Lokomotivkessel

[184] Lokomotivkessel (locomotive boiler; chaudière de locomotive; caldaia di locomotiva).


Inhalt: A. Allgemeines über L.; seine Hauptbestandteile: a) Der Stehkessel und die Feuerung; b) der Langkessel mit Feuerrohren und Überhitzer; c) die Rauchkammer; d) die Kesselausrüstung. – B. Kessel für Triebwagen. – C. Geschichtlicher Rückblick.


A. Allgemeines über L.; seine Hauptbestandteile.


Die Bedingung, bei möglichster Ausnutzung des vorhandenen beschränkten Raumes die weitestgehende Kraftleistung (Dampferzeugung) zu ermöglichen, führte bezüglich der Dampfkessel (s.d.) für Lokomotiven zum Bau der Röhrenkessel.

Bei dem L. werden die Heizgase durch eine größere Anzahl von Feuerzügen (Feuerröhren) geleitet, die vom Kesselwasser umgeben sind. Hierdurch wird eine möglichst große Heizfläche und dadurch eine rasche Dampferzeugung herbeigeführt, da das Wasser in dünne Schichten geteilt und eine bedeutende Berührungsfläche zwischen diesem und den durchziehenden Feuergasen, bzw. den Feuerrohrflächen geschaffen wird.

Von den nur vereinzelt bei Triebwagen und Zahnradlokomotiven älterer Systeme zur Anwendung gekommenen stehenden Kesseln abgesehen, sind die L. zumeist liegende Kessel. Die Bauart von solchen L., in je einer der in Europa und Amerika angewendeten häufig vorkommenden Bauarten (ohne Sondereinrichtungen für Überhitzung, Rohölfeuerung u.s.w.) ist auf Taf. V dargestellt.

Diese L. bestehen aus folgenden Teilen:

a) dem Stehkessel (Taf. V, I),

b) dem Langkessel (Taf. V, II),

c) der Rauchkammer nebst Blasrohr und Rauchfang (Taf. V, III),

d) der Ausrüstung.

Bezüglich der Berechnung der L. vgl. Art. Dampfkessel, Bd. III, S. 229).


a) Der Stehkessel und die Feuerung.


Der Stehkessel besteht aus dem Feuerbüchsmantel (äußere Feuerkiste) und der Feuerbüchse (innere Feuerkiste, Firebox), die in ersteren schachtelartig eingebaut ist.

Die äußere und innere Feuerkiste sind am unteren Rande miteinander dampfdicht verbunden. Dies geschieht entweder durch ein starkes, schmiedeisernes Barreneisen (Fußring, Fireboxkranz, Taf. V, I, Nr. 15), durch Winkel, oder endlich durch unmittelbare[184] Verbindung des entsprechend abgebogenen Teiles der inneren Feuerkiste mit dem Feuerbüchsmantel.

Der lichte Abstand der äußeren und inneren Feuerkistenwände voneinander beträgt unten etwa 65 mm, oben gewöhnlich 90 mm und mehr; die Erweiterung nach oben erleichtert das Aufsteigen der Dampf blasen sowie die Untersuchung und die Reinigung.

Die Vorderwand der Feuerbüchse (Rohrwand, Taf. V, I, Nr. 2) ist mit Löchern (Rohrlöcher) versehen, in die die zu der vorderen Rohrwand führenden Feuerrohren (Taf. V, II, Nr. 19) eingesteckt sind. Die Vorderwand der äußeren; Feuerkiste (Krebswand, Taf. V, I, Nr. 10) besitzt eine kreisförmige Öffnung zur Verbindung des Innenraums des Stehkessels mit jenem des zylindrischen Langkessels. Die Krebswand ist derart geformt, daß sie sich einerseits dem Querschnitt der äußeren Feuerkiste, anderseits dem des Langkessels anschmiegt. Sie ist meistens 2teilig.

An der Rückseite der Feuerkiste ist in den Wänden der inneren und äußeren Feuerkiste eine mit einer Tür verschließbare kreisrunde, ovale oder 4eckige Öffnung (Feuertür, s.d.) angebracht, die zur Beschickung des Rostes dient und die mit einem zwischen den Wänden liegenden ringförmigen, schmiedeisernen Barreneisen (Taf. V, I, Nr. 8) abgedichtet ist. In neuerer Zeit werden die kreisförmigen Türen, die entsprechend abgebogenen Ränder des 'Feuertürausschnitts der inneren und äußeren Feuerkiste unmittelbar vernietet (s. Abb. 201 [2, 3, 4]).

Bei sehr breiten und langen Feuerkisten und minderwertigem Brennmaterial werden auch 2 Heiztüren angewendet.

Die Feuertüröffnung ist so groß zu bemessen, daß durch diese die Feuerbüchse befahren werden kann.

Der Rost (s.d.) wird auf Barren gelegt; diese werden von Kloben getragen, die an dem Fußring befestigt sind. Die untere Abbildung auf Taf. V stellt einen amerikanischen L. mit Woottenbox dar, bei dem der Rost besonders breit ist, um auf diesem den schwer brennbaren, in dünnen Schichten zu verfeuernden Anthrazit verwenden zu können.

Der Feuerbüchsmantel ist oben entweder mit einer ebenen Decke (System Belpaire, Abb. 202; System Becker, Abb. 203) oder mit gewölbter Decke (Taf. V, I, Nr. 9) abgeschlossen.

Bildet der obere Teil des Mantels die unmittelbare Fortsetzung des zylindrischen Kessels, so wird die äußere Feuerkiste eine glatte genannt (s. Abb. 203); überragt dagegen der Mantel den Zylinderkessel, so nennt man sie überhöhte Feuerkiste (s. Abb. 202).

Die innere Feuerkiste, gewöhnlich Feuerbüchse genannt, ist zumeist aus ebenen Wänden und ebener Decke (Plafond) (Taf. V., obere Abbildung) hergestellt.

Um bei Bahnen mit großen Steigungen den Dampfraum des Kessels möglichst konstant zu erhalten, wird häufig die Feuerbüchsdecke ihrer Länge nach geneigt gelegt.

Alle diese Bauarten von Feuerkisten mit ebenen Wänden und Decken bedingen selbst bei gewölbter Manteldecke zahlreiche Sicherungen (Verankerungen, Versteifungen) gegen Formveränderungen der Bleche durch den Dampfdruck.

Die gegenüberliegenden Wände der äußeren und inneren Feuerkiste werden miteinander durch Stehbolzen (Taf. V, I, Nr. 4) verschraubt. Diese sind in ihrer Mitte entweder der ganzen Länge nach durchbohrt oder nur an beiden Seiten angebohrt, um durch das austretende Wasser gerissene Bolzen erkennen zu können.

Je nach der Wandstärke der Bleche und der Größe der Dampfspannung sind die Stehbolzen etwa 90–110 mm voneinander entfernt. Bei L. für hohen Dampfdruck sind die Entfernungen oft noch kleiner.[185]

Zur Sicherung der Feuerkistendecke wird in neuerer Zeit fast allgemein auch die Decke der Feuerbüchse und des Stehkesselmantels durch Stehbolzen verbunden, deren vorderste Reihe beweglich ist oder deren vorderste 2–3 Reihen durch kleine längsbewegliche Ankerbarren ersetzt werden. Die ältere Bauart, bestehend in eigenen Anker- oder Versteifungsbarren (s. Taf. V, II, Nr. 50), die bei kurzen Feuerbüchsen in der Richtung der Kesselachse, bei langen Feuerbüchsen senkrecht darauf gelegt worden ist, wird gegenwärtig immer seltener und zumeist nur bei kleineren Lokomotiven sowie bei Lokomobilen angewendet, da sie den Wasserraum beengen und die Reinigung von Kesselstein erschweren.

Die oberen Teile der Feuerkistenhinter- (Taf. V, I, Nr. 3, 11) und -seitenwände Nr. 9 a sind der Länge und der Quere nach verankert (Taf. V, I, Nr. 12) und mittels Bleche und Winkel versteift.

Die Feuerbüchsrohrwand, deren unterer Teil durch Stehbolzen mit der Krebswand verankert ist, wird durch die sog. Stehbolzenpratzen (Taf. V, I, Nr. 13) und Ankerstehbolzen an den zylindrischen Langkessel angeheftet. Diese Pratzen werden ziemlich lang gemacht, damit die Ankerbolzen den Verschiebungen der Feuerbüchsen leicht folgen können.

Die Verankerungen machen nicht nur den Bau und die Erhaltung der Feuerbüchsen kostspielig, sondern haben auch durch häufige Reparaturen Störungen im Betrieb zur Folge, weshalb man schon in früherer Zeit bestrebt war, die Verankerung möglichst durch Anwendung anderer Konstruktionen entbehrlich zu machen.

Aus diesem Grunde sind die aus Wellblech bestehenden mit gewölbter Decke versehenen Feuerbüchsen von May und Haswell entstanden, haben sich aber nicht bewährt. Dagegen ist auf den Linien der ehemaligen österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft heute noch die gewölbte, aus U-förmigen Teilen zusammengesetzte Polonceau-Decke (Abb. 204) in Verwendung, der man eine gute Verdampfung zuschreibt, da die Rippen das Wasser unterteilen und eine Vergrößerung der Heizfläche darstellen; auch vom Standpunkte der Erhaltung hat sich diese Bauart bewährt.

Wegen ihrer Einfachheit und Billigkeit sind vollständig zylindrische Feuerbüchsen versucht worden, wie die Büchsen von Kaselowsky und Lentz in Deutschland; sie sind aber nicht mehr in Verwendung. In England stehen jedoch noch solche Feuerbüchsen im Betrieb, u.zw. auf der London-Nordwest-Eisenbahn bei kleinen Lokomotiven mit glatten Blechen und auf der Lancashire-Bahn mit Wellblechen (s. Bulletin Januar 1910, S. 218). In Amerika wird auf mehreren Bahnen der Wellrohrkessel Vanderbilt benutzt (Abb. 205). Eine Zukunft dürften diese röhrenförmigen Feuerbüchsen nicht haben, da der Wasserumlauf mangelhaft ist und infolgedessen Schäden mancher Art auftreten. Zur Förderung der Dampferzeugung und Erzielung einer Heizstoffersparnis werden in die Feuerbüchsen Wasserkammern, Wasserrohre und Gewölbe aus Schamotte eingebaut, die die Feuergase zu guter Mischung zwingen, ferner durch Mitreißen der halbverbrannten Kohle entstehenden Verluste herabsetzen, den Funkenflug vermindern, das Rohrrinnen möglichst verhindern und die Rauchentwicklung beschränken[186] sollen. Abb. 206 stellt eine Feuerbüchse mit Wasserkammer (Tenbrinksieder) dar, die bei Lokomotiven der Paris-Orléans-Bahn in Verwendung steht. Bei Tenbrinksiedern ist oft rückwärts über der Feuertüre ein kurzes Gewölbe eingebaut, das die Feuergase zusammendrängt, dabei aber den Feuertürkranz gegen die Einwirkung der Stichflamme schützt.


Ähnlich die Flamme zusammendrängend, wirkt die (in schräger Lage von rückwärts nach vorn ausgeführte, nur einen kleinen Durchgangsquerschnitt für die Feuergase offen lassende) Wasserkammer von Buchanan bei Lokomotiven der New York-Central- und Hudsonfluß-Bahn (Abb. 207).

Bemerkenswert sind auch die in Feuerbüchsen der Lokomotiven der Chicago-Rock-Island- und Pacific-Bahn eingebauten längsgelegten Wasserrohre mit daraufgelegten Schamottesteinen und die in Lokomotiven der London- und Südwestbahn angebrachten quergelegten (gut haltbaren) Siederohre der Drummond-Feuerkiste und des Worsdellkessels.


Die letzterwähnten Bauarten bezwecken auch eine Rauchverzehrung.

Die auf dem Roste zur Verfeuerung gelangenden Brennstoffe bestehen ihrer chemischen Zusammensetzung nach hauptsächlich aus Kohlenstoff (C), der durch seine mehr oder weniger vollkommene Verbrennung zu Kohlensäure (CO2) oder Kohlenoxyd (CO) die zur Dampfentwicklung nötige Wärme liefert. Abgesehen von erdigen, den Heizeffekt herabsetzenden Verunreinigungen, enthalten eben die meisten Brennstoffe größere Mengen von Kohlenwasserstoffgasen, die bei der Verbrennung des Wasserstoffs (H) zu Wasser (H2O) große Wärme entwickeln, aber durch gleichzeitige Ausscheidung des Kohlenstoffs in Molekularform zur Bildung von starkem Rauch Veranlassung geben.

Durch besondere Einrichtungen, die im Wesen in eingebauten Gewölben aus feuerfesten Steinen und in der Zuführung von frischer Luft über den Rost bestehen (sog. sekundäre Luft), kann dieser in Form von Ruß (Rauch) ausgeschiedene Kohlenstoff verbrannt werden. Über derartige Einrichtungen s. Rauchverzehrer.

Bei den österreichischen, ungarischen, preußischen, belgischen und schwedischen Staatsbahnen, den schweizerischen Bundesbahnen und der Gotthardbahn, sowie auch bei den Privatbahnen Österreichs, Frankreichs und Rußlands wird versuchsweise das Kesselsystem »Brotan« angewendet (Abb. 208 u. 209), bei dem die Feuerbüchsenwände aus dichtaneinander gestellten Wasserrohren bestehen, die oben in einen an der letzten Schußfläche des Hauptkessels nach rückwärts angeschlossenen Oberkessel eingewalzt sind und die unten mit dem hohlen Fußring so in Verbindung stehen, daß ein Wasserumlauf vom Fußring in die einzelnen Rohre und in den Oberkessel möglich ist. Durch diese Bauart, die in fast gleicher Form schon in den Sechzigerjahren von Inspektor Linder der österreichischen Staatseisenbahngesellschaft projektiert wurde, ist es möglich, schwefelhaltige Kohle zu verwenden und in der Spannung des Dampfes möglichst hoch zu gehen, da die Wasserrohre der Feuerbüchse aus Flußeisen sind und das durch den Schwefel der Kohle sehr rascher Abzehrung unterworfene, bei höheren Temperaturen weich werdende Kupfer und die Stehbolzen vermieden sind. (Flußeiserne Feuerbüchsen, die der schwefelhaltigen Kohle gut widerstehen würden, haben sich wegen häufigen Auftretens von Rissen nicht bewährt.) Ein vollständiges Hinweglassen der Feuerbüchswände[187] und ein Ersetzen dieser durch Vorfeuerungen nach System Verderber, Almgreen (Abb. 210), Socher und Bork (s. Eis. T. d. G. Lokom. I. Aufl., S. 104, 105) hat keine Verbreitung gefunden.

L., an denen auch die Feuerrohre durch Wasserrohre ersetzt sind, wurden nur vereinzelt ausgeführt (London-South-Western-Bahn). Den Charakter eines Versuchs tragen auch die Wasserrohrkessel von Roberts (algerisches Netz der französischen P. Z. M.) und Mackland sowie die Kessel der 2 B 2- und 2 C 2-Lokomotiven der französischen Nordbahn (Bericht über die Ausstellung in Brüssel 1910 von Schubert, Metzeltin und Valenziani).

Für die Größe der Feuerbüchse ist vorerst die aus der Gesamtanlage gerechnete Rostfläche und die Art des zu verwendenden Brennmaterials maßgebend; weiters werden sonstige allgemeine Konstruktionsverhältnisse die Wahl der Maße beeinflussen.

Bei sonst gleichen Verhältnissen wird die Feuerbüchse möglichst groß gehalten, um hierdurch an Wandfläche (direkter Heizfläche) zu gewinnen.


[188] b) Der Langkessel mit den Feuerrohren und dem Überhitzer.


Der Langkessel, aus einzelnen Blechtrommeln (Kesselschüsse, Zargen, Taf. V, II, Nr. 16) bestehend, ist rückwärts mit der Feuerkiste verbunden und vorne mit einer gelochten Wand (Rauchkammerrohrwand, Taf. V, III, Nr. 17) abgeschlossen. Zur Versteifung der Rauchkammerrohrwand sind von dieser bis zur Kesselwandung reichende, mit Winkeln versteifte Bleche (Versteifungswinkel) angebracht; ferner sind die über 60/80 mm weiten Reinigungsöffnungen durch breite, flache, vernietete Blechringe verstärkt. Am Langkessel ist eine kuppelartige Erhöhung (Dom, Taf. V, II, Nr. 18) angebracht, die zur Vergrößerung des Dampfraums und als Dampfsammler dient. Bei großen Kesseln der Naßdampflokomotiven werden zu gleichem Zwecke öfters 2 durch ein Rohr verbundene Dome angebracht. (Näheres s. Dampfdom.) Hinter dem Dom ist bei älteren Kesseln noch eine Öffnung oben am Kessel vorhanden, auf die eine Schale aufgesetzt ist, die zum Füllen des L. vor seiner Inbetriebsetzung dient (Füllschale, Taf. V, II, i) und mit einem Ventil (Füllschalenventil, Taf. V, II, Nr. 45) zu schließen ist.

Die Langkessel der Lokomotiven sind zumeist zylindrisch ausgeführt, doch findet man namentlich in Amerika schon seit längerer Zeit Langkessel, deren rückwärtiger Teil einen größeren Durchmesser hat als der vordere. Der Übergang ist durch einen konischen Kesselschuß hergestellt und kommen schon Durchmesser bis über 2 m vor.

Die einzelnen Kesselschüsse sind untereinander durch Überlappung oder außen angebrachte einfache Laschen verbunden. Die einzelnen Kesseltrommeln erhalten bei den jetzt üblichen höheren Spannungen immer eine Längslaschennietung, u.zw. je nach dem Dampfdruck, dem Durchmesser und dem Material einseitig oder doppelseitig angebrachte Laschen (Abb. 211). Bei der Doppelnaht liegt die schmale Lasche außen und die breite innen. Bei besonders hoch beanspruchten Längsnähten wird die innere Lasche auch gezackt ausgeführt.

In neuester Zeit werden bei Verwendung von Flußeisen die Längsnähte der einzelnen Kesselzargen mitunter auch geschweißt oder nach dem Erhardtschen Verfahren aus einem Stück hergestellt.

Eine Verankerung der beiden Rohrwände wird in England zuweilen noch ausgeführt, am Festland jedoch als überflüssig angesehen, da die Längendehnung des Rohrbündels eine andere ist, als die der von innen nicht erwärmten Anker und da örtliche, an den Haftstellen entstehende Verbiegungen schädlich sind.

Aus diesem Grund sollen auch Überlappungen der Kesselnähte breit gemacht werden, so daß sie keinen Verbiegungen ausgesetzt sind, die zu Undichtheiten, zum Rostangriff und zu Anbrüchen an der Stemmkante führen.

Durch die Rohrlöcher der Feuerbüchs- und Rauchkammerrohrwände sind gegen vorne zu etwas ansteigende Rohre, Feuerrohre (s.d.), Taf. V, II, Nr. 19, gelegt, welche als Feuerzüge dienen und die Rohrheizfläche bilden.

Diese Rohrheizfläche bildet in Verbindung mit dem Blasrohr (s.d.) eine vorzügliche Einrichtung, die Leistungsfähigkeit des L. den jeweiligen Anforderungen anzupassen, und geschieht diese Anpassung, eine hinlängliche Beschickung des Rostes vorausgesetzt, vollkommen selbsttätig, da die angesaugte Luftmenge der ausgepufften Dampfmenge proportional ist.

Die Feuerrohre werden gewöhnlich derart angeordnet, daß die Rohrlochmittelpunkte je dreier Nachbarrohre verbunden, ein gleichseitiges Dreieck von 60–70 mm Seitenlänge bilden, dessen eine Seite lotrecht steht. Durch diese Anordnung wird das Aufsteigen der Dampfblasen im Wasserkörper erleichtert.

Die Zahl der Feuerrohre richtet sich einerseits nach der benötigten Heizfläche, dem benutzten Adhäsionsgewicht und dem zulässigen Kesseldurchmesser, anderseits nach dem Durchmesser der Rohre selbst.


Im allgemeinen soll die Zahl der Rohre (man hat schon die Zahl von 400–500 Rohren erreicht) möglichst groß genommen werden, da hierdurch eine raschere Dampfentwicklung erzielt wird, als in dem Fall, in dem eine gleich große Rohrheizfläche durch längere Rohre, in geringerer Zahl, gebildet wird Da nämlich die Heizgase sich auf ihrem Weg immer[189] mehr und mehr abkühlen, so verdampft die Rohrheizfläche um so weniger Wasser, je weiter sie von der Feuerbüchse entfernt liegt. Dies hat zur Folge, daß eine Vergrößerung der Heizfläche durch übermäßige Verlängerung der Rohre auf die Verdampfung fast gar keine Wirkung hat, daher eine stärkere Verdampfung hauptsächlich durch Vermehrung der Rohre selbst zu erzielen ist.

Für Lokomotiven, bei denen zur Erreichung einer großen Zugkraft ein bedeutendes Adhäsionsgewicht erforderlich ist, wählt man trotzdem lange Rohre (die 1 D D 1-Mallet-Verbund-Güterzuglokomotive der Süd-Pacificbahn, gebaut von Baldwin in Philadelphia, hat Rohre von 6400 mm Länge und eine Zugkraft von 43 t). Gewöhnlich schwankt die Länge der Rohre zwischen 4 und 5 m.

Bei schlechtem Speisewasser werden die Feuerrohre am Feuerbüchsende mit Kupferstutzen versehen. Der äußere Durchmesser beträgt bei den meist gebräuchlichen Lokomotivfeuerrohren 45 bis 55 mm, die Wandstärke 2–3 mm. Bei einzelnen Lokomotivkesseln der Caledonien-Eisenbahn wurden die unteren (21) Feuerrohre mit größerem Durchmesser (51 mm) ausgeführt als die oberen (255), die 44 mm messen, damit sie sich weniger leicht verstopfen.


Rohre noch größeren Durchmessers als die Feuerrohre sind bei den mit Überhitzer (s. Art. Heißdampflokomotiven) ausgerüsteten Kesseln vorhanden.

In L., die in ihren Einzelheiten so durchgebildet sind, daß auch bei großer Leistung die im Wasser rasch gebildeten Dampfblasen ungehinderten Aufstieg zwischen den Feuerrohren und zwischen den Wänden der inneren und der äußeren Feuerbüchse zum Wasserspiegel finden, kann, bei reinem Speisewasser, der gebildete Dampf als nahezu gesättigt bezeichnet werden, da er nicht mehr als 1% bis 11/2% mitgerissenes Wasser enthält. Bei unreinem, Schlamm und fette Teile enthaltendem Speisewasser kann aber der Wassergehalt des Dampfes bis auf 8% – 10% steigen. Da ferner der vom Kessel entnommene Dampf in den Dampfzylindern mit Wandungen in Berührung kommt, die eine niedrigere Temperatur besitzen als dieser nur annähernd gesättigte Dampf, treten weitere Effektverluste auf, zu deren Behebung die seit dem letzten Jahrzehnt immer mehr Aufnahme findenden Einrichtungen zur Trocknung und Überhitzung des Dampfes dienen (vgl. Heißdampflokomotiven).

Der Wirkungsgrad der L. kann auch vergrößert werden durch Vorwärmen des Speisewassers, entweder im Tender (Ausführung Kirchweger, Strondley u.s.w.) oder durch Einrichtungen im Rauchkasten; derartige Einrichtungen nennt man Vorwärmer (s. Vorwärmer).

Fast alle zur Speisung der L. zu Gebote stehenden Wässer enthalten neben mechanisch beigemengten festen Verunreinigungen gelöste chemische Verbindungen von Kalk, Gips u.s.w. (s. Art. Kesselstein).

Nachdem diese Bestandteile des Speisewassers sich an den Innenseiten des Kessels absetzen und festbrennen, bewirken sie neben anderen Gefahren eine Herabsetzung der Verdampfungsfähigkeit des Kessels. Man hat daher Einrichtungen getroffen, das Speisewasser in ortsfesten Anlagen, vor Abgabe in die hierfür bestimmten Tender u.s.w. auf chemischem Wege zu reinigen (s. Wasserreinigungsanlagen), oder in die Kessel Einrichtungen eingebaut, in denen die Fällung der die Kesselsteinbildung veranlassenden Stoffe erfolgt (s. Kesselsteinabscheider).


c) Die Rauchkammer.


An den Langkessel, gewöhnlich durch dessen zylindrische Verlängerung gebildet, vorne durch eine senkrechte Wand abgeschlossen, schließt sich die Rauchkammer (Rauchkasten, Taf. V, III, Nr. 20) an.

Wegen ihres größeren Querschnitts gegenüber den Feuerröhren vermindert sich in der Rauchkammer die Geschwindigkeit der Heizgase, wodurch ein Teil der mitgerissenen Kohlenteilchen auf den Boden fällt.

Diese Rauchkammer trägt vorne einen großen, das ganze Rohrbild umfassenden, mit einer Tür (Rauchkammertür, Taf. V, III, Nr. 21) verschließbaren Ausschnitt, um die Feuerröhren einziehen oder herausnehmen und diese sowie die Rauchkammer reinigen zu können.

Zur Erzielung ruhigeren Feuers sowie zur Hintanhaltung des Funkenflugs werden in neuerer Zeit die Rauchkammern in einer Länge ausgeführt, die mindestens gleich ist dem Kesseldurchmesser (verlängerte Rauchkammer, amerikanische Rauchkammer).

Auf dem Rauchkasten ist der Rauchfang (s.d.) (Schornstein, Kamin) aufgesetzt (Taf. V, Nr. 24).

Die Rauchkammern werden oft mit geräumigen, gut abschließbaren Trichtern für Sammlung und Entleerung der Rauchkastenrückstände versehen (Taf. V, Nr. 25).


d) Die Kesselausrüstung.


Für den betriebsfähigen Zustand eines L. ist eine gewisse Ausrüstung erforderlich (s. Taf. V).

Diese Kesselausrüstung läßt sich unterscheiden in:

a) Die durch die Kesselgesetze vorgeschriebene Ausrüstung, bestehend aus:

1. Speisevorrichtungen (I, a), (Pumpen, Injektoren, I, Nr. 28), mit Rohrleitung (I, II, Nr. 27, 29) und Speiskopf (II, Nr. 30);[190]

2. Wasserstandszeigern (I, b) (Wasserstandsglas, I, Nr. 31, Probierwechsel, I, Nr. 32); in manchen Staaten ist auch die in der Feuerbüchsdecke anzubringende Bleischraube (s. Art. Bleipfropfen) gesetzlich vorgeschrieben;

3. Dampfdruckzeigern (I, d, II, c) (Manometer, I, Nr. 37, Sicherheitsventile, II, Nr. 33 bis 36);

b) die sonstige Ausrüstung, umfassend:

1. Füllschale (II, i, Nr. 45), nur mehr bei älteren Lokomotiven in Österreich, Ungarn und Italien verwendet;

2. Regulator (Regler, II, k, Nr. 46–49);

3. Armaturenkopf (I, h);

4. Verschlüsse für Reinigungsöffnungen (Putzschraube, Lukendeckel, Mannlochdeckel u.s.w., I, Nr. 44);

5. Ablaßhahn (I, Nr. 43);

6. Dampfzulaßventile für Injektoren (I, Nr. 26), Bremsen, Dampfheizung, Pulsometer, Rauchverzehrung, Ausblasevorrichtungen u.s.w.;

7. Dampfpfeife (I, e, Nr. 38, 39);

c) die Heizgarnitur, bestehend aus:

1. Feuertür samt Schirm (I, Nr. 7, 6);

2. Rost (I, Nr. 14);

3. Aschkasten und Aschkastentüren (I, f, Nr. 40; 41);

4. Schornstein (III, Nr. 24);

5. Blasrohr (III, Nr. 22);

6. Hilfsgebläse (Schnelldampfer, III, Nr. 23);

7. Aschkastenspritzrohr und der an geeigneter Stelle an 28, 29 angebrachte Feuerlöschstutzen;

8. Rauchkammerspritzwechsel (III, Nr. 42 a);

9. Rauchkammerputztrichter (I, Nr. 25).

Außerdem sei noch folgendes bemerkt:

An der Rückwand des Feuerbüchsmantels sind Marken angebracht, die den erlaubten niedrigsten Wasserstand und die Höhenlage der Feuerbüchsoberkante bezeichnen.

Zum Manometer (Dampfdruckmesser) (s.d.) gehört ein Wechsel mit Kreuzbohrung und Gewindestutzen mit 3/4 Zoll engl. Muttergewinde (letzteres zum Aufsetzen des Kontrollmanometers).

Der Dampfdruck, für den der Dampfkessel geprüft ist, und der niedrigste Wasserstand im Kessel muß nach den gesetzlichen Bestimmungen an diesem angegeben erscheinen (I, Nr. 12).

An dem Kessel sind oft noch andere Ventile oder Hähne angebracht, die ihrer Verwendung entsprechend gebaut und bezeichnet werden.

Bei einer großen Anzahl der neueren L. sind alle Hähne und Ventile, die zur Dampfentnahme dienen, an einem auf der Manteldecke der Feuerbüchse aufgesetzten Gußstück aus Eisen (Armaturenkopf) angebracht.

Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Feuerkiste und der Langkessel mit einer etwa 30–50 mm vom Kessel entfernten Verschalung (Kesselverschalung) umgeben sind.

Diese hat den Zweck, die durch Wärmestrahlung und Wärmeableitung entstehenden Wärmeverluste herabzumindern; die Verschalung muß demnach so beschaffen sein, daß die zwischen Kessel und Verschalungsblech eingeschlossene Luft wirklich ruht, daher die Verschalung an keiner Stelle offen sein darf, um nirgends einen Luftdurchzug zu gestatten. In neuerer Zeit werden zwischen Verschalung und Stehkessel abnehmbare Asbestmatratzen gelegt, die auch das Fahrpersonal vor der; Wärmeausstrahlung des Kessels schützen.

Die Verschalung ist oft aus blauem Glanzblech hergestellt (Amerika, Österreich, Schweiz, Schweden u.s.w.).


B. Kessel für Triebwagen (Dampfwagen, Dampfomnibus oder Motorwagen) und Kessel besonderer Bauart.


Der Dampfkessel des ersten, von dem Oberingenieur Samuel der englischen Ostbahn 1847 entworfenen Triebwagens (s.d.) war ein stehender Röhrenkessel mit Feuerbüchse und 35 Rohren von je 990 mm Länge und 38 mm Durchmesser mit etwa 4∙1 m2 Gesamtheizfläche und etwa 0∙13 m2 Rostfläche. Im Jahre 1848 wurde bei dem Dampfwagen Enfield von Adams ein liegender und bei dem Dampfwagen Fairfield von Adams wieder ein stehender Kessel verwendet. Im Jahre 1869 trat der Dampfwagen von Fairlie und Samuel mit einem stehenden Kessel in Verkehr, den ein Mann bediente.

Aus dem Jahre 1876 stammt der von der schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur ausgeführte Dampfomnibus, Bauart Brunner, mit einem liegenden Kessel von 13∙6 m2 und 12 Atm. Dampfdruck und einer Leistungsfähigkeit von 25–40 PS.

Ebenfalls lokomotivartige Kessel hatten die 1877 ausgeführten Dampfwagen der belgischen Staatsbahnen, Bauart Belpaire, während die Kessel der Ende der Siebzigerjahre aufgetretenen Rowan-Wagen wieder stehende waren (s. Abb. 212). Auch die Weißenbornschen Dampfwagen aus dem Jahre 1879 hatten stehende Kessel mit 12 Atm. Dampfdruck und 9 m2 Heizfläche. Dagegen erhielten die Dampfwagen von Thomas (1880–1883) und Krauß (1882) wieder liegende Kessel. Die aus dem gleichen Bedürfnisse nach Anpassung an schwache Verkehrsverhältnisse 1879, 1880 erbauten leichten Gepäcksraumlokomotiven Elbel-Gölsdorf hatten ebenfalls liegende, normale Lokomotivkessel.


Bei den neueren Triebwagen, bei denen wie in früherer Zeit stehende und liegende Röhrenkessel Verwendung finden, seien folgende Kesselbauarten besonders hervorgehoben.

Der Kessel von Serpollet in Paris beisteht (s. Abb. 213) aus Rohrstücken mit nierenförmigem, 1 mm weitem Querschnitt' [192] in denen das Wasser rasch in hochüberhitzten Dampf von etwa 25 Atm. Spannung verwandelt wird. Die Leistung des Kessels hängt von der Menge des in das sog. Kapillarrohr eingepumpten Wassers ab. Der Kessel hat sich keine besonders weite Verbreitung verschaffen können, weil er besonders reines Wasser erfordert und die Rohre nach einer gewissen Zeit schadhaft werden.

Sowohl die preußische als auch die ungarische Staatsbahnverwaltung verwenden de Dion-Bouton-Dampfwagen. Deren Kessel, die aus einem inneren und einem äußeren Ringe bestehen, die durch eine große Zahl geneigt angeordneter Wasserrohre miteinander verbunden sind (Abb. 214) und die bei 18–20 Atm. Überdruck die Maschine von 80 PS. antreiben. Sie werden mit Koks geheizt, da bei Steinkohle der beschränkten Abmessungen halber keine freie Flammenentfaltung möglich wäre. Die Kessel der ungarischen Staatsbahnen haben eine Heizfläche von 25 m2, eine Rostfläche von 0∙589 m2 und 18 Atm. Dampfdruck.

Bei der Eisenbahndirektion in Breslau sind Stoltzsche Dampfwagen in Verwendung, bei welchen der Kessel (Abb. 215) aus 12 Rohrplatten zusammengesetzt ist und bei welchen der Betriebsdruck bis 50 Atm., die Rostfläche 0∙79 m2, die Überhitzerfläche 6∙7 m2 und die Heizfläche des Vorwärmers 4∙1 m2 beträgt. Die Kessel leisten bis 100 PS.

Kessel von höherer Leistungsfähigkeit, von 100–200 PS., sind die Kessel von Komarek (Abb. 216), die mit Wellrohrfeuerbüchse, im Knie eingesetzten Wasserrohren, mit Überhitzer und mit Holdenfeuerung (vgl. Heizölfeuerungen) versehen sind. Sie stehen auf einzelnen Strecken der österreichischen Staatsbahnen mit Erfolg in Betrieb. Der Dampfdruck beträgt 13 Atm.

Die Kessel der Dampfwagen der württembergischen Staatsbahnen, von Oberbaurat Kittel (Abb. 217), von welcher Bauart Eßlingen an verschiedene Bahnen bereits 29 Stück geliefert und weitere Kessel im Bau hat (Näheres s. Organ, 1909, H. 6, 7), sind mit geschweißtem Unter- und Oberschuß und flußeiserner Wellrohrfeuerbüchse ausgestattet. Der Unterschuß ist kegelförmig, der Oberschuß stark erweitert, um den Dampfraum groß zu machen. Ober letzterem ist der Überhitzer aus einem 3fach gewundenen Schlangenrohr angebracht, der den Dampf bis 70° C überhitzt. Die 330 Feuerrohre von 24–28 mm Durchmesser haben eine feuerberührte Heizfläche von 22∙345 m2 und eine Trocknerheizfläche von 4∙967 m2. Die Heizfläche der 3 Überhitzerschlangen beträgt 4∙628 m2, die Rostfläche mißt 0∙712 m2, das Kesselgewicht leer mit Rauchkammer, Überhitzer, Schornstein, Verkleidung, Aschenkasten und Ausstattung beträgt 3526 kg, im Dienste 4306 kg, der Wasserinhalt 780 l. Der Kessel wird mit 16 Atm. betrieben. In neuester Zeit sind derartige Kessel sogar mit 59 m2 Heizfläche im Bau. Diese verbrauchen bei 73 t = 12 Achsen Personenwagen Anhängelast vielfach auf 1 : 100 pro Fahrt km nur 8∙45 kg Kohle und 49 l Wasser.

Der Kessel des auf französischen Bahnen verwendeten Dampfwagens von Purrey (Abb. 218), der eine Rostfläche von 1∙08 m2, eine Heizfläche von 24∙56 m2 und eine Überhitzerfläche von 7∙48 m2 hat, ist als ein Wasserrohrkessel für 20 Atm. Überdruck gebaut. Bei ihm erfolgt die Speisung in die untere Wasserkammer, die mit dem oberen runden Dampfsammler durch Wasserrohre verbunden ist. Zwischen diesen liegen die engeren Überhitzerrohre, die den Dampf aus dem oberen Teile des Dampfsammlers abwärts zu dem unteren Dampfsammler führen. Der Brennstoff (Koks) wird von einem Fülltrichter selbsttätig auf einen Schüttelrost geführt. Die Förderung einer der beiden Speisepumpen wird durch einen Schwimmer in dem oberen, teils mit Wasser gefüllten Dampfsammler geregelt.

Die Kessel der 3achsigen Triebwagen der italienischen Bahnen haben eine kupferne, zylindrische Feuerbüchse, 1050 mm hoch, 1130 mm weit, eine obere kupferne Rohrwand, 1400 mm Durchmesser, und 366 kupferne Feuerrohre, 1600 mm lang und von 30 mm lichter Weite. Die feuerberührte Heizfläche beträgt 58 m2, die Rostfläche 1 m2, der Dampfdruck 13 Atm.

Der Kesselmantel ist seiner ganzen Höhe nach oben kegelförmig erweitert.

Der Kessel der Triebwagen der Great Western-Bahn ist in Abb. 219 dargestellt. Ähnliche Kessel sind die der Great Central- und der Midland-Bahn.

Eine besondere Bauart hat der in Abb. 220 dargestellte Cochrankessel mit einer kleinen gewölbten Feuerbüchse und 294 querliegenden Feuerrohren von 48 mm lichter Weite, durch deren untere Hälfte die Feuergase mittels eines vorgebauten Schamottegewölbes hin- und durch die obere Hälfte zurückgeführt werden. Die Heizfläche ist 46 m2, die Rostfläche 0∙84 m2, die Dampfspannung 10∙5 Atm.

Eine zweckmäßige Bauart zeigen die Kessel des 4achsigen Dampfwagens der Taff Vale-Bahn, Abb. 221, mit einer 4eckigen Feuerbüchse, von der die Feuergase durch 2 gegenüberliegende[193] Rohrwände nach den Rauchkammern und in den darüber befindlichen gemeinsamen Schornstein abziehen. Das Feuerloch ist an einer der Schmalseiten der Feuerbüchse angebracht Die Feuerbüchsdecke ist mittels Längsbarren versteift. Über diesen liegt der kuppelförmige Dom. Der Kessel hat 43∙2 m2 Heizfläche, 0∙93 m2 Rostfläche und 12∙7 Atm. Dampfdruck.

Bei dem kleinen Wasserraum der Triebwagenkessel und bei dem oft sehr wechselnden Dampfbedarf erfordert die richtige Speisung und Feuerung besondere Aufmerksamkeit. Es wurde daher der Versuch gemacht, die Brennstoffzufuhr und die Speisung nach Temperatur und Dampfdruck durch Vorrichtungen regeln zu lassen. Dieselben haben sich aber nicht bewährt, da sie mit der Regelung viel zu spät einsetzen (s. Ztschr. dt. Ing. 1904, S. 999, 1000 und 1908, S. 2036).

Besondere Bedürfnisse führten zur Verwendung von Lokomotiven, die auf den von ihnen befahrenen Strecken nicht geheizt werden sollten. Die Kessel dieser Lokomotiven sind meist einfache Walzenkessel ohne jegliche Unterteilung und ohne Feuerung. Sie werden mit hocherhitztem Wasser gefüllt (Frank-Lamm) oder dadurch betriebsfähig erhalten, daß in die Wasserfüllung überhitzter Dampf eingeleitet wird (s. feuerlose Lokomotive).


C. Geschichtlicher Rückblick.


Schon im Jahre 1690 hatte Papin eine Dampfmaschine erdacht, die aus einem oben offenen, mit einem Kolben versehenen Zylinder bestand, auf dessen dünnwandigem Boden Wasser zur Verdampfung gebracht wurde. Nach ihm erfand Savéry einen retortenförmigen Dampferzeugungsapparat, der, wie Papins Dampfzylinder, infolge der Kondensation des erzeugten Dampfes und der dadurch bewirkten Luftleere Arbeit verrichten sollte. Newcomen führte (1711) die erste, auf der gleichen Grundlage beruhende, sog. Feuermaschine mit einem blasenartigen Kessel aus; doch war es erst Watt (1769–1800) vorbehalten, mit seinem Kofferkessel und seiner für jene Zeit in den Hauptsachen schon recht vollkommenen Dampfmaschine der Verwendung des Dampfes für den Betrieb von Maschinen größere Bedeutung zu verschaffen.

Von da an hatte die Entwicklung der Kessel festen Boden gewonnen und es beginnen vom Jahr 1800 an die Bestrebungen, Dämpfe von höherer Spannung als einer halben oder höchstens einer ganzen Atmosphäre zu verwenden.

Der Wattsche Kofferkessel ist als der erste praktische und leistungsfähige Kessel zu betrachten. Spätere Ausführungen desselben hat Watt selbst schon mit einem durch den ganzen Kessel gehenden Feuerrohr versehen.


Der erste auf Räder gestellte und auf unverzahnten Schienen zur Beförderung von Lasten verwendete Dampfkessel, der demnach als erster L. bezeichnet werden kann, wurde von dem englischen Ingenieur Trevithick im Jahre 1804 ausgeführt.

Später (1811) baute Blekinsop (s.d.) für seine Zahnradlokomotive einen zylindrischen Kessel mit einem der ganzen Länge nach durchgehenden Feuerrohr, in welch letzterem sich der Rost befand.

Im Jahre 1812 verwendeten Blacket und Hedley für ihre Lokomotive, die glatte Radlaufflächen besaß, einen mit rückkehrendem Rauchrohr versehenen Dampfkessel, dessen Heizung vom Schornsteinende aus vorgenommen wurde.

Wirklich wirtschaftlich arbeitend und die bei größeren Geschwindigkeiten erforderlichen Dampfmengen erzeugend, wurden die Lokomotiven, d.h. deren Dampfkessel, erst durch die von Marc Seguin 1828 eingeführten Kessel mit Siederohren in Verbindung mit dem Hackworthschen Blasrohr (s. Boot und Blasrohr).

Die nahe Vollendung, der Liverpool-Manchester-Eisenbahn gab im Jahre 1829 den Anstoß zur Erbauung von 4 Preisbewerbungslokomotiven. Von diesen kamen nach Ausscheidung der Lokomotive »Perseverance« von Burshall in Wettbewerb:

1. Die »Sans Pareil« von Hackworth, deren zylindrischer Kessel, Taf. VI, Abb. 1, bei einer Länge von 2∙388 m, einer Weite von 1∙830 m, ein Feuerrohr von 0∙61 m Durchmesser und ein Blasrohr besaß.

2. Die »Novelty« von Braithevaite & Erikson mit einem eigentümlichen, auf Taf. VI, Abb. 2, dargestellten Kessel.

3. Die »Rocket« von Robert Stephenson, bei der außer dem Seguinschen Röhrenkessel als wichtigste Neuerung eine besondere Feuerbüchse zur Verwendung kam, Taf. VI, Abb. 3.

Die Heizfläche der 1829 aus dem Wettbewerbe sieghaft hervorgegangenen »Rocket« betrug schon 12∙8 m2, die Rostfläche 0∙557 m2. (Rühlmanns Allg. Maschinenlehre, Bd. III; Heusinger v. Waldeggs Hb. f. spez. E.-T., Bd. III.)

Bei den weiteren Ausführungen der nach der Stephensonschen Type erbauten Lokomotiven wuchsen diese Ausmaße, den höheren Anforderungen entsprechend, immer mehr. Vom Jahre 1830 an näherte sich die Bauart der Stephensonschen Kessel bereits der heutigen, bei der die Feuerbüchsmanteldecke die Verlängerung des Zylinderkessels nach rückwärts bildet.

Die nachstehende Tabelle stellt diese Entwicklung übersichtlich dar:[194]


Europäische Lokomotive.


Lokomotivkessel

Lokomotivkessel

[195] Das Bestreben, einen möglichst großen Dampfraum zu erhalten, führte zur Anwendung des Dampfdomes 1830 (s. Dampfdom) und zur kuppelartig umgestalteten äußeren Feuerkiste, Bauart Burg 1830 (Taf. VI, Abb. 4 u. 5). Heute noch sind Lokomotiven mit überhöhten Stehkesseln, z.B. Zahnradlokomotiven, im Verkehr, im allgemeinen ist jedoch diese Form verlassen.

An Stelle des Dampfdoms sind auch vereinzelt ganze Oberkessel ausgeführt worden.

Allmählich wuchsen die Ausmaße immer mehr (s. Taf. VI, Abb. 6–12). In den Jahren 1870–1890 ist im allgemeinen ein Stillstand in den Ausmaßen, von da an ein Wachsen der Feuerbüchslängen zu erkennen. Ab 1900 ist wieder ein allgemeines Vergrößern aller Dimensionen eingetreten und heute gibt es in Amerika Kessel, deren Länge mehr als 17 m erreicht, bei einem Durchmesser von 2260 mm und 6400 mm langen Feuerrohren (s. Taf. VI, Abb. 13 u. 14).[196]


Diese zu den größten bis jetzt ausgeführten Kesseln zählenden Dampferzeuger werden mit Ölfeuerung (s. Art. Heizölfeuerungen) geheizt, haben eine 1370 mm lange Verbrennungskammer mit Einsteigloch zum Putzen und Dichten der Rohre und einen an die Verbrennungskammer angeschlossenen 1600 mm langen Speisewasservorwärmer mit ebensoviel Rohren wie der Hauptkessel. In der Rauchkammer befindet sich der Baldwin-Überhitzer.


Noch größere Abmessungen haben die von Baldwin 1910 für die Atchison-Topeka-Santa Fé gebauten Mallet-Lokomotiven, bei denen der vordere Teil des Langkessels, enthaltend Speisewasservorwärmer und Dampfüberhitzer, gelenkartig mit dem die Siederohre enthaltenden hinteren Teile des Langkessels verbunden ist (Baldwin, Locomotive Works, Bull. Nr. 69).

Literatur: Enzyklopädie der Eisenbahnen. 1. Aufl., Bd. II. – Eis. T. d. G. Bd. I. Wiesbaden. C. Kreidels Verlag. – Des Ingenieurs Taschenbuch »Hütte«. Berlin 1908. Ernst u. Sohn. – Theoretisches Lehrbuch des Lokomotivbaues. Von Leitzmann und v. Borries. Berlin, Springer. – Allgemeine polizeiliche Bestimmungen über die Anlegung von Landdampfkesseln und von Schiffsdampfkesseln. Hamburg 1909, Verlag von Boysen u. Maasch. – Ztschr. Die Lokomotive, Wien. – Handbuch des Eisenbahnmaschinenwesens von Stockert. Berlin. Verlagsbuchhandlung von Julius Springer. – Schäden an Lokomotivkesseln. Selbstverlag des Österreich. Ingenieur- und Architekten-Vereines. – Die Dampfkesselexplosionen im Deutschen Reiche. Jahreshefte. Berlin. Puttkammer u. Mühlbrecht. – Die Heißdampftriebwagen der württembergischen Staatsbahnen. Von Zerreth. Organ, 1909, H. 6 u. 7. – Dampftriebwagen der Bauanstalt »Maschinenfabrik Eßlingen«. Von Zerreth. Organ, 1909, H. 10. – Hb. über Triebwagen für Eisenbahnen. Von C. Guillerry. München u. Berlin. Verlag von R. Oldenburg.

Wehrenfennig.

Abb. 201.
Abb. 201.
Abb. 202.
Abb. 202.
Abb. 203.
Abb. 203.
Abb. 204. Polonceau-Decke.
Abb. 204. Polonceau-Decke.
Abb. 205. Wellrohrkessel, Bauart Vanderbilt.
Abb. 205. Wellrohrkessel, Bauart Vanderbilt.
Abb. 206. Tenbrinksieder.
Abb. 206. Tenbrinksieder.
Abb. 207. Stehkessel mit Wasserkammer, Bauart Buchanan.
Abb. 207. Stehkessel mit Wasserkammer, Bauart Buchanan.
Abb. 208. Brotan-Kessel.
Abb. 208. Brotan-Kessel.
Abb. 209. Brotan-Kessel.
Abb. 209. Brotan-Kessel.
Abb. 210. Vorfeuerraum, Bauart Almgreen.
Abb. 210. Vorfeuerraum, Bauart Almgreen.
Abb. 211. Doppelseitige Längslaschennietung.
Abb. 211. Doppelseitige Längslaschennietung.
Abb. 212. Kessel von Rowan.
Abb. 212. Kessel von Rowan.
Abb. 213. Kessel von Serpollet.
Abb. 213. Kessel von Serpollet.
Abb. 214. Kessel, System de Dion-Bouton.
Abb. 214. Kessel, System de Dion-Bouton.
Abb. 215. Kessel von Stoltz.
Abb. 215. Kessel von Stoltz.
Abb. 216. Kessel von Komarek.
Abb. 216. Kessel von Komarek.
Abb. 217. Kessel von Kittel.
Abb. 217. Kessel von Kittel.
Abb. 218. Kessel von Purrey.
Abb. 218. Kessel von Purrey.
Abb. 219. Kessel der Great Western-Bahn.
Abb. 219. Kessel der Great Western-Bahn.
Abb. 220. Cochran-Kessel.
Abb. 220. Cochran-Kessel.
Abb. 221. Kessel der Taff Vale-Bahn.
Abb. 221. Kessel der Taff Vale-Bahn.
Tafel V.
Tafel V.
Tafel VI.
Tafel VI.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 184-197.
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