[473] Fahrkartenschrank (ticket case; casier à billets; scaffale o stipo a biglietti) zur Aufbewahrung der Fahrkarten und Fahrscheine bei den Ausgabestellen (Fahrkartenschaltern).
An den Fahrkartenstellen müssen die Fahrkarten zu rascher Ausgabe an das Publikum bereit liegen. Hierzu dienen die F.; sie müssen vom Ausgabebeamten leicht bedient werden können und schnelle Abrechnung und Kontrolle ermöglichen. In kleineren Orten genügen hierzu einfache, an den Wänden zu befestigende Schränke mit wenigen Kartenfächern. Bei größeren Ausgabestellen, wo mehrere 1000 Fahrkartensorten an einem Schalter aufzulegen sind, ergeben sich Schwierigkeiten, da die Ausdehnung der Schränke für die schnelle Bedienung ihre Grenzen hat (s. allgemeine Eisenbahnkunde für Studium und Praxis. Jahrg. 1908, S. 83).
Im allgemeinen sind die F. für die Edmonsonschen Fahrkarten so eingerichtet, daß auf einem hölzernen Untersatz (Tisch), der mit besonderen Behältern für Vorratskarten und Buch- oder Zettelfahrkarten versehen sein kann, eiserne oder hölzerne Fachkasten mit einer Anzahl Fahrkartenfächer (Stapel) zur wagrechten Einlage der Fahrkarten angebracht sind.
In den durch die Breite und Höhe der Schränke und das Format der Karten bedingten Abmessungen verlaufen die durch dünne Wandungen von Eisen- oder Zinkblech getrennten Querreihen der Kartenfächer. Statt der Böden sind in jedem Fach nur seitliche Leisten angebracht, auf denen die Fahrkarten in etwas schräger Neigung aufliegen, in der Weise, daß der zwischen den beiden Seitenleisten liegende Zwischenraum dem Ausgabebeamten ermöglicht, die zu unterst liegende Karte leicht mit dem Finger zu ergreifen, worauf die nächst oben liegende Karte von selbst an die Stelle der weggenommenen tritt.
Über jeder Fächerreihe sind Streifen oder Bänder von Holz, Metall oder Pappe angebracht, auf denen die Fahrkarten, nach Station und Klasse verzeichnet, abgelesen werden können.
Die Schränke können ein- oder mehrtürig sein. Im letzteren Fall können die Türen drehbar so gerichtet werden, daß sie gleichzeitig der Aufnahme von Fahrkarten und zum Verschluß des Kastens, der sonst durch Rolladen oder feste Türen erfolgt, dienen. Im geöffneten Zustand bietet ein solcher Kasten die mehrfache Anzahl von Fahrkartenfächern gegenüber den einfachen Schränken. Für größere Stationen können die Schränke nach Bedarf fahrbar oder auf einem Gestell drehbar (System Hartmeyer in Dresden, Lotz in Wiesbaden, Blazicek in Wien) hergestellt werden, wodurch neben besserer Raumausnützung auch die Möglichkeit gegeben ist, für jeden Schalterbeamten besondere Kartenvorräte zu halten und überhaupt den Dienst beweglicher zu gestalten.
In Abweichung von dieser älteren Einrichtung werden neuerdings von J. Müller und Cie. in Singen (Hohentwiel) Baden, Weise in Karlsruhe und W. Lotz und Cie. in Wiesbaden Schränke geliefert, in die die Fahrkarten nicht wagrecht, sondern aufrecht eingestellt werden, so daß die Vorderseite der Fahrkarten dem Ausgabebeamten ohneweiters sichtbar ist.
Es bedarf also hiebei in der Regel keiner Stationsaufschriften über den Kartenfächern, diese können aber wie bei den alten Schränken[473] auf den besonders gelieferten Streifen angebracht werden. Derartige Schränke bieten den Vorteil, daß erheblich mehr Fahrkarten eingelegt werden können als in den alten.
Bei den Schränken von J. Müller und Cie. (s. Abb. 373) werden die Fahrkarten in leicht herausnehmbare Fächer (Schieber) eingestellt; sie werden aus dem Fach durch hinten angebrachte Federn automatisch herausgeschoben in der Weise, daß nach Wegnahme der vordersten Karte sofort die nächste an deren Stelle her vorgedrückt wird. Die Fahrkarte mit der niedersten Nummer ist vorangestellt. Der Beamte kann sich sofort bei Ausgabe einer Karte vergewissern, ob die Nummernfolge die richtige ist. Bei Abnahme der ersten Karte aus einem Fach wird ein kleiner Hebel heruntergeklappt, wodurch die Fächer ersichtlich werden, aus denen in einem gewissen Zeitraum Fahrkartenentnahme stattgefunden hat. Mit diesen Schrankkasten kann eine Einrichtung in Verbindung gebracht werden, die es ermöglichen soll, auf den ersten Blick erkennen zu lassen, ob aus der Mitte eines Fahrkartenblocks unstatthafterweise Karten herausgenommen, also außer der Reihe abgegeben wurden. Hierzu sind die Fahrkartenblocks seitlich mit einem Leinwandpapierstreifen beklebt, so daß jede einzelne Karte leicht an dem Streifen haftet (s. Abb. 374). Wird unrichtigerweise eine Karte außer der Reihe weggenommen, so legt sich an der betreffenden Stelle der Streifen in Falten.
Während die vorbeschriebenen Einrichtungen für die Ausgabe der gewöhnlichen Edmonsonkarten bestimmt sind, werden neuerdings in größerem Umfang auch Schränke zum Verkauf der Fahrkarten von der Rolle hergestellt. Hierbei ist vorausgesetzt, daß die Fahrkarten auf dünnen Kartonbändern in Rollenform vorgedruckt sind (s. auch Zeitschrift: Verkehrstechnische W. 1908/1909, S. 509).
Solche Schränke werden unter anderem von der deutschen Post- und Eisenbahnverkehrswesen Aktiengesellschaft in Berlin DAPAG/EFUBAG beliebige Zahl von Relationen je nach den örtlichen Verhältnissen hergestellt.
Jedes Schrankfach ist mit einer Ausgabevorrichtung, der sog. Pfeife, ausgerüstet, die Rollen mit bis zu 1000 perforierten Karten aufnehmen kann und mit einer Kontrollklappe versehen ist.
Beim Zurückdrücken einer am unteren Ende der Pfeife angebrachten Verschlußzunge wird die vorn sichtbare Karte zum Abziehen freigegeben, durch Zurückschnellen dieser Zunge und Eingreifen ihrer Zinken in die Schlitzperforation der nächsten Karte wird verhindert, daß diese gleichzeitig herausgezogen wird, und es kann dann die erste Karte an ihrer Perforationslinie leicht abgerissen werden.
Eine an der Pfeife angebrachte rote Kontrollklappe ermöglicht die rasche Bestandaufnahme. Alle Fächer, aus denen im Laufe einer Verkaufszeit keine Karten verkauft wurden, sind wegen der Form der Klappe und des roten Anstriches sofort erkennbar.
Die Pfeifen werden nach ihrer Füllung einzeln in die für sie bestimmten Fächer eingeschoben, wobei ein an ihnen befindlicher Haken in den Rückwandverschluß einschnappt. Es können dann die Pfeifen nur mittels eines besonderen Schlüssels aus dem Schranke entfernt werden, so daß eine unbefugte Entnahme von Kartenmaterial verhindert wird.
Die Schränke werden in beliebiger Ausdehnung auch mit Vorrichtung zu Stationsaufschriften geliefert.
Abstemplung in den Fahrkartenpressen und Lochung durch Zangen kann bei den Rollenfahrkarten wie bei den gewöhnlichen Edmonsonkarten stattfinden.
Die Gandenbergersche Maschinenfabrik (G. Göbel) in Darmstadt baut Schränke, bei denen die Karten in Blocks zu je 50 Stück an schrägen in die Rückwand des Schranks[474] eingeschlagenen Stiften aufgesteckt sind. Die Karten sind mit numerierten und zum Abreißen gelochten (perforierten) Kontrollabschnitten versehen, von denen die Karten sich leicht abreißen lassen. Die Kontrollabschnitte, die die gleichen Nummern wie die Fahrkarte tragen, sind geheftet und bleiben zurück, so daß unschwer geprüft werden kann, ob ein Verkauf aus der Mitte eines Blocks stattgefunden hat. Durch treppenförmiges Heften der Fahrkartenblocks ist ein Drehmoment gegeben, das die Abtrennung der Einzelkarten erleichtert.
Eiserne Fahrkartenschränke nach System F. Blazicek in Wien sind bei den österreichischen Bahnen im Gebrauch. Sie sind aus starkem Weißblech gefertigt. Die Fahrkarten werden von rückwärts eingelegt und sodann unter Verschluß des kontrollierenden oder rechnungslegenden Beamten genommen. Eine besondere Vorrichtung ermöglicht, daß man nur eine Karte entnehmen und daß eine herausgenommene Karte nicht mehr zurückgeschoben werden kann.
Eine neue veränderte Einrichtung bei diesen Schränken besteht darin, daß die Herausnahme der Fahrkarten durch das Vorziehen eines Schiebers erfolgt, der durch eine Feder bewegt, von selbst in seine ursprüngliche Lage zurückkehrt.
Ähnliche Schränke werden auch von den Firmen Klepatár in Pilsen, S. Rothmüller in Wien, sowie von Polzer und Cie. in Wien geliefert.
Eine eigenartige Einrichtung der Fahrkartenblocks mit einer von einem Direktionsbeamten der PLM. erfundenen Bindevorrichtung ermöglicht die Befestigung des Blocks an einer in den Verkaufsschränken befindlichen Öse.
Hierbei werden die Fahrkarten bei der Herstellung in der Mitte mit zwei kleinen nahe beieinander stehenden halbmondförmigen Löchern, die nur durch einen schmalen Steg getrennt sind, versehen. Durch diese beiden Löcher wird die Bindeschnur geführt, deren beide Enden mit Bleisiegel verbunden werden. Die Bindeschnur wird dann am Verkaufsschrank befestigt. Durch leichten Zug zerreißt der kleine Kartonsteg, der die beiden Löcher von einander trennt und die Karte wird frei, ohne daß der Verschluß des Bunds gelöst wird.
v. Zluhan.
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