[398] Draisine (trolley, tand car; draisienne; dresina), ein leichtes, offenes Fahrzeug, das mit Sitzplätzen und einer Vorrichtung zum Vorwärtsbewegen versehen ist und das meist den bei der Erhaltung, zum Teil auch beim Bau der Bahn beschäftigten Ingenieuren oder sonstigen im Dienst fahrenden Beamten als Verkehrsmittel für kurze Strecken dient.
D. werden in sehr verschiedenartiger Weise ausgeführt; Abb. 245 a und 245 b zeigt eine für die ehemalige rheinische Eisenbahn von Leonhardi ausgeführte D.
Diese besteht aus zwei gegeneinander abgesteiften Hauptträgern tt aus -Eisen, an denen der vertiefte Fußboden für die Arbeiter aufgehängt ist. Die großen Triebräder und kleinen Laufräder laufen in Lagern, die des sanfteren Ganges wegen mit eingelegten Gummischeiben auf den Hauptträgern aufruhen und in Achsgabeln geführt sind. Die Räder sind mit einer Blechkappe derart verschalt, daß die auf der D. befindlichen Personen durch die sich drehenden Räder nicht verletzt werden können. Die Bewegung der D. wird durch die in der Zeichnung ersichtlichen Hebel h, die durch die Handgriffe H hin und her gezogen werden, und durch die an den Triebzapfen der Triebräder angreifenden Schubstangen f bewirkt.
Zwei Mann dienen zur Bewegung der vollbesetzten D., die auf dem Sitz m Platz nehmen, während der gegenüber befindliche Sitz x von den zur Ablösung bestimmten Arbeitern benutzt werden kann.
Hinter den Triebrädern befindet sich der samt der Lehne gepolsterte Hauptsitz und vor diesem in der ganzen Breite der D. der Fußtritt k.
Der an der Rücklehne des Hauptsitzes rückwärts angebrachte Kasten i dient zur Aufnahme von Zeichnungen, Instrumenten u. dgl. und gleichzeitig als Lehne für den mittleren Sitz. Durch einfaches Aufheben eines Hebels u an der linken Seite des Hauptsitzes werden die[398] Bremsklötze z gegen das Triebrad gedrückt. Zum Ausheben der D. dienen die festen Handgriffe o auf Seite der Arbeiter und die aus- und einschiebbaren r bei dem Hauptsitz.
Das Gewicht einer solchen D. beträgt etwa 650 kg, die auf mäßigen Steigungen mit zwei Arbeitern erreichbare Geschwindigkeit 25 bis 30 km in der Stunde.
Die Abbildung und Beschreibung einer ähnlichen D.; bei der jedoch die Antriebhebel zwischen beiden Radachsen angeordnet sind, findet sich in Glasers Ann., Bd. XI (1882), S. 179.
In Österreich findet eine nach Patent Plank gebaute D. häufig Anwendung, mittels der auch stärkere Steigungen überwunden werden können (vgl. Abb. 246). Die Langträger bestehen aus -Eisen und werden durch einen -Querträger und die beiden Achsen verbunden. Um die Lager ist ein Winkeleisen gebogen, das die Plattform für die vier Arbeiter trägt. Die schmiedeeisernen Räderpaare, von denen eines 600 mm und eines 1000 mm Durchmesser besitzt, haben gußeiserne Naben mit je einem Triebzapfen. Man kann die Schubstange entweder mit dem kleinen oder großen Räderpaar kuppeln; im ersteren Fall als Triebrad für starke, im zweiten Fall als Triebrad für schwache Steigungen. Die D. besitzt eine Bandbremse, die sowohl vom vorderen als auch vom hinteren Sitz aus gehandhabt werden kann. Die D. wiegt ungefähr 500 kg und hat sechs Sitz- und vier Stehplätze, letztere für die Arbeiter. Eine ähnliche Einrichtung wie die vorbeschriebene zeigt die vom Obermaschinenmeister Ingenieur Reinherr für die türkischen Bahnen gebaute D. (s. Rühlmann, Maschinenlehre).[399]
Öhler in Wildegg (Schweiz) hat in Paris 1889 eine D. ausgestellt, die eine wesentliche Verbesserung aufweist. Sie ist so gebaut, daß auf der Talfahrt der Betriebshebel stille steht, während bei der Bergfahrt mit kleinerer oder größerer Übersetzung gefahren werden kann. Sie befördert neun Mann.
Die Übertragung der Kraft der Arbeiter erfolgt bei D. auch wohl durch Kurbel mit Riemen- oder Kettenvorgelege, in einzelnen Fällen durch einen wagrechten Doppelhebel.
In neuerer Zeit werden D. gebaut, die ähnliche Ausführungen wie die Fahrräder besitzen, sehr leicht zu bewegen und rasch zu bremsen sind. Der Reibungswiderstand ist durch Verwendung von Kugellagern ein sehr geringer.
Eine solche viersitzige Inspektionsdraisine (gebaut von der Gesellschaft für Bahnbedarf, m. b. H. Hamburg) zeigt Abb. 247.
Eine in Amerika für Bahnwärter und Bahnmeister fast allgemein, vereinzelt auch in Deutschland und Österreich verwendete D. besteht aus einem gewöhnlich mit zwei Sitzen versehenen Holzgestell, in dem zwei auf einem Schienenstrang hintereinander laufende Räder gelagert sind, von denen das größere das Triebrad ist und durch eine mit Händen und Füßen auf einen Hebel mit Zahnradmechanismus ausgeübte rudernde Bewegung in Drehung versetzt wird. Als Stützpunkt dient ein auf der zweiten Schiene laufendes, mit dem Hauptgestell durch ein Gestänge verbundenes drittes kleines Rad. Diese ein- oder mehrsitzigen Fahrzeuge wurden in großer Zahl durch die Firma Henry W. Peabody & Comp, in Boston geliefert.
Um mit größerer Geschwindigkeit (50 bis 70 km in der Stunde) fahren zu können, hat man auch Dampfdraisinen gebaut. Eine solche besteht aus vier Rädern, wovon zwei als Triebräder dienen, und einer auf einem starken Rahmen aufgesetzten Dampfmaschine mit stehendem Röhrenkessel. Ein besonderer, geschlossener Personenraum liegt über der Laufachse, und der als Tender dienende Wasserkasten ist knapp an die Puffer gerückt. Die in der neuesten Zeit verwendeten Motordraisinen haben sich aus dem Straßenautomobil entwickelt. Eine mit Petroleummotor angetriebene Motordraisine wurde zuerst auf dem Pariser Salon de l'Automobile 1906 ausgestellt. Die unter der Marke »Duplex« von der »Gesellschaft für Bahnbedarf m. b. H. Hamburg«, auf den Markt gebrachte Motordraisine ist aus Abb. 248 ersichtlich.
Das Untergestelle der D. besteht aus einem gepreßten Stahlrahmen und ruht auf Blattfedern. Der vierzylindrige Benzinmotor ist wassergekühlt und entwickelt 8/10 P. S. Er besitzt selbsttätige Schmierung, mechanisch gesteuerte Ventile und Doppelzündung (Akkumulatorenbatterie und Bosch-Magnet). Eine Zentrifugalpumpe, von dem Motor direkt angetrieben, führt das Kühlwasser durch die Zylindermäntel und von dort durch eine Kühlschlange, die an der Vorderseite der D. lagert. Hinter dem Motor ist die konische Friktionskupplung, die in der üblichen Weise durch Pedal betätigt wird. Das Getriebe selbst ist ein Zahnradgetriebe mit verschiebbaren Stirnrädern und gestattet zwei Geschwindigkeitsübersetzungen für Vor- und Rückwärtsfahrt. Das kleine Kettenrad erhält seinen Antrieb durch Kegelräder und treibt mit einer kräftigen Rollenkette das große Kettenrad auf der Hinterachse. Die Betätigung des Motors, des Getriebes und der Bremsen geschieht vom Führersitz aus, der beim Wechsel der Fahrtrichtung umgelegt werden kann. Die Steuerungshebel sind an der Steuersäule vereinigt und zentral angeordnet, enthalten sämtliche Hebel für den Richtungs- und Geschwindigkeitswechsel, die Bremshebel und die kleinen Hebel für die Regelung des Gasgemisches und der Zündung; ferner befinden sich über der Plattform die Pedale für die Kupplung. Die Räder haben 500 mm Durchmesser; die Vorderräder sind lose laufend angeordnet, die Hinterräder sitzen fest auf der Hinterachse (Triebachse), die, in einem Stahlrohr gelagert, frei aufgehängt ist und sich frei einstellt. Sämtliche Lager für die Achsen, die Getriebe und das hintere Kettenrad sind Kugellager. Die Bremse ist eine auf die Hinterachse wirkende, vom Führersitz mittels Handhebel zu betätigende Innenbackenbremse. Die Behälter für Benzin und Wasser fassen je 40 l. Der[400] Benzinverbrauch beträgt höchstens 400 g f. 1 P.S. und Stunde.
Diese D. wiegt beiläufig 700 kg und ist im stände, mit 6 Personen und 1 Führer unter günstigen Verhältnissen mit dem 8/10 P.S.-Motor bis 50; mit dem 12/14 P.S.-Motor bis 70 km i. d. Stunde zu fahren; die größten auf Eisenbahnen überhaupt vorkommenden Steigungen bis zu 60‰ werden anstandslos mit entsprechend verringerter Geschwindigkeit überwunden.
Literatur: Organ 1871, 1873 u. 1903. Rühlmann, Allgem. Maschinenlehre, III. Bd., Leipzig 1876. Heusinger, Handbuch f. spez. Eisenbahntechnik, II. Bd., Leipzig 1883. Mayer, Grundzüge des Eisenbahnmaschinenbaues. Berlin 1885. Glasers Ann. XXII. Bd., 1888, u. Nr. 767, Jahrg. 1909. Ztg. d. VDEV. 1905 u. 1907.
Rybak.
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro