Rauchfang

[173] Rauchfang (chimney, smoke-stack; cheminée; camino). Hier sollen lediglich die bei Lokomotiven in Anwendung stehenden R. besprochen werden.

Die bei den Lokomotiven verwendeten R. (Abb. 101 ad) sind wegen der geringen zur Verfügung stehenden Bauhöhe (nach den technischen Vereinbarungen über den Bau und die Betriebseinrichtungen der Haupteisenbahnen dürfen die Lokomotivschornsteine nur bis 4∙65 m über Schienenoberkante reichen) an sich zur Hervorbringung des zur Verbrennung der Kohle notwendigen Zugs nicht geeignet.

Es wird daher der Abdampf der Lokomotivmaschine zur Erzeugung einer künstlichen Zugwirkung in den R. geleitet. Der dem Blasrohr (s.d.) entströmende Abdampf erzeugt im düsenartig gebauten R. eine kräftige Saugwirkung, so daß die Rauchgase durch die Feuerrohre angesaugt und durch den R. ausgestoßen werden.

In Verbindung mit dem Blasrohr muß der R. einen mit möglichst großem Wirkungsgrad arbeitenden Saugapparat bilden, u.zw. bei Anwendung einer möglichst geringen Blasrohrpressung. Die Durchführung dieser an sich nicht einfachen Aufgabe wird noch dadurch erschwert, daß bei Verwendung von minderwertigem, leichtem Brennstoff in oder auf dem R. noch besondere Vorrichtungen zur Verhinderung des Funkenwurfes angebracht werden müssen (s. Funkenfänger), wodurch der Wirkungsgrad des R. vermindert und die Blasrohrpressung, mithin auch der Gegendruck auf die Kolben vergrößert wird.

Bauart der R. Der R. besteht in der Regel aus einem Unterrohr U und dem eigentlichen R. R. Diese Ausführungsweise erfolgt beinahe[173] immer dann, wenn das Material für Unterrohr und R. aus Gußeisen hergestellt ist (Abb. 101 ad).

Die Anwendung eines besonderen Untersatzes bietet insofern einen Vorteil, als die Montierung des leichteren Untersatzes, und dessen Aufpassen auf den Rauchkasten bequemer und auch besser vorzunehmen ist, als das Aufpassen eines vollständigen R., dessen Gewicht ungefähr 350 kg beträgt, und die Übereinstimmung der Vertikalachsen von R. und Blasrohr mit größerer Genauigkeit erzielt werden kann, nachdem von der nahe der Blasrohrmündung gelegenen, gedrehten und genau wagrecht gestellten Flansche F leichter die notwendigen Messungen (Zentrierung und Absenkelung) vorgenommen werden können.

Der eigentliche R. R ist unten mit einer der Untersatzflansche entsprechenden Flansche F1 und oben mit einem teils zur Verstärkung, teils zur Verzierung, teils auch als Angriffsrand beim Abheben dienenden Wulst versehen.

In manchen Ausführungen (Krauß & Cie. in München, sächsische Staatsbahnen, württembergische Staatsbahnen, schweizerische Bahnen u.s.w.) wird dem oberen Wulst die Form Abb. 101 e gegeben; diese Form hat den Zweck, dem aus dem Kessel mitgerissenen, durch das Blasrohr an die Schornsteinwandungen geschleuderten Wasser den Austritt ins Freie zu verhindern, dient also zur Verminderung des »Spuckens«.

In ähnlicher Weise wie die R. aus Gußeisen sind die R. aus Eisenblech gebaut (Abb. 101 b, Unterrohr und R. aus Eisenblech; Abb. 101 c, Untersatz aus Gußeisen, R. aus Eisenblech; Abb. 101 d, Schornsteinuntersatz und R. aus Eisenblech ohne Anwendung einer Flansche).

Um einen bestimmten Wirkungsgrad des R. zu sichern, muß zwischen der Menge der anzusaugenden Rauchgase und der Menge und Pressung des Auspuffdampfes ein bestimmtes Verhältnis herrschen, es muß ferner zwischen den Größen: Rostfläche, Siederohrquerschnitt, Schornsteinquerschnitt an der engsten Stelle, Schornsteinquerschnitt an der weitesten Stelle, Querschnitt der Blasrohrmündung, Abstand der engsten Schornsteinstelle von der Blasrohrmündung, Gasmenge und Dampfgewicht mit den entsprechenden Geschwindigkeiten, ein bestimmter Zusammenhang bestehen. Theoretische Arbeiten und praktische Versuche von großer Wichtigkeit, ausgeführt von Zeuner, Prüssmann, Grove, Strahl und Goß, haben das Ergebnis geliefert, daß die günstigste Form des R. die Form eines Doppelkonus mit Bogenübergang zwischen den beiden Konen sei (konische R., auch Prüssmann-Schornstein, Abb. 101 a, b u. d), welche Form gegenüber der älteren, jedoch auch noch heute angewendeten Ausführungsweise des sog. zylindrischen R. (Abb. 101 c u. e) den Vorteil hat, bei Anwendung gleich großer Blasrohrschnitte in beiden Fällen eine größere Luftmenge liefern zu können.

Auf die ausführlichen Theorien: Grove, Das Lokomotivblasrohr; Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik; Zeuner, Über die Wirkung des Blasrohrapparats bei Lokomotiven mit konisch divergenter Esse; G. Meyer, Grundzüge des Eisenbahnmaschinenbaues; Strahl, Organ 1911, S. 321 (auch Sonderabdruck) verweisend, wird nur bemerkt, daß bei normalen Ausführungen der Querschnitt des R. an der engsten Stelle (Prüssmann) gewöhnlich 0∙30–0∙33 des Querschnitts der Siederohre beträgt, während der entsprechende Koeffizient bei zylindrischen R. mit 0∙45–0∙5 angenommen werden kann. Die Neigung der Seitenwände wird bei Prüssmann mit 1/121/15 Konus ausgeführt.

Nachdem die Wirkung des R. sich zunächst im Rauchkasten, dann erst in den Siederohren[174] und in der Feuerbüchse äußert, ist auch der Rauminhalt der genannten Teile von größerem Einfluß auf die Wirkungsweise des R., u.zw. in der genannten Reihenfolge, und bedingen in erster Linie die Größe der von Zeuner, Grove u.s.w. in Rechnung gestellten, sehr veränderlichen Erfahrungswerte.

An Lokomotiven neuerer Bauart mit sehr hochliegenden Kesseln ist die Ausbildung der R. als Saugvorrichtung oft sehr erschwert. Es hat sich ferner gezeigt, daß der Heißdampf eine geringere Saugwirkung hervorbringt als der Naßdampf, so daß zur Erzielung derselben Zugwirkung Heißdampflokomotiven engere Blasrohre und R. erhalten müssen als Naßdampflokomotiven.

Die Entfernung A der engsten Stelle von der Blasrohrmündung (Abb. 101 a) wird annähernd genau gerechnet aus der Formel A = 5 (D – 2 d), wobei D Durchmesser des R. an der engsten Stelle, d Durchmesser der Blasrohrmündung bedeutet (Grove).

Um den Einfluß des entgegen der Fahrtrichtung wirkenden Windes auf den Austritt der Gase aus dem R. abzuschwächen, werden mitunter bei Lokomotiven, die stets mit dem R. vorausfahren, die R. oben nicht wie sonst wagrecht, sondern nach »vorne ansteigend« abgeschnitten. Auch werden oft besondere Windschirme oder Rauchlenkschirme am R. angebracht, um besonders an niedrigen R. ein Niederschlagen des Rauches zu vermeiden.

Manche Bahnen (insbesondere in Frankreich) verwenden drehbare Schornsteindeckel zu dem Zweck, um in den Heizhäusern das Kaltwerden langsam vor sich gehen zu lassen und um hölzernes Gebälk vor Funken und großer Hitze zu schützen.

Als außergewöhnliche Ausführungsformen der R. seien noch erwähnt die R. mit quadratischem Querschnitt, die bei einigen belgischen, für Staubkohlenfeuerung eingerichteten Lokomotiven Anwendung finden (vgl. auch Art. Blasrohr u. Funkenfänger).

Sanzin.

Abb. 101 a –e.
Abb. 101 a –e.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 173-175.
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