[275] Tauerntunnel. Der zweigleisige, 8550·6 m lange, gerade Tunnel der Tauernbahn liegt zwischen den Stationen Böckstein in Salzburg, Nordseite (1172·8 m ü.M.), und Mallnitz in Kärnten, Südseite (1219 m ü.M.), unterfährt die Hohen Tauern (2790 m), steigt vom Nordmund mit 10 und 3·3‰ und fällt nach dem Südmund mit 4 und 2‰, wie Abb. 275 zeigt.
Die größte Überlagerung beträgt 1567 m. Von Nord nach Süd geht der Tunnel auf 350 m Länge durch Bergschutt mit großen Blöcken (schwieriger Bau), dann auf 1950 m durch feinkörnigen Gneisgranit auf 5676 m durch harten porphyrartigen Granitgneis mit Knallgebirgsstrecken, schließlich durch Glimmerschiefer, wobei Quellen mit 40, 50 und 60 l/Sek. Wasser angeschnitten wurden. Die höchste Gesteinstemperatur betrug 22·4° C.
Der Sohlstollen als Richtstollen wurde nordseits auf etwa 630 m Länge durch Handarbeit, dann bei einem Querschnitt von 3·0 m Breite und 2·2 m Höhe mit hydraulischen Drehbohrmaschinen Brandt, wovon 34 auf einer mit einem Bohrwagen verbundenen Spannsäule befestigt waren, bei einem durchschnittlichen Tagesfortschritt von 5·0 m hergestellt. Zur Bohrung des im Mittel 3·4 m2 großen Firststollens wurden 2 elektrische Kurbelstoßbohrmaschinen Siemens-Schuckert (1 PS.) verwendet und hiermit ein mittlerer Tagesfortschritt von 1·5 m erreicht.
Nach Durchschlag des Sohlstollens wurden die frei werdenden Drehbohrmaschinen im Firststollen verwendet.
In der 350 m langen Bergschuttstrecke wurde der Firststollen nicht vom Sohlstollen, sondern durch 2 Schächte von der Oberfläche aus in Abständen von 41 m und 233 m vom Nordmund erreicht. Auf der Südseite arbeiteten im 6·5 m2 großen Sohlstollen 3 Drehbohrmaschinen Brandt mit einem durchschnittlichen Tagesfortschritt von 4·5 m. Im 4·2 m2 großen Firststollen arbeiteten 2 Drehbohrmaschinen mit einem mittleren Tagesfortschritt von 3·2 m. Der Durchschlag des Sohlstollens erfolgte am 21. Juli 1907, 6164 m vom Nordmund entfernt. Die hierbei festgestellten Abweichungen betrugen in der Richtung 55 mm, in der Höhe 56 mm und in der Länge 2·93 m. Da die angenommene Durchschlagstelle sich nennenswert nach Süden verschob, wurde der Längsschnitt in der aus Abb. 275 ersichtlichen Weise abgeändert.
Nach Herstellung des Firststollens erfolgte der Vollausbruch in Zonenlängen von 810 m, die Zimmerung nach der Längsträgerbauweise mit Brust- und Mittelschwellen.
Der Tunnel wurde trotz festen Gebirges wegen möglicher Gesteinsablösungen durchwegs meist mit plattenförmigen Bruchsteinen (Gneisgranit) in Zementmörtel ausgemauert. Die Druckstrecke im Schuttkegel am Nordeingang erhielt Gewölbestärken von 0·91·0 m und Sohlgewölbe von 0·8 m Stärke.
Die Förderung geschah in den Arbeitsstrecken mit Benzinlokomotiven, im fertigen Tunnel mit elektrischen Lokomotiven. Erstere zeigten die auch schon bei anderen Tunnelbauten beobachteten Übelstände der Luftverschlechterung. Zur Lüftung dienten auf beiden Seiten je 6 Hochdruckventilatoren mit je 350 m3/Min. Luftansaugung, die teils durch Turbinen, teils durch elektrische Motoren angetrieben wurden. Die Luftleitung hatte 500800 mm Durchmesser.
Die für den Antrieb der Maschinen erforderlichen Kräfte lieferten auf der Nordseite der Anlaufbach und der Höhkaarbach, und da die Wasserkräfte im Winter nicht ausreichten (120 Sek/l mit 180 PS.), wurde noch eine Dampfkraftanlage erforderlich. Auf der Südseite lieferte der Mallnitzbach die erforderlichen Kräfte (Winterminimum 600 Sek/l mit 900 PS.).
Mit den Bauarbeiten wurde auf der Nordseite im Voreinschnitt des Tunnels am 6. Juli 1901 begonnen. Die Ausführung der Arbeiten erfolgte zunächst im Akkordweg mit 14tägiger[275] Kündigung durch die bekannte Bauunternehmung Brüder Redlich & Berger. Erst am 22. Dezember 1905 wurde der Bau endgültig dieser Unternehmung übertragen, da die für die Fertigstellung des Tunnels erforderlichen Mittel erst durch das Ges. vom 24. Juli 1905 sichergestellt wurden.
Im September 1903 wurde der Bau auf der Nordseite durch die bedeutenden Hochwässer des Anlauf- und Höhkaarbaches, die teils durch die genannten Schachtanlagen in den Tunnel drangen und mit etwa 4000 Sek/l aus dem Sohlstollen über die Bauplätze flossen, gestört, so daß die Arbeiten bis Mitte Jänner 1904 eingestellt bleiben mußten.
Der Tunnel wurde am 23. Januar fertiggestellt und am 26. Februar 1909 durch Lokomotiven befahren. Die verhältnismäßig lange Bauzeit des sonst sehr zweckmäßig betriebenen Tunnelbaues hat wohl hauptsächlich darin seinen Grund, daß die zur Vollendung erforderlichen Geldmittel so sehr verspätet zur Verfügung gestellt werden konnten.
Für die Lüftung des Tunnels während des Eisenbahnbetriebs wurde auf der Südseite eine Lüftungsanlage nach Bauart Saccardo erstellt, wobei die Luft von Süd nach Nord entgegen den in der Steigung von 10‰ aufwärts fahrenden Zügen gedrückt wird, wozu die für den Bau erstellte Wasserkraftanlage bei Mallnitz (Lassach) benutzt wird. Die Kosten für den T. werden angegeben:
für den Tunnelbau mit | 23,338.500 M. |
für die Baubetriebsanlage mit | 4,146.700 M. |
zusammen mit | 27,485.200 M. |
daher für den laufenden m mit 3215 M., worin die am Südmund für die Tunnellüftungsanlage erforderlichen Mauerungsarbeiten enthalten sind. Die für den Bahnbetrieb auf der Südseite ausgeführten Lüftungsanlagen haben etwa 700.000 M. gekostet.
Die jährlichen Betriebskosten dieser Anlagen gibt Heine (s. Literatur) mit Rücksicht auf die mögliche Einschränkung im Winter mit 21.00023.000 M. an.
Die 12 km lange Strecke Böckstein-Mallnitz mit dem T. wird in 1618 Min. durchfahren.
Literatur: Hannack, Der Tunnelbau. Geschichte der Eisenbahnen der österr.-ungar. Monarchie, Teschen 1909. Schueller, Über Gesteinsbohrungen mit Berücksichtigung des Stollenvortriebs in den Alpentunnels. Ztschr. d. Österr. Ing.-V. 1909. Heine, Bericht 5, betreffend die Frage über lange Eisenbahntunnels. Bulletin d. Int. Eis.-Kongr.-Verb.
Dolezalek.