Speisewasservorwärmung

[101] Speisewasservorwärmung. Sie dient dazu, das für die Speisung von Dampfkesseln erforderliche Wasser vor Eintritt in den Kessel auf eine höhere Temperatur zu bringen. Die Vorteile, die damit erlangt werden, sind hauptsächlich: 1. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, da das bereits vorgewärmte Wasser im Kessel keinen so großen Wärmeaufwand zur Überführung in Dampf erfordert als kaltes Wasser; 2. Steigerung der Leistungsfähigkeit, da bei[101] Aufwand derselben Wärmemenge im Kessel bei vorgewärmtem Speisewasser mehr Dampf erzeugt werden kann als bei kaltem; 3. Verminderung der Kesselsteinbildung, da bei der Vorwärmung sich ein großer Teil des Kesselsteins ausscheidet und im Vorwärmer zurückbleibt; 4. Schonung der Kessel, da durch das vorgewärmte Speisewasser der Temperaturunterschied in den Kesseln nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich gleichmäßiger verläuft, hierdurch werden schädliche Spannungen vermindert oder ganz hintangehalten. Alle diese Vorteile haben bewirkt, die an ortsfesten Kesseln bereits fast allgemein verwendete S. in den letzten Jahren auch bei Lokomotiven einzuführen.

Das im Lokomotivbetrieb verwendete Speisewasser hat ohne Vorwärmung im Jahresdurchschnitt eine Temperatur von etwa 10° C Bei Verwendung der bisher allgemein gebräuchlichen Injektoren wird das Speisewasser auf etwa 70° vorgewärmt, es ist hierzu jedoch eine nicht unbedeutende Menge frischen Kesseldampfes zum Betrieb der Injektoren erforderlich. Soll eine stärkere Vorwärmung in Betracht kommen, so ist jedoch die Verwendung von Injektoren unzweckmäßig. Wird der Vorwärmer zwischen den Wasserkasten und den Injektor gelegt, in das Saugrohr eingebaut, so müßte der Injektor heißes Wasser ansaugen, was bei größeren Temperaturen (mehr als 50°) mit Rücksicht auf die Wirkungsweise des Injektors unmöglich ist. Wird anderseits der Vorwärmer zwischen Injektor und Kessel, ins Druckrohr eingebaut, so würde das bereits auf 70° vorgewärmte Wasser wegen des geringeren Temperaturgefälles nur mehr wenig Wärme aufnehmen und trotz großer Heizflächen im Vorwärmer einen ungünstigen Wirkungsgrad ergeben. Es ist daher bei S. die Verwendung von Dampfpumpen notwendig. Diese sichern auch bei Temperaturen des Wassers von mehr als 100° die Speisung.

Beträgt die Temperatur des Speisewassers vor dem Eintritt in den Vorwärmer 10° und ermöglicht dieser eine Erwärmung auf 100°, so müssen dem Speisewasser durch den Vorwärmer 90∙5 Wärmeeinheiten zugeführt werden. Um Speisewasser von 10° in Naßdampf von rund 14 Atm. Überdruck zu verwandeln, sind 656∙7 Wärmeeinheiten erforderlich, bei der Vorwärmung auf 100 ° aber nur 656∙7–90∙5 = 466∙2 Wärmeeinheiten. Es ist somit bei Naßdampf auf eine Wärmeersparnis von


Speisewasservorwärmung

zu rechnen. Bei Heißdampf mit 14 Atm. Überdruck und einer Temperatur von 330° ist der Wärmeaufwand bei Speisewasser von 10° C 729∙7 Wärmeeinheiten, wenn die spezifische Wärme mit 0∙55 vorausgesetzt ist. Die Wärmeersparnis ist daher bei Heißdampf nur mit


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zu bewerten.

Unter Annahme dieser Grundwerte sind in nachfolgender Zusammenstellung 1 für eine Kohle von 7000 Wärmeeinheiten die Ersparnisse angeführt, die bei Naß- und Heißdampf-, Zwilling- und Verbundlokomotiven im Durchschnitt zu erlangen sind. Wie zu erwarten, ist bei den wärmetechnisch vollkommener ausgebildeten Lokomotiven der Gewinn durch die S. wesentlich geringer als an der Naßdampflokomotive mit einfacher Dampfdehnung. Hieraus ist abzuleiten, daß namentlich an den älteren Naßdampflokomotiven durch die S. eine merkliche Steigerung der Wirtschaftlichkeit zu erwarten ist, während an den neueren Heißdampflokomotiven der Erfolg ein begrenzter ist. Immerhin ist an den Heißdampflokomotiven der Erfolg durch Verwendung von S. ungefähr gleich dem Erfolg durch Anwendung der Verbundwirkung.


Zusammenstellung 1.


Speisewasservorwärmung

Im Betrieb erweist sich der Gewinn gewöhnlich noch etwas günstiger, als die Rechnung ergibt,[102] da bei gleichbleibender Leistung die Beanspruchung des Kessels durch die S. vermindert wird. Die geringere Kesselbeanspruchung führt aber eine Besserung des Kesselwirkungsgrades herbei und bringt hierdurch eine weitere Brennstoffersparnis mit sich. So ist z.B. ohne Verwendung der S. an einer Naßdampf-Zwillinglokomotive eine bestimmte Leistung mit einer Rostbeanspruchung von 500 kg Kohle für 1 m2 Rostfläche und Stunde zu erreichen. Die Verdampfungsziffer stellt sich hierbei auf 5∙99 und der Gesamtwirkungsgrad des Kessels auf 62∙7%. 1 m2 Kesselheizfläche erzeugt 58∙5 kg Dampf in der Stunde, wobei für jedes kg Dampf 655 Wärmeeinheiten aufgewendet werden, um Speisewasser von 10° in Dampf von 12∙5 Atm. Überdruck zu verwandeln. Wird nun das Kesselspeisewasser auf 100° vor Eintritt in den Kessel durch S. erwärmt, so sind jetzt im Kessel nur 655∙0–90∙5 = 564∙5 Wärmeeinheiten für die Erzeugung eines kg Dampf erforderlich. Die Beanspruchung kann daher wesentlich zurückgehen. Statt einer Rostbeanspruchung von früher 500 kg ist jetzt nur mehr eine solche von 390 kg notwendig. Der Wirkungsgrad des Kessels stellt sich jetzt mit etwa 69∙0% ein und durch die Besserung des Kesselwirkungsgrades allein werden nun unabhängig von der S. etwa


Speisewasservorwärmung

Brennstoff gespart. Hierdurch ist der günstige Erfolg der S. im Betrieb hauptsächlich zu erklären.

Hinsichtlich der Anordnung der Einrichtungen für S. sind hauptsächlich 2 Bauarten zu unterscheiden: 1. Abdampfvorwärmer, die den von der Lokomotivdampfmaschine abströmenden Dampf für die S. verwenden, und 2. Rauchgasvorwärmer, die die hohe Temperatur der in die Rauchkammer entweichenden Heizgase für die S. ausnutzen. Bei ersterer Bauart ist mit einer Temperatur des Dampfes von etwa 110–130° zu rechnen. Das Speisewasser kann daher kaum auf viel mehr als etwa 100° vorgewärmt werden. Bei den Abdampfvorwärmern muß etwa 1/51/6 des abströmenden Dampfes zur S. Verwendung finden. Diese Dampfmenge wird dem Ausströmrohr entnommen und somit dem Blasrohr entzogen. Die Blasrohrwirkung ist daher etwas vermindert, was namentlich bei Heißdampflokomotiven merkbar wird. Gewöhnlich wird der Abdampf etwa vorhandener Luftpumpen von Druckbremsen und der Abdampf der Speisepumpen selbst in den Vorwärmer geleitet. Da die Rauchgase der Lokomotive in der Rauchkammer noch Temperaturen von 300–400° besitzen, so ist durch Rauchkammervorwärmer eine Erhitzung des Speisewassers auf 130–160° leicht möglich. Rauchgasvorwärmer gestatten wegen des größeren Temperaturgefälles auch die Verwendung von Injektoren. Einrichtungen, bei welchen hochgespannter Kesseldampf oder heißes Kesselwasser verwendet wird, um den Kesselstein niederzuschlagen, können als eigentliche S. nicht angesehen werden. Sie bringen in thermischer Beziehung auch keinen Gewinn.

Die erste Einrichtung für S. wurde um 1852 von Kirchweger eingeführt. Bei dieser wurde Tenderwasser durch einen Rohrkörper im Boden des Wasserbehälters vom Abdampf der Lokomotive erwärmt. Diese Einrichtung war ziemlich verbreitet, wurde jedoch sobald verlassen, als an Stelle der damals wenig zuverlässigen Speisepumpen Injektoren eingeführt wurden.

Große Ähnlichkeit mit der S. von Kirchweger besitzt eine Bauart von Drummond, die an zahlreichen Lokomotiven in England in Verwendung steht. Bei dieser Einrichtung werden einzylindrige, doppeltwirkende Dampfpumpen der Bauart G.u.J. Wair benutzt, die als Speisepumpen für ortsfeste Dampfmaschinenanlagen und Schiffsmaschinen vielfach eingeführt sind. Die Fördermenge dieser Speisepumpe kann innerhalb weiter Grenzen eingestellt werden. Neuerdings haben auch die Erzeuger der G.u.J. Wair-Speisepumpe einen besonderen Speisewasservorwärmer ausgebildet.

Die S. nach der Bauart Caille-Potonié benutzt ebenfalls einen Teil des Abdampfes der Lokomotivdampfmaschine für die Vorwärmung. Ein besonderer Druck- und Temperaturregler beeinflußt die Zuströmung des Abdampfes, damit dem Blasrohr nicht mehr Dampf entzogen wird, als für die Vorwärmung durchaus notwendig ist. Der Abdampf tritt durch ein Rohrbündel eines walzenförmigen Vorwärmers, ohne umzukehren. Der Austritt des ausgenützten Abdampfes wird durch ein federbelastetes Ventil geregelt, das für einen Überdruck von 0∙1 Atm. eingestellt ist. Bei der neueren S. von Caille-Potonié ist eine doppeltwirkende Speisepumpe vorhanden, die nicht nur das kalte Wasser vom Tender in den Vorwärmer saugt, sondern auch gleichzeitig durch synchron arbeitende Kolben das Wasser vom Vorwärmer in den Kessel drückt. Hierdurch ist das sonst schwierige Ansaugen heißen Wassers durch die Pumpe umgangen, ohne daß der Vorwärmer unter hohem Druck steht. Von S. nach Caille-Potonié wird an Lokomotiven der französischen Eisenbahnverwaltungen in ziemlich bedeutenden Umfange Gebrauch gemacht.

Durch zahlreiche sehr eingehende Versuche des Maschinendirektors F.H. Trevithick der ägyptischen Staatsbahnen ist die Entwicklung der Einrichtungen für S. an Lokomotiven besonders gefördert worden. Von Trevithick rührt[103] eine große Zahl von vereinigten Abdampf- und Rauchkammervorwärmern und besonderen Rauchkammervorwärmern her, die gewöhnlich für sehr hohe Vorwärmung (mehr als 100°) bestimmt sind. Als Speisepumpen sind Dampfpumpen der Bauart Worthington in Verwendung.

Bei den preußischen Staatsbahnen ist die S. von der Knorrbremse A.G. umfangreich im Gebrauch. Es ist ein Abdampfvorwärmer, der den Heizdampf dem Ausströmrohr unmittelbar hinter dem Dampfzylinder entnimmt (Abb. 113). Der Abdampf tritt in den zylindrischen oder[104] ovalen Vorwärmer, der eine große Zahl von Speisewasservorwärmung-förmigen dünnwandigen Rohren enthält, die vom Speisewasser durchflössen werden (Abb. 114). Die Heizfläche des Vorwärmers beträgt je nach der Größe des Lokomotivkessels 10–15 m2 und reicht aus, um im Durchschnitt eine Vorwärmung auf 90° zu erlangen. Wie bei allen Vorwärmern eignet sich Kupfer wegen seiner günstigen Wärmeleitung am vorteilhaftesten für die Rohre der Vorwärmer. Es ist auch gegen Kesselsteinbelag und gegen Zerstörung am widerstandsfähigsten. Auch Messing bewährte sich vielfach, wenn es auch ein viel geringeres Wärmeleitungsvermögen besitzt wie Kupfer. Eiserne Rohre haben sich nicht als geeignet erwiesen, da sie bei der geringen erforderlichen Wandstärke rasch durchrosten und an der rauhen Oberfläche auch der Kesselstein stärker haftet, wodurch die Reinigung erschwert wird. Verzinkte eiserne Rohre sollen sich besser bewährt haben.

Die Speisepumpe der Knorrbremse A.G. ist in Abb. 115 dargestellt. Der Dampfzylinder mit seiner Steuerung ist von den neueren Luftpumpen der Luftdruckbremse unverändert übernommen, so daß die Arbeitsweise und die Behandlung die gleiche ist wie bei der Luftpumpe. Die Wasserpumpe mit einem großen Windkessel enthält je 2 federbelastete Ringventile auf der Saug- und Druckseite. Bei 42 Doppelhüben in der Minute fördert sie stündlich 15 m3 Speisewasser. Der Vorwärmer der Knorrbremse A.G. steht unter Druck, d.h. der Vorwärmer wird vom Speisewasser auf dem Weg von der Pumpe zum Kessel durchflössen. Der Gang der Pumpe wird vom Lokomotivführerstand aus nach Bedarf geregelt.

Neben diesen Einrichtungen besteht noch eine große Zahl anderer Bauarten, die indessen noch keine größere Verbreitung gefunden haben oder erst in Entwicklung sich befinden. Jedenfalls haben Einrichtungen für S. eine nicht unwesentliche wirtschaftliche Bedeutung. Neben den nicht unerheblichen Ersparnissen an Brennstoff kommt hauptsächlich die Steigerung der Leistung und die allgemein beobachtete Schonung der Kessel in Betracht. Allerdings dürfen anderseits die nicht unbedeutenden Kosten für den Einbau und die Instandhaltung der Vorwärmer und der Pumpen übersehen werden. Namentlich die letzteren waren bisher das hauptsächlichste Hindernis für eine allgemeine Einführung der S. an Lokomotiven, da sie in bezug auf Zuverlässigkeit den Strahlpumpen entschieden nachstanden. Die S. hat besondere Bedeutung für ältere Naßdampflokomotiven, deren Leistungsfähigkeit gegenwärtig nicht mehr völlig ausreicht,[105] während der erreichbare Gewinn an Heißdampflokomotiven oder an gut ausgebildeten Verbundlokomotiven mit hohem Kesseldruck geringer ist.

Literatur: Feed water heating on locomotives. Engg. 1911, Bd. I, S. 143. – Caille-Potonié, Speisewasservorwärmung. Lokom. 1912, S. 145. – Locomotive feed water heating results. Railw. Gaz. 1912, S. 477. – Schneider, Speisewasservorwärmung an Lokomotiven. Ztschr. dt. Ing. 1913, S. 687. – Hammer,[106] Neuerungen an Lokomotiven. Glasers Ann. 1915, Bd. II, S. 221. – Strahl, Wert der Heizfläche. Ztschr. dt. Ing. 1917, S. 258; Versuche mit Dampflokomotiven. Glasers Ann. 1917, Bd. II, S. 84.

Sanzin.

Abb. 113. Speisewasservorwärmer Bauart Knorr (Anordnung)
Abb. 113. Speisewasservorwärmer Bauart Knorr (Anordnung)
Abb. 114. Vorwärmer Bauart Knorr.
Abb. 114. Vorwärmer Bauart Knorr.
Abb. 115. Speisepumpe Bauart Knorr.
Abb. 115. Speisepumpe Bauart Knorr.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 101-107.
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