Radiallokomotiven

[151] Radiallokomotiven (radial locomotive; locomotive à inscription en courbe; locomotiva con disposizione di spostamento delle sale nelle curve), Lokomotiven, deren angetriebene Endachsen sich zum Zweck des leichten, zwanglosen Durchlaufs durch scharfe Bögen nach dem Krümmungshalbmesser einstellen. Als Beispiele solcher Lokomotiven sind die Bauarten von Klose, Klien-Lindner und Helmholtz anzuführen.

a) Bauart Klose. Bei dieser ist der Gedanke zur Ausführung gebracht, daß die in gabelförmigen Lenkern gelagerten Endachsen durch Vermittlung von Hebeln und Stangen bei Einlauf in eine Bahnkrümmung infolge Verschiebung ihrer Lagerung in entgegengesetzte Richtungen nach dem Krümmungshalbmesser eingestellt werden. Die Einstellung wird eingeleitet entweder durch die Winkelstellung des Tenders oder Tendergestells oder durch Verschiebung einer Mittelachse. Durch die Radialstellung der Endachsen ist eine entsprechende Verkürzung und Verlängerung der Kuppelstangen notwendig. Dies geschieht in der Weise, daß die zu den Endachsen führenden Kuppelstangen in eine Scheibe oder ein Lenkstück eingehängt sind und durch die Verdrehung dieses Teiles, der gleichzeitig bei Einstellung der Endachsen beeinflußt wird, um das richtige Maß verkürzt oder verlängert werden. Die[151] Scheibe oder das Lenkstück ist mit der Einstellvorrichtung durch eine Parallelschwinge verbunden. Abb. 76 zeigt die Anordnung mit Beeinflussung der Einstellung vom Tender oder Tendergestell aus, Abb. 77 eine solche, bei der die Mittelachse die Einstellung besorgt. Bei dieser letzten Anordnung ist das Lenkstück und die Parallelschwinge mit dem Kreuzkopf in Verbindung.

Klosesche R. sind hauptsächlich in Württemberg, in Bosnien und in der Herzegowina mit gutem Erfolg hinsichtlich geringer Abnützung der Spurkränze zur Einführung gelangt. Seitdem jedoch die verschiebbaren Gölsdorf-Achsen und die Klien-Lindner-Achsen im Lokomotivbau sich einbürgerten, ist die Klosesche Anordnung zurückgedrängt worden.

b) Bauart Klien-Lindner. Die unter »Hohlachsen« (s.d.) beschriebene Achse von Klien-Lindner wird in der Originalausführung oder mit der Abänderung von Orenstein und Koppel bei Schmalspurlokomotiven, die sehr scharfe Bögen zu durchfahren haben, häufig angewendet. Bei Normalspur findet man diese Anordnung nur selten. Um ein Hin- und Herpendeln der Hohlachse um den Mittelpunkt zu hindern, werden die Klien-Lindner-Achsen häufig in eine Art Deichsel- oder Bisselgestell (z.B. von Hagans) gelagert oder es werden die Endachsen durch Stangen und Hebel so miteinander verbunden, daß sie einander bei Einlauf in Bögen für die Winkelstellung gegenseitig beeinflussen. Orenstein und Koppel verbindet die Klien-Lindner-Achsen mit dazwischen liegenden verschiebbaren Achsen durch eine Art Helmholtzgestell.

Die Klien-Lindner-Achsen haben sich im allgemeinen gut bewährt, die Abnutzung ihrer Spurkränze ist im Vergleich zu steifen Achsen gering. Sie stellen sich bei Einlauf in Bögen richtig ein, als Hinterachsen laufen sie sogar am äußeren Schienenstrang.

c) Bauart von Helmholtz. Die Abb. 78 zeigt die Anordnung zweier Krauß-Helmholtz-Gestelle G mit den Drehzapfen d.

Die Endachsen c sind im Gestell G fest gelagert, stellen sich somit radial ein. Die Mittelachsen A werden durch die Zapfen e geführt und sind achsial verschiebbar. In der Mitte der Maschine sind die Drehgestelle durch den Zapfen b verbunden, es beeinflußt daher die Verdrehung des einen Gestells auch das andere Gestell. Nachdem die Endachsen c sich radial stellen, die Mittelachsen A sich nur seitlich verschieben, so müssen die diese Achsen verbindenden Kuppelstangen K entsprechend verlängert oder verkürzt werden. Dies geschieht durch die in der mittleren Kuppelstange f gelagerten Winkelhebel l, die durch die Gleitstücke g, die Stange i, das Mittelstück h bei Verschiebung des Zapfens b verdreht werden und hierdurch die Verkürzung oder Verlängerung der Kuppelstangen K bewirken. Die beschriebene Anordnung wurde bei einigen Lokomotiven der bosnisch-herzegowinischen Bahnen ausgeführt und hat sich trotz ihrer Vielteiligkeit bewährt.

Andere Mittel als die hier beschriebenen, Lokomotiven kurvenbeweglich zu machen, sind die Teilung des Triebwerks in 2 Gruppen, von denen wenigstens die eine aus der Maschinenachse bei Durchlauf durch Bahnkrümmungen auslenkt (Schemellokomotiven); das einfachste, jedoch nur bei nicht übermäßig scharfen Krümmungshalbmessern anwendbare Mittel sind die Gölsdorfschen verschiebbaren Achsen (s. auch die Art. Bisselgestell, Drehgestelle, Deichselgestelle, Doppellokomotiven). Bezüglich[152] der Krümmungslokomotive Bauart Garrat s. Art. Darjeeling-Himalaya-Bahn.

Literatur: Die Lokomotiven der Gegenwart, 1903, 2. Aufl.

Rihosek.

Abb. 76. Triebwerk nach Klose.
Abb. 76. Triebwerk nach Klose.
Abb. 77. Triebwerk von Klose (Württembergische Staatsbahn).
Abb. 77. Triebwerk von Klose (Württembergische Staatsbahn).
Abb. 78. Einstellbares Triebwerk, Bauart von Helmholtz.
Abb. 78. Einstellbares Triebwerk, Bauart von Helmholtz.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 151-153.
Lizenz:
Faksimiles:
151 | 152 | 153
Kategorien: