[179] Stephenson, George, der Hauptbegründer des Eisenbahnwesens, geboren am 8. Juni 1781 zu Wylam am Tyne unweit Newcastle (in der englischen Grafschaft Northumberland), gestorben am 12. August 1848 zu Tapton House bei Chesterfield, war als zweites von 6 Kindern eines armen Arbeiterpaares schon von Kindheit an genötigt, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. S., der fast ohne jede Schulbildung heranwuchs, wurde Hirtenjunge, dann Wärter bei einem Pferdegöpel und im 14. Jahr-Gehilfe eines Kesselheizers. In dieser Eigenschaft machte er sich durch besonderes Geschick bemerkbar, so daß er im Alter von 17 Jahren Maschinenbursche zu Water-Row wurde. Erst in seinem 15. Jahr besuchte S. die Abendschule mehrerer Wanderlehrer, um lesen und schreiben zu lernen, und beschäftigte sich auch eifrig mit Mathematik. In seinem 20. Jahr wurde S. als Bremser bei der Dollygrube in Black Callerton angestellt.
1802 heiratete S. Fanny Henderson, die Dienstmädchen bei seinem Brotherrn war, und bezog am Willington-Quai, wohin S. als Maschinenwärter versetzt worden war, ein gemietetes Häuschen. Die freie Zeit verwendete S. zur Verbesserung seiner Schulbildung. Daneben beschäftigte er sich, seinem Talent für Mechanik folgend, mit Putzen und Ausbessern von Uhren.
Am 16. Oktober 1803 wurde ihm ein Sohn, Robert, geboren.
Gegen Ende des Jahres 1804 wurde S., u.zw. noch immer als Bremser und Maschinenwärter, zum West-Moor-Kohlenwerk nach Killingworth versetzt, der Wiege seines Ruhmes.
Er studierte verschiedene Werke über Mechanik, die ihm in die Hand kamen, und es gelangen ihm auch mehrfache mechanische Verbesserungen (Wecker für Wächteruhren u. dgl.). Bald nach dem 1806 erfolgten Tod seiner Frau wurde S. Maschinenmeister in der Spinnerei zu Montrose in Schottland, kehrte jedoch 1808 wieder nach Killingworth zurück. Er machte sich jetzt durch, mancherlei Verbesserungen an den Maschinen bemerkbar und gelang Hun insbesondere 1811 die Instandsetzung einer alten Dampfmaschine, woran sich vorher Fachingenieure vergeblich abgemüht hatten.
Diese Leistung wie auch verschiedene Verbesserungen an den Pumpen bewogen die Pächter der Killingworther Bergwerke, S. 1812 als Maschinenmeister anzustellen. In seiner neuen Stellung verbesserte er die selbsttätig wirkenden schiefen Ebenen und führte dabei die Maschinenarbeit als Ersatz der Pferdeverwendung ein.
Bei den Arbeitern erfreute sich S. des größten Ansehens, namentlich infolge seines[179] mutigen Vorgehens bei einer Grubenkatastrophe im Jahre 1814. Diese soll S. dazu angeregt haben, auf Mittel zur Abwendung der Gefahren durch schlagende Wetter zu sinnen.
Unabhängig von dem berühmten Chemiker Professor Davy und gleichzeitig mit diesem erfand S. eine Sicherheitslampe für Grubenarbeiter, wofür er einen Preis von 1000 Guineen erhielt.
S. wurde infolge seiner hervorragenden Leistungen zum Direktor der in den Besitz des Sir Ravensworth übergegangenen Kohlenbergwerke zu Killingworth ernannt. In dieser Stellung machte er Versuche wegen Herstellung einer fahrenden Dampfmaschine, wozu ihn die Arbeiten seiner Vorgänger auf diesem Gebiet angeregt hatten.
S., der Gelegenheit hatte, die Hedleyschen Lokomotiven auf der Wylam-Kohlenbahn zu sehen, erkannte sehr bald die Mängel, die dem Dampfwagen anhafteten, und machte sich erbötig, eine bessere Bauart zu ersinnen. Ravensworth, in dessen Diensten S. stand, ging auf dieses Anerbieten ein und baute S. 1814 seine erste Lokomotive, die der Hedleyschen glich, in der Leistung nicht an sie heranreichte, aber in Einzelteilen einige Verbesserungen zeigte. In den folgenden Jahren bis 1829 baute S. in den Werkstätten von Killingworth, dann ab 1824 in der von ihm gegründeten Lokomotivfabrik in Newcastle, zu deren Leiter sein Sohn R. Stephenson bestellt wurde, etwa 30 Lokomotiven, von denen die Mehrzahl für die Kohlenbahnen der Umgegend, die übrigen aber bereits fürs Ausland bestimmt waren.
1823 wurde S. Ingenieur der Stockton-Darlington-Bahn.
Der Ruf, den sich S. beim Bau der Stockton-Darlingtoner Eisenbahn erworben hatte, veranlaßte 1826 die Liverpool-Manchester-Bahn, ihn als obersten ausführenden Ingenieur zu berufen.
Bei dem bekannten Preisbewerb, der über seinen Antrag von der Liverpool-Manchester-Bahn für die beste und schnellste Lokomotive ausgeschrieben war, trug S. Lokomotive »Rocket« den ersten Preis davon (s. Lokomotive). In der Folge übertrug man den beiden S. den Bau der nötigen Lokomotiven.
Mit den erhaltenen Geldmitteln erweiterten sie die Lokomotivfabrik zu Newcastle am Tyne, die lange Zeit für englische und ausländische Eisenbahnen die Maschinen lieferte.
Der weitere Verlauf seines Lebens war ein glanzvoller. Er wurde am Abend seines Lebens der gesuchteste Ingenieur Europas. Auch von auswärts wurde sein Rat häufig eingeholt. So wurde ihm insbesondere vom König von Belgien die Ausarbeitung eines Entwurfs des belgischen Eisenbahnnetzes übertragen und erhielt er ähnliche Aufgaben auch von der Schweiz und von Spanien.
1840 zog er sich von den Geschäften zurück, um den Rest seines Lebens der Landwirtschaft zu widmen. S. wurde auch Eigentümer mehrerer Kohlenbergwerke und der großen Eisenwerke von Clayross; er lebte in den letzten Jahren auf seinem Landsitz Tapton House bei Chesterfield. Seine Beisetzung erfolgte in der Trinity Church zu Chesterfield.
In Newcastle am Tyne, der Stätte seines langjährigen Wirkens, wurde S. noch zu Lebzeiten auf der von seinem Sohn erbauten Brücke eine Statue gesetzt. Nach seinem Tode wurden ihm Denkmäler in Liverpool und London (Euston-Square-Station) errichtet, außerdem in Newcastle im Jahre 1862. Die Memorial-Hall in Chesterfield wurde ebenfalls zum Andenken an S. gegründet und 1879 eröffnet. (Diese enthält eine polytechnische Schule, eine Freibibliothek für Handwerker und einen Saal für öffentliche Vorträge.)
Literatur: Smiles, Lives of George and Robert Stephenson, 8. Aufl., London 1868. Smiles, The life of George Stephenson. London 1884; Georg Stephenson in seinem Leben und Wirken (aus den Biographien berühmter Erfinder und Entdecker der Neuzeit). Stuttgart 1860, 2. Aufl. Perdonnet, Leben Robert Stephensons. Ztg. d. VDEV. 1881, S. 623; Österr. Eisenbahnztg. 1881, S. 301, 325, 328 u. 375.
Gölsdorf .