Spurwechsel

[128] Spurwechsel, der ohne Umladung sich vollziehende Übergang der Betriebsmittel zwischen Bahnen verschiedener Spurweite.[128]

Die Umladung der Güter (die Personen müssen überall umsteigen, s. auch Art. Bahnhöfe, Bd. I, S. 370; Laderampe, Bd. VII, S. 47) wird ausgeführt:

durch Überwerfen, Überschaufeln, Überschieben auf möglichst dicht aneinandergerückten Gleisen der offenen Güterwagen;

durch Tragen, Schieben, Rollen, Karren (Sackkarren) in gedeckten Wagen über Laderampen von verschiedener Breite und Länge, die auch zur vorübergehenden Lagerung der Lasten bei etwa zeitweilig fehlenden Gegenfahrzeugen zu benutzen sind;

durch Abrutschen über Schüttrinnen bei Anordnung der Gleise in verschiedenen Höhenlagen mittels Futtermauer;

durch Bandbewegungen bei zwischen den Gleisen eingeschalteten Speicher- und Siloanlagen (auch unter Anwendung von Eisenbahnwagen mit trichterförmigem Boden);

durch Krananlagen als: feste (Galgen-) Überlade- oder fahrbare bewegliche (Dampf-) Krane zum Überheben der einzelnen Kolli (Langholz), auch der ganzen oder geteilten Wagenkasten;

durch Überpumpen von Flüssigkeiten (Kesselwagen) mittels Schläuchen direkt oder mittels zwischengeschalteten, hochgestellten Behälteranlagen (Petroleum).

Alle diese Anlagen sind kostspielig und ihre Handhabung ist umständlich; außerdem verursachen sie nicht unerhebliche Kosten und Gebühren sowie Verluste an Zeit, namentlich an Menge und Güte der Waren, daher das Bestreben dahin gerichtet war, eine Vereinfachung des Übergangs durch Verwendung besonderer Wagen zu ermöglichen.

Die Abweichungen von der herkömmlichen Bauart der Wagen bestehen meist in der Beibehaltung des Obergestells (Wagenoberkastens) der für die kleinere Spur gegebenen Normalabmessungen und Abänderung des Untergestells (Rahmenwerkes) mit Bezug auf die Anbringung der eigenen und der nach der breiteren Spur gearbeiteten Radsätze.

Zum Übergang einzelner normalspuriger Wagen auf schmalspurige Kleinbahnen sowie einzelner schmalspuriger Wagen auf Linien mit anderer Schmalspur dienen Rollböcke (s.d.).

Die für den S. von 1∙676 und 1∙524 in 1∙435 und umgekehrt hergestellten Wageneinrichtungen bestehen im großen und ganzen in:

a) Auswechslung der Einzelradsätze;

b) Auswechslung von mehrachsigen Unterwagen (Trucks);

c) Mitführen anders gespurter Radsätze, lose oder eingebaut;

d) Verschieben der Räder auf den Achswellen;

e) Verschlingung und Ineinanderschieben der Gleise und Legen einer dritten Schiene.

Zu a) Auswechseln der Einzelradsätze, Umsetzen genannt, vgl. den Artikel Breidsprechersche Umsetzvorrichtungen, Bd. III, S. 3.

Zu b). Anlagen zur Auswechslung von Drehschemel-Unterwagen (Trucks) der typischen Bauart der Eisenbahnwagen in Nordamerika (ähnlich denen für das Auswechseln der Einzelradsätze) sind in Amerika nach verschiedenen Patenten ausgeführt, wobei es sich um Abgleiten der Trucks aus den Drehbolzengehäusen und Wiedereinführen anderer, verschieden gespurter Trucks handelt.

Hierher gehört auch die Auswechslung von Einzelradsätzen der Normalspur 1435 gegen Drehschemel von 1067, 1000, 750 mm Spur, die ebenso wie bei dem Breidsprecherschen Umsatzverfahren so geschieht, daß die entsprechend verlängerten Drehschemelbalken der Schmalspur in die Achsgabeln der großen Eisenbahnwagen mittels der Fänger und der Grubenanlage ein geführt werden und sich selbsttätig darin befestigen, ganz so wie dies bei den Achsbüchsen durch zapfenartige Dorne geschieht.

Das Breidsprecher-Verfahren ist für das Umsetzen von Einzelwagen und geschlossenen Zügen eingerichtet, wozu die Grubenanlagen in entsprechender Länge herzustellen sind.

Es würde eine größere Wirkung ausüben, wenn der Verkehr in beiden Richtungen annähernd gleich groß wäre, so daß die ausgewechselten Achsen sofort wieder ohne weitere Bewegung in andere Wagen eingewechselt werden könnten.

Dies ist jedoch bisher nicht zu erreichen gewesen. Der gegenseitige Verkehr ist so ungleich, daß für das Verfahren immer Reserveradsätze mit Achsbüchsen in Bereitschaft gehalten werden mußten. Da das Ein- und Ausbiegen solcher in die Grubenanlage umständlich und unbequem ist, so wäre es vorteilhafter, wenn in der Grube an dem Zusammenstoß der verschieden gespurten Gleise eine Achsendrehscheibe mit beiden Spuren angelegt würde, mittels der aus seitlichen Achsengleisen schnell die Bewegung der Radsätze in bzw. aus der Grube ermöglicht werden könnte.

Hierzu wären die Gleise der Seitenwagen in das Niveau der tiefen Grubengleise zu legen und die Seitenwagen um die Differenz höher anzuordnen.

Um die Benutzung dieses Verfahrens dem verkehrtreibenden Publikum zu erleichtern, hatten die beteiligten Eisenbahnverwaltungen[129] die Verabredung getroffen, Privatumsetzwagen in die Betriebe zuzulassen und die Auswechselradsätze eisenbahnseitig gegen geringe Zeit- und Laufmiete vorzuhalten.

Die Einführung dieses Verfahrens hat sich infolge Ausbruch des Weltkrieges nicht verwirklichen lassen.

Zu c) Mitführen anders gespurter Radsätze. Um den vorerwähnten Übelständen abzuhelfen, sind der Ladung öfter die entsprechenden anders gespurten Radsätze als Fracht beigegeben, die dann auf dem Grenzbahnhof entweder durch eine Grubenanlage oder nach Aufheben der Wagen mittels Wagenwinden eingesetzt werden.

Ferner sind, da allgemein im Interesse des internationalen Verkehrs eine größere Ladefähigkeit der Eisenbahnwagen erwünscht ist, Drehschemel-Truckwagen für den S. anzuwenden.

Diese sonst 2achsigen Trucks (Drehschemel) sind für das Umsetzen mit je 4 Achsen angeordnet, von denen 2 nach der Spur 1∙435, die anderen 2 nach der Spur 1∙524 geformt sind.

Durch eine besondere Vorrichtung wird nun auf der Grenzstation je ein Paar der Radsätze für den Betrieb wechselweise durch Anheben und Festhalten in der erhöhten Lage ausgeschaltet und die Weiterfahrt auf dem anders gespurten Paar Radsätze bewirkt.

Das patentierte Verfahren Breidsprechers ist in Abb. 138 bis 141 erläutert.


Die im allgemeinen nach dem Muster der preußisch – hessischen Eisenbahn zu erbauenden Drehgestelle erhalten (Abb. 138) an Stelle zweier je 4 Radsätze, von denen die mittleren b b deutsche Spur (1∙435 m) und die beiden äußeren c c die russische Spur (1·524 m) oder umgekehrt haben.

Während die deutschen Radsätze nach den Typen der deutschen Bahnen fest gelagert sind, werden die russischen, ähnlich gelagerten Radsätze in der Höhe verschiebbar angeordnet, so daß sie 100 mm über und 100 mm unter die Schienenoberkante, demnach im ganzen 200 mm gehoben oder gesenkt werden können, damit für die Fahrt in Deutschland die hochgehobenen russischen,[130] für die Fahrt in Rußland durch die gesenkten russischen die deutschen Radsätze unwirksam bleiben (Abb. 140).

Das Heben und Senken der russischen Radsätze geschieht bei der Bewegung des Eisenbahnwagens durch die Lokomotive über eine in den Bahngleisen auf der Umsetzstelle angeordnete kurze schiefe Ebene (Abb. 141).

Zur Herstellung dieser schiefen Ebene ist auf der kurzen Strecke, die zum Umsetzen des Eisenbahnwagens an der Betriebsgrenze erforderlich ist, eine Gleisverschlingung so angeordnet, daß die Mittelachsen der beiden Gleise der verschiedenen Spur in einer senkrechten Ebene liegen (Abb. 140).

Wegen der geringen Spurdifferenz zwischen 1∙524 und 1∙435 = 89 mm ist die Anwendung der gewöhnlichen Eisenbahnschienen auf der Umsetzstelle ausgeschlossen und daher die in Abb. 140 dargestellte Form der Schiene als Winkeleisenschiene gewählt, nach der die deutschen Räder mit dem Flansch auflaufen und daher am inneren Radrand in der Spur gehalten werden, während die russischen Räder mit dem am gewöhnlichen Schienenkopf überragenden Radreifenteil auflaufen und durch den Schenkel des Winkeleisens an ihrem äußeren Rand gespurt werden.

Die Gleislage der Umsetzstelle ist auf Mauerwerk fest zu fundieren und durch geeignete Paßstücke mit den gewöhnlichen Laufschienen zu verbinden.

In diesem so abgeänderten Gleis ist die schiefe Ebene für die russischen Radsätze angeordnet, mittels der die Veränderung der Höhenlage bei dem Übergang über die Umsetzstelle bewirkt wird (Abb. 141).

Um die Radsätze in der veränderten Höhenlage betriebssicher festzustellen, sind die in dem Achsbüchsenlager d (Abb. 139) über oder unter der Achse entstehenden Lücken durch geeignete Keilstücke a od. dgl. zu schließen. Da die Senkung gleich der Hebung der Radsätze ist, so bedarf es für jede Achse nur je eines Keilstücks, das je nach der Fahrt oben oder unten in die Gabel der Achsbüchsenführung einzubringen ist.

Das Keilstück a ist auf einer an der Achsgabel angebrachten senkrechten Welle h mittels 2 Ösen g g drehbar angebracht. Auf der Welle h kann das Keilstück a auf und ab geschoben werden.

Die Keilstücke werden durch Bolzen k mit Widerhaken i verriegelt und durch eine Schraubenmutter e gesichert.

Die Handhabung der Keil- oder Füllstücke erfolgt bei dem Umsetzen durch den den Zug auf der Umsetzstelle auf jeder Seite begleitenden Arbeiter während der Bewegung des Zuges, der sich entsprechend langsam ohne Anhalten über die Umsetzstelle fortbewegt, wobei der Eisenbahnwagen in den unverändert bleibenden deutschen Radsätzen getragen wird, bis die Feststellung der Füllstücke erfolgt ist und dann der Wagen auf je 2 Achsen des Drehgestells ruhend in Deutschland oder Rußland weiterlaufen kann.

Die umzusetzenden Wagen eines Zuges bleiben wie bei der gewöhnlichen Fahrt miteinander gekuppelt.

Das Umsetzen erfolgt durch 2 Lokomotiven verschiedener Spurweiten, indem die eine hinter dem letzten Wagen ungekuppelt schiebend wirkt, während die andere auf der gegenüberliegenden Seite des Umsetzgleises befindliche zum Ziehen des Zuges angekuppelt wird.


Diese Bauart wird von der Waggonfabrik Licke & Hofmann in Breslau ausgeführt und ist auch auf Umsetzen von Personenwagen sowie für andere Spurenweitenunterschiede anwendbar.

Zu d) Verschieben der Räder auf den Achswellen. Hierfür sind verschiedene Patente vorhanden, die jedoch zu einer brauchbaren Ausführung nicht geführt haben, weil ihnen die Bestimmung der Betriebsordnung Deutschlands und der anderen Staaten in § 31, Absatz 1 entgegensteht, der lautet, daß die Räder auf den Achsen unverrückbar befestigt sein sollen, und eine unbedingt sichere Feststellung der beweglichen Räder für den Betrieb sich bisher nicht hat erreichen lassen.

Seitdem jedoch bei dem Bau der Lokomotiven Hohlachsen mit gutem Erfolg und staatlicher Genehmigung in Anwendung gebracht sind (s. Art. Hohlachsen, Bd. VI, S. 220), die in einer Trennung des Radsatzes in eine feste Kranachse und 2 bewegliche Radreifenhohlstücke bestehen, um den Durchlauf durch die Krümmungen des Gleises besser bewirken zu können, ist die Anwendung solcher Hohlachsen auch für den S. anwendbar geworden.

Es kommt nun vor allem darauf an, die Feststellung der je nach der Spurweite zu verschiebenden Hohlachsen so sicher herzurichten, daß sie (also auch die Radreifen) nach der Verschiebung während der Fahrt unverrückbar auf der Kranachse festgehalten werden, u.zw. so, daß die Spurführung sicher gewährleistet ist.

Die Verschiebung der Fahrschienen wird besser selbständig durch eine allenfalls mit elektrischer Kraft getriebene Vorrichtung bewirkt, die ähnlich wie die Gleisbremse (s. Art. Gleisbremse, Bd. V, S. 532 u. Abb. 255) gebaut ist.

Eine hierauf bezügliche Anordnung ist von Breidsprecher erfunden worden.

Ein Umpressen der Räder auf der Achswelle ist auch wohl versucht worden. Dabei hat sich aber herausgestellt, daß die Naben der Räder Sprünge aufzuweisen hatten und daher unbrauchbar geworden waren.

Zu e). Um den S. zu vermeiden, hat man für gewisse, besonders durch örtliche Verhältnisse bedingte Fälle eine Verschränkung, Verschlingung und Einschiebung der schmalen Gleise in die breitere Spur hergestellt.

Dies ist jedoch nur für den Verkehr mit Einzelwagen auf Anschlußbahnhöfen und Fabrikanlagen geschehen.

Von der Einlegung einer dritten Schiene hat man z.B. auf der Great Western-Bahn vielfachen Gebrauch gemacht. Hier bestand bis zum Jahre 1890 ein Doppelverkehr auf 3 Schienen, von denen die kleinere Spur 1∙435 und die größere 2∙134 m betrug. Seit dieser Zeit ist die dritte Schiene für die breitere Spur entfernt und der Übergang zu der vom englischen Parlament beschlossenen Normalspur von[131] 1∙435 m hergestellt worden, der bei mehreren englischen Bahnen vorübergehend auch dadurch bewirkt wurde, daß man ein normales Gleis neben das aufzugebende breitere legte.

Das Einbauen einer dritten Schiene in die Spur von 1∙636 m erfolgte auf den spanisch-französischen Übergangsbahnhöfen Hendaye und Irun, aber nur für die Zoll-, Güter- und Güterschuppengleise. Von einer Weiterführung ins Innere von Spanien hat man Abstand genommen.

Ein Einbau der Normalspur von 1∙435 m in die russische Spur von 1∙524 m ist für den großen Betrieb nicht möglich wegen der zu geringen Differenz von 89 mm, die zur Unterbringung des Schienenkopfes, der Spurrinne und der erforderlichen Befestigungsmittel nicht ausreicht.

Es ist jedoch auf dem Grenzbahnhof Illowo für geringe Gleisstücke auf Drehscheiben, Zentesimalwagen und an Kohlenhofgleisen die Doppelspur hergestellt worden, u.zw. durch entsprechendes Abhobeln der beiden zusammenliegenden Schienen und Anwendung einer ganz besonderen Schienenbefestigung mittels Stehbolzen. Diese Gleisstücke werden nur für örtliche Zwecke bei ganz langsamer Bewegung benutzt.

Als Beispiel einer Bahn mit 3 Schienen ist die Kleinbahn in Kerkerbach (Westerwald) zu nennen, auf der die Spur von 1∙435 mit jener von 1∙000 verbunden ist und die breitgespurten Wagen durch schmalspurige Lokomotiven befördert werden (s. Rollböcke).

v. Breidsprecher.

Abb. 138 a, 138 b.
Abb. 138 a, 138 b.
Abb. 139 a, Abb. 139 b.
Abb. 139 a, Abb. 139 b.
Abb. 140.
Abb. 140.
Abb. 141.
Abb. 141.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 128-132.
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Faksimiles:
128 | 129 | 130 | 131 | 132
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