Preßluftlokomotiven

[115] Preßluftlokomotiven, Lokomotiven, die durch gepreßte Luft angetrieben werden. Die Druckluft wird in Stahlbehältern auf der Lokomotive mitgeführt und an einem oder mehreren Punkten der Strecke (Füllort) ergänzt. Die Antriebsmaschine unterscheidet sich in der Bauart von jener einer Dampflokomotive nicht wesentlich. Statt Dampf kommt Druckluft zur Verwendung, die jedoch zunächst durch ein besonderes Druckminderungsventil von dem hohen Behälterdruck auf einen viel niedrigeren Arbeitsdruck gebracht wird. Der größte Behälterdruck beträgt bei älteren Bauarten 50–60, bei neueren 100–150 Atm. Damit die Behälter diesem großen Druck entsprechen, ist ihr Durchmesser vermindert und die Anzahl der Behälter vermehrt (Stahlflaschen). Durch die starke Raumvermehrung bei der Ausdehnung der hochgespannten Luft wird Wärme gebunden. Bei Vorhandensein von Wasserdampf und niedriger Außentemperatur tritt die Gefahr der Vereisung ein. Es werden die P. daher mitunter mit Luftvorwärmern versehen. Bei 2facher Dehnung[115] in Arbeitszylindern hintereinander (Verbund-Preßluftlokomotiven) wird nicht nur die Gefahr der Vereisung vermieden, sondern auch größere Wirtschaftlichkeit erreicht.

Der Arbeitsdruck ist bei einfacher Dehnung etwa 10, bei der Verbundwirkung etwa 15 Atm. Die Arbeitszylinder sind so groß bemessen, daß auch bei geringeren Drücken die Fahrt der Lokomotive möglichst lange gesichert bleibt. Die Bedienung der P. ist sehr einfach. Außer der Umsteuerung, die in gleicher Weise wie an Dampflokomotiven zu handhaben ist, ist nur ein Einlaßventil und eine Bremse vorhanden. Die P. können sehr klein ausgeführt werden, so daß enge und niedrige Stollen befahren werden können. Um die Breitenabmessungen möglichst einzuschränken, werden die Arbeitszylinder oft zwischen die Rahmen gelegt. P. neuerer Bauart vermögen Strecken von 4–5 km von einem Füllort bis zum andern zurückzulegen, wobei Steigungen von 3–10% überwunden werden können. Das Gewicht der P. wechselt je nach dem Verwendungszweck zwischen 4 und 7 t.

Während früher die Verwendung der P. sehr beschränkt war, ist in den letzten Jahren durch die Einführung von besonders hohen Behälterdrücken und durch die Verbundwirkung das Verwendungsgebiet sehr erweitert. P. sind überall, wo völlige Rauchfreiheit erwünscht oder Feuer und Funken zu vermeiden sind, verwendbar. Sie werden namentlich in Bergwerken mit geringen Stollenabmessungen und ungenügender Lüftung den elektrischen Lokomotiven vorgezogen, da die Fahrleitung der letzteren eine ständige Gefahr bildet. Desgleichen sind in Bergwerken mit Schlagwettern P. in steigender Verwendung, da sie Feuer und Funken völlig vermeiden, während die Funken der elektrischen Lokomotiven an Stromabnehmern und Bürsten die Verwendung letzterer Lokomotiven in Bergwerken mit Schlagwettern ausschließen. Um an P. in diesem Fall auch die Bildung von Funken durch Gleiten der Triebräder auf den Schienen zu vermeiden, werden die Arbeitszylinder im Verhältnis zum Reibungsgewicht klein gewählt. Auch in feuergefährlichen Betrieben über Tag sind daher P. hauptsächlich in Nordamerika in Verwendung. Ein besonderes Verwendungsgebiet der P. bildet der Bau großer Tunnel. P. wurden mit großem Erfolg beim Bau der Gotthard-, Simplom-, Lötschberg-Tunnel u.s.w. verwendet. Da die Lüftung der engen, meist ansteigenden Richtstollen mit Rücksicht auf die große Zahl von Arbeitern und die hohe Temperatur besonders erschwert ist, schließen sie hier andere Betriebsarten von vornherein aus. Da außerdem bei großen Tunnelbauten Preßluft auch zu anderen Zwecken im größeren Umfang erzeugt wird, liegt die Anwendung von P. um so näher. P. für Tunnelbauten werden mit Rücksicht auf den Betrieb in den meist sehr engen und niedrigen Richtstollen möglichst gedrungen gebaut. Die Arbeitszylinder liegen gewöhnlich zwischen den Rahmen; der Führerstand ist in der Regel hinter den Luftbehältern untergebracht.


Abb. 75 a zeigt eine mit 3 Flaschen versehene Dreifachexpansions-Preßluftlokomotive, wie sie von der Berliner Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. L. Schwartzkopff in Berlin ausgeführt wird. Diese P. ist mit 2 Anwärmern versehen. Der Auspuff des Niederdruckzylinders ist als kleiner Schornstein in der Stirnansicht Abb. 75 b ersichtlich. Die Stirnplatte (Abb. 75 c) trägt die gesamten, für die Bedienung der P. erforderlichen Einrichtungen: das Füllventil zum Auffüllen der Behälter, das mit einer Alarmpfeife ausgerüstete Sicherheitsventil, das eine Überschreitung des zulässigen Höchstdrucks verhindert, das Reduzierventil, das den Füllungsdruck von 130 bis 150 Atm. auf den Arbeitsdruck von 25–30 Atm. ab spannt, ein Hauptabsperrventil, eingebaut zwischen den Hochdruckbehältern und dem die abgespannte Luft aufnehmenden Arbeitsbehälter, das gestattet, bei Schluß der Förderung, Reparatur u.s.w. die Hochdruckbehälter abzusperren und so Luftverluste zu vermeiden, das Füllventil zum Regulieren der Fahrgeschwindigkeit, den Steuerhebel für Vor- und Rückwärtsfahrt, eine auf beide Achsen wirkende Hebel bremse, einen Hebel zur Betätigung des Sandstreuers sowie je ein Manometer zum Messen des Füllens und des Arbeitsdrucks (s. Abb. 75 c). Der Führersitz ist, um einen Gewichtsausgleich gegenüber den am andern Ende befindlichen Zylinder zu schaffen, als ein geschlossenes Ganzes, besonders kräftig, in Gußeisen ausgeführt. Der Sitzplatz des Führers ist so angeordnet, daß er bequem die Strecke übersehen kann. Der Aktionsradius der P. richtet sich nach der Größe der Hauptbehälter und der Höhe des Füllungsdrucks; er beträgt infolge des geringen Luftverbrauches der P. je nach den sonstigen örtlichen Verhältnissen (Zustand der Gleise und Wagen, Krümmungshalbmesser, Steigungen u. dgl.) bis zu 9000 m, d.h. die P. ist im stände, den Leerzug bis zu 4500 m vor Ort und den beladenen Zug dieselbe Strecke zurück zum Schacht zu schleppen, ehe eine Neufüllung erforderlich wird.

Sanzin.

Abb. 75 a.
Abb. 75 a.
Abb. 75 b.
Abb. 75 b.
Abb. 75 c.
Abb. 75 c.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 115-116.
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