Frachtenstundung

[122] Frachtenstundung (répit pour le paiement de la taxe; respite) ist die Kreditierung von Frachtbeträgen. Die Eisenbahn verzichtet auf sofortige Bezahlung der fälligen Frachten aus Gründen der Geschäftsvereinfachung und zur Vermeidung unnötigen Bargeldumlaufs, indem sie die gestundeten Frachten mit den Gutschriften des Stundungsnehmers abrechnet und nur innerhalb bestimmter Zeiträume den Ausgleich mit dem Stundungsnehmer herbeiführt. Von dieser Einrichtung machen in der Regel die größeren Interessenten, insbesondere die Anschlußbesitzer und Rollfuhrunternehmer Gebrauch; diese beiden letzteren wie auch Lagerplatzpächter, werden bei den preußischen Bahnen vertraglich angehalten, ein Stundungskonto einzurichten.

Die Gewährung der Stundung erfolgt allgemein gegen eine zu bestellende Sicherheit; wird für die F. bei mehreren Abfertigungen eine gemeinsame Sicherheit bestellt, so spricht man von einem Generalpfand. Bei allen Bahnen sind besondere Bestimmungen für die Gewährung von F. und ihre geschäftliche Behandlung bei den Dienststellen erlassen.

Für die preußisch-hessischen Bahnen gelten folgende Bestimmungen:

Die Stundung läuft in der Regel für den Kalendermonat und erstreckt sich

a) entweder auf alle im Verkehr mit der Abfertigungsstelle aus der Beförderung von Eil- und Frachtgütern aufkommenden Frachten und sonstigen, der Eisenbahn tarif- oder vertragsmäßig zustehenden Forderungen, namentlich auch bei Nachnahmen, Auslagen, Nebengebühren und Anschlußfrachten oder

b) nur auf die unter a) genannten Beträge, die als Frankatur verrechnet werden oder[122]

c) auf die Expreßgutfrachten einschließlich Auslagen und Nebengebühren.

Die Stundung erstreckt sich auch auf die von Stundungsnehmern im Auftrage dritter Personen aufgegebenen und abgenommenen Sendungen, bei amtlichen Rollfuhrunternehmern auch auf die bahnamtlich an- und abgerollten Güter.

Die Frachtstundungssumme beträgt im Falle a) mindestens 300 M., sonst mindestens 100 M. und ist entsprechend dem 11/2fachen durchschnittlichen monatlichen Schuldbetrage des Stundungsnehmers festzusetzen. Die Sicherheit erfolgt in der Regel durch Pfandbestellung. Die Annahme von Bürgen hängt vom Ermessen der Eisenbahn ab. Das Pfand kann bestehen in

a) barem Geld,

b) Wertpapieren,

c) Forderungen, die in das Reichsschuldbuch oder in das Staatsbuch eines Bundesstaates eingetragen sind,

d) Depotscheinen der Reichsbank, der königlichen Seehandlung oder der preußischen Zentralgenossenschaftskasse,

e) in Sparkassenbüchern und Abrechnungsbüchern von Banken, Kreditgenossenschaften und sonstigen privaten Kreditanstalten,

f) Wechseln.

Hinterlegtes bares Geld wird Eigentum der Eisenbahnverwaltung und nicht verzinst. Zu welchem Wert Wertpapiere und Effekten, unter welchen Bedingungen Depotscheine und Sparkassen- und Abrechnungsbücher angenommen werden, darüber gelten bei den einzelnen Eisenbahnverwaltungen abweichende Bestimmungen. Wechsel können nach dem Ermessen der Eisenbahn angenommen werden, wenn sie an den durch die zuständige Verwaltungsbehörde vertretenen Fiskus bei Sicht zahlbar, gezogen und akzeptiert sind, eigene Wechsel nur, wenn sie bei Sicht zahlbar und valiert sind und als Wechselnehmer der Fiskus bezeichnet ist.

Für jeden Stundungsnehmer wird von der Abfertigungsstelle über die im Laufe des Stundungsabschnittes aufkommenden Schuldbeträge und Gutschriften ein besonderes Konto geführt, für das eine Abteilung des Frachtstundungsbuches dient. Die Konten werden am Schluß jedes Kalendermonats abgeschlossen; der Saldo zugunsten des Stundungsnehmers wird sofort beglichen oder auf Wunsch ihm als Guthaben auf den nächsten Monat vorgetragen. Der Saldo zu seinen Lasten ist bis zum 10. des auf den Stundungsmonat folgenden Monats zu begleichen. Die Zahlung soll möglichst durch Reichsbankgirokonto geleistet werden.

Das Stundungsverhältnis kann jederzeit sowohl von der Eisenbahn als auch vom Stundungsnehmer ohne Angabe von Gründen aufgehoben werden.

Die Stundung der Frachten für Betriebs- und Baudienstgüter und die Abwicklung des hierüber zu führenden Kontos regelt sich nach der Dienstgutbeförderungsordnung. Die gestundeten Beträge werden entweder durch Änderungsnachweisung abgesetzt oder der Güterkasse durch die Hauptkasse gezahlt.

Eine Besonderheit der F. bilden die Frachtreste. Als solche sind zu behandeln:

a) die auf abzurollenden Gütern haftenden Beträge, die vom bahnamtlichen Rollfuhrunternehmer als unbestellbar zurückgegeben werden;

b) sonstige aushaftende Beträge, die infolge Annahmeverweigerung oder aus einem andern Grunde länger als 4 Wochen lagern oder die länger als 4 Wochen fehlen.

Die Beträge sind in das Restkonto, für das eine Abteilung des Frachtstundungsbuches dient, zu übertragen. Über Restposten, die eingezogen werden, sind getrennte Verrechnungskarten mit besonderen Nummern, die auch in der Überschrift als Verrechnungskarte mit Restposten zu bezeichnen sind, anzufertigen; ihre Beträge sind in das Stundungskonto, in das Schalterkonto oder in das Restkonto einzutragen. Über Restbeträge, die bis zum 15. des zweitnächsten Monats nicht erledigt sind, ist eine Restliste dem Verkehrsamt vorzulegen.

Die Bedingungen für den regelmäßigen Milchversand sehen ebenfalls die Stundung der Frachten, u.zw. ohne Rücksicht auf ihre Höhe vor.

Für die Reichsbahnen in Elsaß-Lothringen ist die Sicherheit so zu bemessen, daß auch für die in den ersten Tagen des neuen Stundungsmonats bis zur Begleichung der Frachtschuld des vorhergehenden Stundungsmonats auflaufenden Beträge genügende Deckung vorhanden ist und die F. nicht unterbrochen zu werden braucht. Die Stundungsrechnung wird am 11. jeden Monats abgeschlossen. Den Reichs- und Landesbehörden sowie den Militärverwaltungen werden F. in unbeschränkter Höhe und ohne Gestellung einer Sicherheit bewilligt. Die gleiche Vergünstigung kann auch Gemeindeverwaltungen, deren Vermögenslage eine sichere ist, gewährt werden.

Bei den bayrischen Bahnen wird F. bis zur Höhe der geleisteten Sicherheit gewährt. Bei eintägiger F. ist Sicherheitsleistung nicht erforderlich. Der Verrechnung dienen Kontobücher, Einzahlungsbücher der Stundungsnehmer, in denen die Einzahlungen der gestundeten [123] Frachten, und Bescheinigungsbücher, in denen die hierüber gegebenen Empfangsbescheinigungen vermerkt werden.

Ohne Sicherheit kann an Staatsbehörden auf 1 Monat, an landwirtschaftliche Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht auf 3 Monate Stundung gewährt werden. Über diese Beträge sind von den Stationskassen für jeden Stundungsnehmer gesonderte Verechnungskarten zu führen, am letzten Tage des Monats abzuschließen und durch den Stundungsnehmer oder dessen Bevollmächtigten anerkennen zu lassen. Wenn Straßen- und Flußbauämtern Frachten gestundet werden, sind die Sendungen von den hierzu Beauftragten zu bescheinigen. Besitzern von Anschlußgleisen und Pächtern von Lagerplätzen, die keine F. genießen, dürfen ankommende Wagenladungen schon vor der Auslösung der Frachtbriefe zur Entladung bereit gestellt werden, sofern sie eine entsprechende Sicherheit hinterlegt haben. Solche Sicherheiten können schon von 200 M. an in Wertpapieren gestellt werden. Privatpersonen mit regelmäßigem Milchversand können die Frachtgebühren für einen gewissen Zeitabschnitt, in der Regel für einen Monat, im Mindestbetrage von 10 M. vorausbezahlen.

Bei den württembergischen Bahnen wird die Stundung für die im Laufe eines Kalendermonats entstehenden Verbindlichkeiten aus dem Frachtgeschäft, jeweils längstens bis zum 10. des folgenden Monats gewährt. Das Frachtaufkommen muß abgesehen vom Milchverkehr mindestens durchschnittlich 300 M. betragen; die Leistung der Sicherheit muß dem 11/3fachen Betrage der Höchstsumme entsprechen, bis zu der monatlich Stundung gewährt werden soll. Gegenüber andern Zweigen der Staatsverwaltung, gegenüber Amtskörperschaften und Gemeinden kann von dem Verlangen der Sicherheitsleistung abgesehen werden.

Bei Milchsendungen kann die Sicherheit durch zwei zahlungsfähige Bürgen gestellt werden.

Bei den badischen Bahnen muß für die Gewährung eines Stundungskontos das Frachtaufkommen mindestens 300 M. betragen; die Abrechnung erfolgt monatlich. Die Stundung geschieht bis zur Höhe der geleisteten Sicherheit, als welche u.a. auch Hypotheken dienen. Bürgen sollen in der Regel größere inländische Bankinstitute sein. F. ohne Sicherheitsleistung mit Unbeschränktheit hinsichtlich der Höhe und mit monatlicher Befristung wird ohne weiteres für die Wasser- und Straßenbauverwaltung und für sämtliche Beamte und Dienststellen der Eisenbahn hinsichtlich der Dienstsendungen, für Militärbehörden und inländische Gemeinden mit Genehmigung der zuständigen Behörde gewährt.

Die Dienststellen führen über die bei ihnen eröffneten F. ein Frachtkreditregister.

Die Bedingungen über F. bei den sächsischen Bahnen verlangen, daß eine genügende Sicherheit, etwa in Höhe des halbmonatlichen Frachtumsatzes oder in noch geringerer Höhe – jedoch nicht unter 300 M. – bestellt wird. Soweit die Bestellung durch Bürgen erfolgt, müssen Bankbürgschaften geleistet werden.

Die mecklenburgische Friedrich-Franz-Bahn bewilligt Stundung für Frachtbeträge unter 300 M., ausgenommen im Milchverkehr, nicht. Die Sicherheit muß genügend sein und mindestens dem 11/2fachen Betrag der Stundungssumme entsprechen. Wechsel werden als Sicherheit nicht angenommen; Bürgscheine nur insoweit, als es sich um solche eines der Bahn genehmen großen, im Deutschen Reiche ansässigen Bankhauses handelt.

Die österreichischen Eisenbahnen haben einheitliche Grundsätze über die Stundung von Frachten vereinbart. Diese Grundsätze sind mit Handelsministerialerlaß vom 16. Oktober 1891 genehmigt. Hiernach wird ein Kredit von gewissen Mindestbeträgen auf Antrag für alle Verbindlichkeiten aus dem Beförderungsvertrage für einen Monat gewährt, wenn die Bedingungen vom Stundungsnehmer schriftlich anerkannt werden und eine Sicherheit, die dem 11/2fachen Betrage der Stundungssummen entspricht, geleistet wird. Die Bestellung der Sicherheit hat in Bargeld, Wertpapieren oder Bürgscheinen dergestalt zu erfolgen, daß sich die Eisenbahn aus der Kaution als einem Faustpfande nach außergerichtlichem Verkaufe bezahlt machen kann.

Die Abrechnung geschieht monatlich, der Saldo ist am 2. Tage nach Ablauf des Tages, an dem die Abrechnung dem Stundungsnehmer zugesandt ist, fällig.

Die schweizerischen Bundesbahnen bewilligen solchen Aufgebern und Empfängern, die mit einer oder mehreren Stationen der Bundesbahnen in regelmäßigem Verkehr stehen, laufende Rechnungen über die auf ihren Transporten haftenden Frachten, Nebengebühren und Nachnahmen. Eine bestimmte Höhe des Frachtaufkommens ist nicht Voraussetzung der Einräumung einer F., indessen können Anträge abgelehnt werden, wenn der Umfang des Verkehrs des Antragstellers die Eröffnung eines Frachtkredites nicht rechtfertigt oder andere Gründe dagegen sprechen.[124]

Die Sicherheit muß der Höhe der bewilligten Stundungssumme entsprechen. Die Kaution kann geleistet werden

a) durch Barhinterlage,

b) durch Hinterlage von Wertschriften,

c) durch Bürgschaft eines anerkannt soliden, in der Schweiz ansässigen Bankinstituts oder durch Wechselakzepte auf ein solches Institut;

d) durch Bürgen.

Gegenüber eidgenössischen, kantonalen und Gemeindebehörden können F. ohne Sicherheitsleistung bewilligt werden.

Die F. kann jederzeit von der Bahn und von dem Kreditinhaber aufgehoben werden.

Auch bei den französischen, italienischen und niederländischen Bahnen ist die Stundung von Frachten zugelassen.

In England gewährt der Goods manager einzelnen Frachtinteressenten Stundung; abgesehen hiervon bewilligen Güteragenten auf ihre Gefahr teils allgemein, teils im einzelnen Fall F. (outstanding).

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 122-125.
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