Gepäckkarren

[292] Gepäckkarren (luggage-cart; chariot à bagages; carro per bagagli), kleine, offene, handbewegte Fahrzeuge zur Beförderung des Reisegepäcks und des Eilgutes zwischen den Gepäckräumen und den Zügen. Die Bauart der G. richtet sich nach dem Umfange des Verkehrs, nach der Länge des in Frage kommenden Beförderungsweges und nach der Befestigungsart der Fahrbahn, auf der die G. in Verkehr gesetzt werden sollen. Fahrzeuge mit kleinen Rädern haben den Vorteil, daß sie infolge ihrer geringeren Höhe leichter beladen werden können. Kleine Räder verlangen aber eine vollkommen ebene Fahrbahn, für Pflasterstraßen, Bahnsteige mit Kleinpflaster oder Beschotterung sind sie nicht verwendbar. Muß Gepäck oder Eilgut über derartig befestigte Stellen der Bahnanlagen befördert werden, so eignen sich hierzu am besten die orts- oder landesüblichen Karren oder Wagen, die von Arbeitern geschoben oder gezogen werden. Die am meisten verbreiteten Arten solcher G. sind in Abb. 210, 211 und 212 dargestellt. Sie haben eine Tragfähigkeit von 300 bis 1000 kg. Zu ihrer Fortbewegung reicht für geringe Lasten in der Regel ein Arbeiter aus. Sind größere Gepäckmengen zu befördern, so kommt der vierrädrige Tafelwagen (Abb. 213) mit einer Tragkraft von 500 bis 2000 kg zur Verwendung. Da die Tafelhöhe eines solchen auf dem Bahnsteig stehenden Wagens ungefähr der Fußbodenhöhe der Eisenbahnwagen entspricht, so können die Lasten in kürzester Zeit von einem zum andern Fahrzeuge herübergeschafft werden. Mit Rücksicht auf die beschränkte Aufenthaltszeit der Züge ist dies besonders wichtig, wenn auf den Zwischenstationen außer dem Gepäck auch Eilgut, namentlich Milch in Kannen, ein- oder ausgeladen werden muß. Für diesen Zweck sind daher die Tafelwagen fast ausschließlich in Gebrauch. Um die durch die Unebenheit der Fahrbahn entstehenden Stöße unschädlich zu machen, sind die vorstehend besprochenen zwei- oder vierrädrigen G. in der Regel, abgefedert.

Die allgemein auf Güterböden für die Beförderung der Frachtstücke bei der Be- oder Entladung der Eisenbahnwagen gebräuchliche Stechkarre, Sackkarre oder Rodel (Abb. 214) kommt für die Gepäckbeförderung nur ausnahmsweise da zur Anwendung, wo unmittelbar neben den Gepäck- oder Eilguträumen aufgestellte Eisenbahnwagen be- oder entladen werden sollen, deren Bodenhöhe in gleicher Höhe mit den Fußböden der Lagerräume sich befindet, so daß die Karrenfahrt bis in die Wagen hinein stattfinden kann. Die Stechkarre hat eine Tragkraft von 100 bis 1000 kg. Sie eignet sich besonders gut zur Beförderung einzelner und auch schwerer Gegenstände, die sich nur mühsam auf größere Höhen heben lassen. Die Stechkarre wird mit ihrer vorderen, nahe dem Erdboden befindlichen Schneide unter die Last gebracht, letztere gegen die Karre gedrückt und nun Karre und Last zusammen so umgekippt, daß die Last völlig von der Karre getragen wird. Auf diese Weise vermag ein Arbeiter ohne weitere Hilfe verhältnismäßig schwere Lasten auf die Karre zu bringen und auf ebener Fahrbahn fortzuschaffen.

Auf größeren Bahnhöfen mit regem Gepäckverkehr und auch sonst, wo der Beförderungsweg für das Gepäck durch Gepäcktunnels oder über Aufzüge führt, sind für diesen Zweck besonders gebaute G. allgemein im Gebrauch. Sie werden als Bahnsteigwagen[292] bezeichnet. Ihre Bauart ist aus der Abb. 215 ersichtlich. Der Wagenkasten ruht auf drei niedrigen, gußeisernen Rädern. Die Achse der beiden Vorderräder ist unbeweglich, während das Hinterrad als Leit- oder Lenkrad um eine senkrechte Achse drehbar angeordnet ist. Infolge dieser Anordnung der Räder sind solche G. sehr leicht lenkbar. Sie können auch bei wechselnder Bewegungsrichtung mit großer Leichtigkeit fortbewegt werden. Die Abmessungen der Bahnsteigwagen werden mit denen der Aufzüge in Übereinstimmung gebracht, derart, daß in der Regel ein Karren, seltener deren zwei, die Bühne des Aufzuges ausfüllen. Bei den am meisten gebräuchlichen Abmessungen der Bahnsteigwagen hat deren Bodenfläche eine Länge von 145 cm und eine Breite von 90 cm. Auf den Aufzugbühnen, in den Gepäcktunnels oder an Stellen, wo es sonst auf Einhaltung der Fahrbahn besonders ankommt, sind in der Regel Gepäckkarren-förmige Fahrschienen zur Führung der Wagenräder in den Fußboden eingelassen.

Um das Geräusch beim Fortbewegen der G. zu mildern oder auch zur Schonung der Fußbodenbefestigung werden die Laufflächen der Räder häufig mit Gummireifen versehen. Da die G. auf den Bahnsteigen vielfach vor Einlaufen der Züge und nahe am Gleise aufgestellt werden müssen, so ist ihre Sicherung gegen unbeabsichtigte Fortbewegung erforderlich. Die Bahnsteigwagen werden deshalb mit einer Spindelbremse ausgerüstet. Einen G., dessen Bremsung selbsttätig wirkt, hat die London & North-Western Railway auf ihren Bahnhöfen eingeführt. Der Wagen (vgl. Rev. gén. d. ehem. 1908, S. 121, im Augustheft des XXXI. Bd.) wird an einem deichselartigen Hebel fortbewegt. In der Ruhestellung dieses Hebels drückt eine Feder einen Bremsklotz an das Lenkrad des Wagens. Beim Bewegen des Wagens wird der Hebel niedergedrückt und dadurch die Bremse gelöst, während beim Loslassen des Hebels die Bremse sofort wieder in Tätigkeit tritt.

Auf den französischen Bahnen hat man eine beschleunigte Gepäckabfertigung auf großen Bahnhöfen dadurch erzielt, daß das Gepäck bereits am Bahnhofseingang auf G. verladen wird, auf denen es bis zur Verladung in den Gepäckwagen des Zuges verbleibt. Bei der Abfertigung werden G. und Gepäck auf einer in den Fußboden eingelassenen Wage gewogen und das Gewicht der G. in Abzug gebracht. Da hierbei für jeden Reisenden ein besonderer G. gebraucht wird, so erhalten die G. in diesem Falle kleinere Abmessungen als sie sonst üblich sind. Es finden daher zwei solcher G. nebeneinander in einem Aufzug Platz. Ihr Eigengewicht beträgt 100 kg. Ihre Bauart ist der in Abb. 215 dargestellten ähnlich.

Von der Zuführung des Gepäcks hängt vielfach die Abfahrzeit der Züge ab. Um sie zu beschleunigen, ist auch die Verwendung von Kraftwagen zum Heranschaffen des Gepäcks an die Züge versucht worden. So hat die französische Nordbahn im Jahre 1902 einen solchen Kraftwagen mit elektrischem Akkumulatorantrieb erbaut, der 1200 kg Gepäck mit einer Geschwindigkeit von 75 m i. d. Min. fortzuschaffen vermag. Auch die Pennsylvania-Eisenbahn hat Wagen gleicher Bauart für die Gepäckbeförderung innerhalb ihrer Bahnhöfe in Philadelphia und Altoona in Dienst gestellt (vgl. Märzheft des Jg. 1908, Bd. XXXI, S. 248 der Rev. gén. d. chem.).


Ebenso sind elektrisch angetriebene, mit 4 kleinen Rädern versehene Karren zur Beförderung der Eil- und Frachtgüter auf den Güterböden und Ladehallen der amerikanischen Eisenbahnen vielfach in Gebrauch. Infolge ihrer niedrigen Bauart können sie in die Eisenbahnwagen hineinfahren und dort be- oder entladen werden.

Breusing.

Abb. 210.
Abb. 210.
Abb. 211.
Abb. 211.
Abb. 212.
Abb. 212.
Abb. 213.
Abb. 213.
Abb. 214.
Abb. 214.
Abb. 215.
Abb. 215.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 292-293.
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292 | 293
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