Elemente, galvanische

[288] Elemente, galvanische (galvanic elements; éléments couples; elementi galvaniche), dienen im Eisenbahnbetriebe als Stromquelle für Telegraphen-, Fernsprech- und elektrische Signaleinrichtungen. Die weitaus gebräuchlichsten Formen sind das Meidinger E. und das Trockenelement.

Sie bestehen immer aus zwei verschiedenen Leitern erster Klasse (Metalle oder Kohle), den Elektroden, und einem diese verbindenden Leiter zweiter Klasse (Flüssigkeit), dem Elektrolyt. Durch die Berührung der Elektroden mit dem Elektrolyt wird an den freien Enden der Elektroden, den Polen eine elektrische Spannung, die elektromotorische Kraft erregt, die sich auszugleichen sucht, sobald die Pole durch einen Leiter verbunden werden. Da aber die Erregung fortdauert, dauert auch die Spannung und der Ausgleich fort; es entsteht somit ein elektrischer Strom. Das Elektrolyt wird durch den Strom zersetzt. Die Zersetzungsprodukte überziehen die Elektroden, soweit sie in das Elektrolyt eintauchen und heben dadurch nach und nach deren Erregungsfähigkeit auf. Dieser Vorgang wird Polarisation genannt. Der Polarisation wird durch Hinzufügung des Depolarisators vorgebeugt; es ist dies eine chemische Verbindung, die geeignet ist, das Überziehen der Elektroden mit den Zersetzungsprodukten zu verhindern. E., bei denen dies am vollkommensten erreicht wird (bei denen also Polarisation und Depolarisation Schritt halten), nennt man polarisationsfrei oder konstant. E., bei denen die Polarisation schneller fortschreitet wie die Depolarisation, sind nicht polarisationsfrei, also nicht konstant. Solche E. können aber die Fähigkeit besitzen, bei Strömen von kürzerer Dauer, auch von erheblicher Stärke, in den Ruhepausen die Depolarisation zu Ende zu führen; sie bieten dann für gewisse Zwecke größere Vorteile, als die konstanten E., die nur die Entnahme von verhältnismäßig schwachen Strömen gestatten.

Konstante E. ergibt die Zusammenstellung von Zink und Kupfer als Elektroden und Kupfervitriol (CuSO4) als Depolarisator, kurz Zink-Kupfer-E. genannt. Die besten nicht konstanten E. von großer Erholungsfähigkeit ergibt die Zusammenstellung von Zink und Kohle als Elektroden und Braunstein (MnSO2) als Depolarisator, kurz Braunstein-E. genannt.

Zink-Kupfer-E. wurden in brauchbarer Form zuerst von Daniell angegeben und später von Simens & Halske, Minotto, Meidinger, Krüger und Callaud verbessert. Die weitaus gebräuchlichste Form ist die von Meidinger herrührende. Als Elektrolyt kommt beim Meidinger-E. eine schwache Lösung von Bittersalz (MgSO4) oder Zinkvitriol (ZnSO4) zur Verwendung. Das Meidinger E. zeichnet sich durch Depolarisationsvermögen (Konstanz) aus, eignet sich daher vorzüglich für Dauerstrom (Ruhestrom), also für den Betrieb der Eisenbahntelegraphenleitungen. Es gibt zwei Formen von Meidinger E., die offene (Krüger, Callaud) und die geschlossene.


Beim offenen E. hängt die Zinkelektrode mit drei Nasen auf dem oberen Rande des zylindrischen Standglases, während die Kupferelektrode flach auf dem Boden des Glases liegt (Abb. 206). Die Bittersalz- oder Zinkvitriollösung reicht bis nahe an den oberen Rand der Zinkelektrode. Das Kupfervitriol wird in kleinen Stücken auf den Boden des Glases gelegt und nach Maßgabe des Verbrauches so ergänzt, daß die Kupferelektrode immer von Kupfervitriollösung gerade bedeckt ist.

Das geschlossene E. unterscheidet sich von dem offenen dadurch, daß die Zinkelektrode mit dem unteren Rande auf einem durch eine Verengerung des Standglases gebildeten Ansatz und die Kupferelektrode in einem auf dem Boden des Standglases stehenden besonderen Glasbecher (Einsatzglas) ruht, der zwischen dem Kupfer und dem Zink eine trennende Wand bildet. Ein für die ganze Gebrauchsdauer ausreichender Vorrat an Kupfervitriol befindet sich in einer mit einem Ansatz auf dem oberen Rand des Standglases ruhenden Sturzflasche dem Aufsatzglas (Ballon) (Abb. 207). Der Hals der Sturzflasche ist mit einem durchbohrten Kork mit engem Glasröhrchen geschlossen. Durch das Glasröhrchen sickert die Kupfervitriollösung in das Einsatzglas. Das E. ist zum Einschalten fertig, sobald soviel Kupfervitriollösung durchgesickert ist, daß die Kupferelektrode nahezu bedeckt ist.


Für den Eisenbahnbetrieb ist die geschlossene Form des Meidinger E. geeigneter als die offene, weil bei der vielseitigen Beschäftigung der Eisenbahnbetriebsbeamten das rechtzeitige Einlegen von Kupfervitriolstücken leicht versäumt wird und bei fehlendem Depolarisator die E. schnell verderben.

Beim Ansetzen der Meidinger E. ist es wichtig, daß die Elektroden, namentlich das Zink, metallisch rein sind, weil nur bei[288] Berührung der Metalle, nicht einer Oxydschicht oder einer Schmutzkruste, mit der Flüssigkeit die elektromotorische Kraft hervorgerufen wird. Nötigenfalls muß also vorher gründliche Reinigung vorgenommen werden. Für die gute Erhaltung der E. ist es von Wichtigkeit, daß die spezifisch schwerere Kupfervitriollösung sich mit der Bittersalzlösung nicht vermischt, damit nicht Kupfervitriol mit dem Zink in Berührung kommt, weil dann das letztere sich mit Kupferniederschlag überzieht, wodurch die elektromotorische Kraft aufgehoben wird. Die E. dürfen deshalb im Betriebe nicht bewegt oder erschüttert werden. Im Interesse einer guten Erhaltung der E. ist es ferner nötig, daß von Zeit zu Zeit, etwa alle zwei Monate, ein Teil des Elektrolyts, das sich nach längerer Tätigkeit vollständg mit Zinkvitriol sättigt, mittels eines Hebers abgezogen und durch reines Wasser ersetzt wird, eine Arbeit, die ohne Außerbetriebsetzung der E. leicht ausgeführt werden kann. Geschieht das nicht, dann hört die Depolarisation nach und nach auf und die elektromotorische Kraft geht mehr und mehr zurück. Der gute Zustand des Meidinger E. ist jederzeit daran zu erkennen, daß die Flüssigkeit im untern Teile des Glases tief blau, im obern wasserhell und daß das Zink nicht mit rotem Schlamm überzogen ist. Die E. stehen am besten im Telegraphenzimmer in festen Wandschränken mit Glastüren und weißem Anstrich im Innern, so daß eine dauernde Überwachung des guten Zustandes gewährleistet ist.

Der innere Widerstand der Meidinger E. ist zwar verhältnismäßig hoch – bei der im Telegraphenbetriebe gebräuchlichen Größe 6 bis 7 Ohm – was aber gegenüber der Summe der Widerstände in einer Telegraphenleitung nicht von Belang ist. Für Fernsprech- (Mikrophon-) Batterien ist dagegen das Meidinger E. wegen seines großen innern Widerstandes ungeeignet. Die elektromotorische Kraft beträgt annähernd 1 Volt. Bei einer Stromentnahme von nicht über 0∙02 Ampère (20 Milliampère) kann das E. ohne nennenswerten Rückgang seiner Leistungsfähigkeit 6 Monate lang ununterbrochen im Gebrauch bleiben, ehe eine Erneuerung erforderlich ist. Bei größerer Stromentnahme muß die Erneuerung entsprechend früher erfolgen oder es ist Vergrößerung der Oberfläche der Elektroden erforderlich, was am einfachsten durch Parallelschaltung von zwei oder mehreren Reihen von E. erreicht werden kann. Es ist dann nicht nötig, verschiedene Größen von E. vorrätig zu halten. Wenn aus einer Reihe hintereinander geschalteter E. (Abb. 208) 6 Monate lang ein Strom bis zu 0∙02 Ampère entnommen werden kann, reichen zwei solcher Reihen parallelgeschaltet (Abb. 209) zur Entnahme von 0∙04 Ampère während eines Zeitraumes von 6 Monaten aus u.s.f.

Die Unterhaltung der Meidinger E. (Überwachung und Erneuerung) ist bei einigen Bahnverwaltungen einer besonderen Arbeiterabteilung übertragen. Am besten hat sich jedoch die Unterhaltung durch die Betriebsstellen selbst bewährt, weil lediglich diese das größte Interesse an der dauernden Betriebsfähigkeit ihrer E. haben.

Braunstein-E. sind nicht polarisationsfrei; bei längerem Schluß sinkt die Nutzspannung schnell; sie eignen sich daher nicht für Dauer- (Ruhe-) Strom, sind dagegen für einen Betrieb mit Schließungen von kürzerer Dauer und ausreichenden Erholungspausen (Arbeitsstrom) selbst bei Entnahme erheblicher Strommengen vorzüglich geeignet.


Als Elektrolyt kommt Salmiaklösung (NH4Cl) zur Verwendung. Als Depolarisator dient Braunstein der mit Graphit gemischt ist. In der Regel ist die Kohlenelektrode mit der Depolarisationsmasse zylindrisch umpreßt und letztere mit einem Leinwandbeutel fest umschnürt. Der innere Widerstand der Braunstein-E. ist sehr gering, u. zw. bei der im Eisenbahnbetrieb gebräuchlichen Größe 0∙1 bis 0∙3 Ohm. Die elektromotorische Kraft beträgt 1∙5 bis 1∙4 Volt.

Braunstein-E. wurden zuerst von Leclanché angegeben, später von Fleischer, Siemens & Halske, Thibaud u.a. verbessert.

Die heute fast allgemein verwendete Form des Braunstein-E. ist das sog. Trockenelement (Abb. 5), bei dem das Elektrolyt sich nicht in flüssigem sondern in brei- oder gallertartigem Zustande befindet, indem die Salmiaklösung mit einer erstarrenden Gipsmasse gebunden ist. Der Zwischenraum zwischen der Zinkelektrode und dem die Depolarisationsmasse umschließenden Leinwandbeutel ist mit dem Elektrolyt vollständig ausgefüllt. Das E. steckt in einem vierkantigen oder runden Becher aus Papiermasse (Isolit), dessen Hohlräume mit Sägespänen ausgefüllt sind; durch einen Verguß mit Harzmasse ist das E. im Becher festgelegt. Ein vom Elektrolyt durch die Vergußmasse nach außen geführtes Glasröhrchen gestattet den Abzug der sich bildenden Gase.


Vermöge des geringen inneren Widerstandes eignen sich Trocken-E. ganz besonders für die Mikrophonbatterien der Fernsprecher. Sie[289] werden gebrauchsfertig von der Fabrik geliefert, bedürfen keinerlei Wartung und erfreuen sich deshalb großer Beliebtheit. Eine für Eisenbahnsignal- und Sicherungseinrichtungen vielfach verwendete Form der nassen Braunstein-E. ist das Beutelelement von Siemens & Halske, das sich vermöge seiner Größe namentlich zur Entnahme größerer Strommengen eignet. Für diese Zwecke finden auch Sammler (Akkumulatoren s.d.) vorteilhaft Verwendung.

Die Anzahl n der für einen bestimmten Zweck in einer Reihe hintereinander zu schaltender E., gleichviel welcher Art, ergibt sich nach der aus dem Ohmschen Gesetz abgeleiteten Formel:


Elemente, galvanische

worin I die gewünschte Stromstärke, W der äußere Widerstand im Schließungskreise, w der innere Widerstand eines E. und E die elektromotorische Kraft eines E. bedeuten. Für Telegraphenleitungen paßt diese Formel ohneweiters, weil die dafür erforderliche Betriebsstromstärke niemals das zulässige Maß der einem E. zu entnehmenden Stromstärke überschreitet. Wenn aber die verlangte Stromstärke das für die Belastung des einzelnen E. Zulässige Maß übersteigt, dann kommt die Parallelschaltung von zwei oder mehr Elementreihen in Frage. Bezeichnet man mit m die Anzahl der in diesem Falle parallel zu schaltenden Reihen und mit i die für ein E. zulässige Stromstärke, so ist


m = I/i;


die Anzahl der in jeder Reihe hintereinander zu schaltenden E. ist dann


Elemente, galvanische

Wie schon oben erwähnt, wird man Meidinger E. der im Eisenbahnbetrieb gebräuchlichen Größe im Interesse der guten Erhaltung mit nicht mehr als 0∙02 Ampère belasten; die gebräuchlichen Trocken-E. dürfen, kurze Stromschlüsse und Erholungspausen vorausgesetzt, unbedenklich bis zu 0∙2 Ampère belastet werden.

Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines E. ist nicht die elektromotorische Kraft E, sondern lediglich die Nutzspannung e (Klemmenspannung) maßgebend, die sich bei einem gewissen äußeren Widerstände W ergibt. Dieselbe ist gegenüber der elektromotorischen Kraft umso kleiner, je größer der innere Widerstand w des E. ist. Diese Beziehungen werden ausgedrückt durch die Formel


Elemente, galvanische

Daraus ist ohneweiters auch zu erkennen, daß bei kleinem äußeren Widerstand W nur E. mit kleinem inneren Widerstand w, daß dagegen E. mit großem inneren Widerstand w nur bei großem äußeren Widerstand W gute Nutzwerte liefern können.


Nutzspannung und elektromotorische Kraft mißt man mit einem Voltmeter von hohem Widerstand, und zwar die letztere bei offenem E., die erstere wenn das E. durch einen Widerstand von 5 bis 10 Ohm geschlossen ist. Der Unterschied zwischen beiden Werten bildet dann den Maßstab für die Ermittlung des inneren Widerstandes w, denn aus obiger Formel ergibt sich


Elemente, galvanische

Bei den Meidinger E. bleibt der innere Widerstand während der ganzen Gebrauchszeit annähernd der gleiche. Bei den Trockenelementen wächst er dagegen wie bei allen Braunsteinelementen nach längerem Gebrauch beträchtlich; er erreicht z.B. bei den E. der Mikrophonbatterien unter Umständen den fünfzigfachen Betrag des ursprünglichen Wertes. Diese E. sollten daher während des Betriebes von Zeit zu Zeit (etwa alle 3 Monate) durch Messen auf ihre Gebrauchsfähigkeit geprüft werden; 0∙6 Volt Nutzspannung oder 10 Ohm inneren Widerstand muß als äußerste Grenze bezeichnet werden, bei der die Erneuerung er folgen muß.

Fink.

Abb. 206. Offenes Meidinger Element.
Abb. 206. Offenes Meidinger Element.
Abb. 207. Geschlossenes Meidinger Element.
Abb. 207. Geschlossenes Meidinger Element.
Abb. 208.
Abb. 208.
Abb. 209.
Abb. 209.
Abb. 210.
Abb. 210.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 4. Berlin, Wien 1913, S. 288-290.
Lizenz:
Faksimiles:
288 | 289 | 290
Kategorien:

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Gedichte (Die Ausgabe von 1844)

Gedichte (Die Ausgabe von 1844)

Nach einem schmalen Band, den die Droste 1838 mit mäßigem Erfolg herausgab, erscheint 1844 bei Cotta ihre zweite und weit bedeutendere Lyrikausgabe. Die Ausgabe enthält ihre Heidebilder mit dem berühmten »Knaben im Moor«, die Balladen, darunter »Die Vergeltung« und neben vielen anderen die Gedichte »Am Turme« und »Das Spiegelbild«. Von dem Honorar für diese Ausgabe erwarb die Autorin ein idyllisches Weinbergshaus in Meersburg am Bodensee, wo sie vier Jahre später verstarb.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon