Pferdebahnen

[67] Pferdebahnen (horse tramways, tramroads; tramways à chevaux; tramvie a cavalli), Gleisanlagen, auf denen Wagen von Pferden bewegt werden. Die P. entstanden in ihrer ältesten Form aus den hölzernen, später eisernen, seit Jahrhunderten üblichen Huntebahnen der Bergwerke. Ihr Wert lag in der Abminderung der Reibungswiderstände, vielleicht auch in der Verminderung der Wegeerhaltungskosten. P. werden unterschieden in solche, die zumeist im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts mit eigenem Bahnkörper als Hauptbahnen hergestellt wurden, weil die Erbauer den Lokomotivbetrieb für zu kostspielig hielten oder Neigungen in ihren Trassen vorsahen, die die damaligen Lokomotiven schwer hätten erklimmen können. Zu dieser Art von P. gehören: die Trambahn bei Coventry nach Ashby-de-la Zourk, erbaut vor 1818, aufgelassen 1872, die Linz-Budweiser P., Spurweite 1∙106 m, die Mitte der Sechzigerjahre außer Betrieb gesetzt wurde, die Bahn Prag-Lana gleicher Spur, die bald nach ersterer entstand und ebenso wieder verschwand, die oberschlesischen Roßbahnen, Spur 0∙785, die Zufuhren im Hüttengebiet besorgten (diese Bahnen gingen auf Dampf betrieb und später auf elektrischen Betrieb über); die ältesten Teile der Bröhltalbahn gleicher Spur und eine größere Zahl kurzer Linien in Südamerika, besonders Brasilien, über die nähere Angaben nicht vorhanden sind. Eine dieser Bahnen besaß einen Schlafwagen sowie einen Hofsalonwagen. Hierher gehört auch eine Bahn von Carlisle nach dem jetzt verschlammten Hafen Port Carlisle am Solway, die von dem 1853 eingeführten Lokomotivbetrieb im Jahre 1899 auf reinen Pferdebetrieb überging, der erst 1913 aufgegeben wurde. Die P. dieser Gruppe waren ausnahmslos schmalspurig und wurden einspännig[67] betrieben. Waren 2 Pferde nötig, so wurden sie hintereinander gespannt, weil sie nebeneinander im Gleis nicht Platz fanden.

P. auf Straßen, deren erste in Boston (Mass.), Johnstown Pa., Vereinigte Staaten, 1831 eröffnet wurden, fanden bis gegen Anfang des 20. Jahrhunderts große Verbreitung. Ihre Schienen- und Wagenbauarten waren für die heutigen Straßenbahnen mit mechanischem Betrieb grundlegend. Diese P. waren meist normalspurig hergestellt, damit 2 Pferde nebeneinander Platz fanden. Der Oberbau bestand aus Querschwellen, die wieder Langschwellen trugen, auf welch letzteren Flachschienen mit Rille befestigt waren. In Amerika fehlte an der Schiene die Gegenschiene und somit die Rille, es war nur ein Absatz im Schienenkopf vorhanden. Später folgten ganz eiserne ein- und mehrteilige Schienensysteme ohne Schwellen, von denen insbesondere die Phönixschiene, die damals durch Umbiegen des Lappens zur Gegenschiene hergestellt wurde, heute als Regelschiene der Straßenbahnen erhalten ist. Die Wagen waren bei den ältesten P. mit Seiteneinstieg im Aussehen von 2–3 aneinandergereihten Straßenkutschen hergestellt. Später folgten Mittelgangwagen mit Endplattformen, die im wesentlichen heute noch bei elektrischen Bahnen üblich sind. Die P. mußten zur Schonung der Pferde auf äußerst geringes Gewicht der Wagen sehen, wozu verschiedene Bauarten, wie ganz offene Wagen, bedeckte Wagen mit offenen Decksitzen, besonders in England und Frankreich herangezogen wurden. Die größten Verdienste in dieser Hinsicht erwarb sich die John Stephenson Co. in Philadelphia. Die von ihr gebauten Einzelteile wurden für die P. aller Länder vorbildlich. Man baute damals Wagen, die, auf den Sitz- und Stehplatz gerechnet, bis zu 45 kg Eigengewicht herabgingen, infolge ihrer Schwäche rasch zu gründe gingen, sich aber durch Schonung der Pferde bezahlt machten. Mehrere P. hatten überdies nur auf einer Seite Spurkränze, z.B. in Paris, um das Durchfahren von Bogen zu erleichtern. Einzelne konnten zum Umfahren von Hindernissen rasch das Gleis verlassen (Haag-Delft, Berlin-Weissensee, Paris u.s.w.). Viele alte Pferdebahnwagen stehen heute noch als Anhänger auf elektrischen Bahnen im Betrieb. Von dieser Art von P. rühren auch mannigfache Verbesserungen in Beschirrung und Anspannung der Pferde (Stahlkummete, Zugpunkthöhebestimmungen) her. Die Straßenpferdebahnen wurden bereits seit 1870 durch Dampflokomotiven und Dampfwagen besonders in England, Deutschland, Österreich und Ungarn verdrängt. Diese Betriebsarten bewährten sich aber ebensowenig wie die von Amerika ausgehenden Kabelbahnen, Bauart Hallidie, S. Francisco, so daß heute die elektrische Beförderung auf Straßenbahnen fast alleinherrschend ist. P. auf der Straße sind bis heute nur vereinzelt im Betrieb geblieben, wie auf Bäderstrecken mit kurzem Jahreszeitbetrieb und in modernen Hafenanlagen mit maschinellem Betrieb u.s.w. Solche Linien arbeiten heute ausnahmslos mit Verlust.

P. im weiteren Sinne sind Schleppbahnen mit Pferdebetrieb, die bei sehr geringem Verkehr und größeren Entfernungen sich immer noch bewähren. Auf solchen P. verkehren Wagen der Hauptbahnen, denen Pferde, häufiger noch Ochsen in der Art vorgespannt werden, daß sie an einer langen Kette außerhalb des Gleises wie auf einem Schiffstreidelweg gehen. Zur Erleichterung solcher Betriebe haben manche Verwaltungen an den Güterwagen eine Federlasche als Zughaken ausgebildet, in den die Zugkette des Gespanns eingehängt wird.

Bei einzelnen in einer Richtung fortwährend steigenden P. im Westen Nordamerikas (Denver, Ontario Cal. u.s.w.) wurde hinter dem Personenwagen ein leichter Lattenkarren mitgeführt, in die bei der Talfahrt die Pferde verladen wurden, die den Wagen zu Berg gezogen hatten. Aus diesen P. entstanden in Japan und in Beira (Südafrika) Straßenbahnen, deren sehr leichte Wagen zu Berg von Menschen (Kulis) geschoben wurden, wobei die Kulis talab auf der Vorderplattform mitfuhren. Diese Bahnart ist wohl keine P., aber den P. im Wesen gleich.

Literatur: Heusinger v. Waldegg, Spezielle Eisenbahntechnik, Bd. V. (einzige Auflage 1875). – Straßen- und Zahnbahnen, herausgegeben vom VDEV., ältere Jahrgänge vom Organ; Engg.; Eng.; Street Railway Rev.

v. Littrow.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 67-68.
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