des Gelöbnisses erfolgt durch den Dienstvorstand, der hierfür von der ernennenden Eisenbahnbehörde bestimmt wurde.

Der D. und das Gelöbnis sind für die Bediensteten so lange bindend, als sie sich im Dienste befinden; sie verpflichten auf Lebenszeit, soweit es sich um das Amtsgeheimnis handelt.

Bei den österreichischen Privatbahnen wird der Polizeieid den Bediensteten, die polizeiliche Funktionen ausüben, von der Generalinspektion der österr. Eisenbahnen abgenommen.

Bei den ungarischen Staatsbahnen sind die mit Jahresgehalt dauernd Angestellten sowie die Aspiranten, Diurnisten, die über drei Jahre im Dienste stehenden Taglöhner und Arbeiter verpflichtet, den D., die mit Monatsgehalt, Diurnum oder Taglohn Angestellten, die noch keine drei Jahre dienen, das Dienstgelöbnis zu leisten.

Staatsdiener, die in die Dienste der Staatsbahnen treten, können sich nicht auf den schon geleisteten Amtseid berufen, sie sind vielmehr verpflichtet, nochmals einen D. abzulegen.

Den D. nimmt jährlich ein Vertreter des Handelsministeriums, bzw. der Generalinspektion in Anwesenheit eines Organs des Sekretariats der Staatsbahnen ab, u. zw. in der Zentrale, bei den Betriebsleitungen und auf der Strecke. Der Beeidigte erhält ein Zeugnis über seine Beeidigung, das in seiner Verwahrung bleibt.

Bezüglich der Abnahme des Polizeieides von Privatbahnbediensteten gelten für die ungarischen Bahnen dieselben Vorschriften wie in Österreich.

In Belgien haben zufolge Art. 117 des königl. Erlasses vom 15. November 1877, betreffend die Regelung der Verwaltung des belgischen Staatseisenbahndienstes alle Beamten und Angestellten vor Antritt ihres Dienstes den durch den Nationalkongreß vom 20. Juli 1831 vorgeschriebenen Eid abzulegen. Dieser Eid lautet: »Ich schwöre Treue dem König, Gehorsam den Staatsgrundgesetzen und den Gesetzen des belgischen Volkes«. Über die Eidesabnahme ist ein Protokoll aufzustellen. Zur Ablegung dieses Eides sind auch alle jene Bediensteten verhalten, die zufolge besonderer Rechtstitel, wie z.B. die Bahnpolizeibeamten, noch einen D. zu leisten haben.

In Frankreich werden gemäß Art. 23 des Gesetzes vom 15. Juni 1845 und Art. 64 des Cahier des charges alle Bediensteten vereidigt, denen polizeiliche Funktionen obliegen. Die[336] Bediensteten leisten den Eid vor der Gerichtsbehörde erster Instanz ihres Dienstortes.

Im allgemeinen werden alle Bediensteten vereidigt, die zufolge ihrer Stellung zur Zeugenaussage vor Gericht geladen werden können, so z.B. Stationsvorstände und -stellvertreter, Zugsführer und Kontrollore, Streckenwärter, Bedienstete der elektrischen Betriebe und insbesondere Bedienstete, die mit dem Publikum in Berührung kommen.

Bei der P.-L.-M.-Gesellschaft ist der D. auf alle Bediensteten des Stationsdienstes ausgedehnt.

In Italien haben unter anderem die Bahnaufseher und Bahnwächter einen Eid abzulegen und sind dieselben, sobald sie beeidigt sind, berechtigt, polizeiliche Funktionen auszuüben.

In den Niederlanden (Regl. vom 7. April 1875 für Hauptbahnen und Lokalbahnregl. von 1902) haben die Vorstände und Vorständestellvertreter der Stationen (Haltestellen), die Güterbesteller, Bahnaufseher, Wächter, Oberkondukteure und Kondukteure vor dem hierfür bestimmten Richter den D. auf die Gesetze abzulegen. Die beeideten Bediensteten können in ihrem Dienstbereich und 100 m auf jeder Seite der Bahn polizeiliche Funktionen bei Übertretung gegen die Bahnvorschriften ausüben.

In der Schweiz sind alle Beamten und Angestellten der Bundesbahnen, die mit der Handhabung der Bahnpolizei betraut wurden, gemäß Art. 12 des Bundesgesetzes, betreffend die Handhabung der Bahnpolizei vom 18. Februar 1878, in gleicher Weise wie die kantonalen Polizeibediensteten amtlich in Pflicht zu nehmen.

Die Inpflichtnahme erfolgt durch die zuständige kantonale Behörde.

Bei den schwedischen, englischen und nordamerikanischen Eisenbahnen findet keine Vereidigung des Personals statt.

Seydel.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 334-337.
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