[50] Bergmann, J. F. Den Stamm des ausgedehnten Verlagsgeschäftes von J. F. Bergmann bildet der am 1. Januar 1878 von C. W. Kreidel in Wiesbaden übernommene Verlagsanteil.
Christian Wilhelm Kreidel war 1817 in Wiesbaden geboren und trat nach Besuch des Wiesbadener Pädagogiums als 14jähriger Knabe am 1. Mai 1831 in die Haßlochische Buchhandlung als Lehrling ein und verblieb dort auch nach der Lehrzeit bis 1842, um dann nach Leipzig zu Th. Thomas überzusiedeln. Schon nach Verlauf eines Jahres kehrte er nach Wiesbaden zurück, um dort am 1. April 1843 in einem kleinen Lädchen, dem Gasthof zum Adler gegenüber, mit finanzieller Unterstützung eines Jugendfreundes sein eigenes Sortimentsgeschäft zu begründen. Bald wandte er sich dem[50] Verlage zu und hat hier bedeutende Erfolge errungen. 1853 wurde das Sortiment vom Verlage getrennt und als Verlagsteilhaber trat Julius Niedner ein, infolgedessen die Firma in Kreidel & Niedner geändert wurde. Am 1. April 1856 trat Kreidel das Sortiment an Carl Jurany und Carl Hensel ab. Das Sortiment hat sich auch seither die hervorragende Stellung im Wiesbadener Sortimentsbuchhandel zu erhalten gewußt; nach Austritt des ersteren Teilhabers war C. Hensel eine zeitlang Alleinbesitzer, bis es 1890 Ad. Messing und Ad. Reubke erwarben und unter der Firma Jurany und Hensels Nachfolger, unter welcher Firma es auch jetzt noch von dem seit dem Jahre 1901 als Besitzer eingetretenen William Robert Jones weitergeführt wird. Die Firma Kreidel und Niedner bestand bis 1861, in welchem Jahre die Inhaber den Verlag teilten und neben C. W. Kreidels Verlag die Firma Julius Niedner in Wiesbaden entstand. Niedner war geboren am 8. November 1819 zu Kötzschau im Reg.-Bez. Merseburg, wo er auch seine Schulbildung empfing. Seine buchhändlerische Lehrzeit verbrachte er in Leipzig und arbeitete danach in Fulda, Schaffhausen und Heidelberg. Nach seiner Trennung von Kreidel, aus dessen Verlag er sämtliche W. von Hornschen Werke und drei Schriften von Lüdeking übernahm, baute er seinen Verlag vornehmlich in theologischer Richtung und durch die Uebernahme gehaltvoller Volksschriften aus. In letzterer Beziehung standen die Volks- und Jugendschriften des Horner Pfarrers Wilhelm Oertel obenan, dessen »Volks- und Jugendbibliothek«, später von Otto Schupp fortgesetzt, und die etwas umfangreicher angelegte »Deutsche Volksbibliothek« mit Beiträgen von Schupp, Lohmann und anderen mit Recht eine grundlegende Bedeutung gewannen. Die jährlich erscheinende, erst 1895 eingegangene »Spinnstube« war ein weitverbreitetes Lieblingsbuch des evangelischen Volkes der Rheinlande. Aus dem theologischen Verlage sei hervorgehoben: Nebes Bearbeitung der Perikopen und die Leidensgeschichte, sowie dessen 3bändige Geschichte der Predigt, die Predigten von Dietz, sowie Ohlys Sammlung geistlicher Kasualreden, 14 Bde., die 1886 an G. Strübig in Leipzig überging, und die von Emil Ohly begründete, später von Stöckicht redigierte, jetzt im Verlage von Greiner & Pfeiffer in Stuttgart erscheinende Zeitschrift »Mancherlei Gaben und ein Geist«. Niedner starb am 11. Mai 1890; schon 1880 hatte er an Stephan Geibel in Altenburg sämtliche Hornsche Schriften angetreten, auf Grund deren Erwerbung sich Geibel als Verleger etablierte. Der größte Teil des Verlages[51] ging 1889 an Greiner & Pfeiffer in Stuttgart über. Kreidel hatte bei der Abzweigung von Niedner die naturwissenschaftlichen Monographien, das von ihm mit seinem Freunde Heusinger von Waldegg 1846 begründete »Organ für Eisenbahnwesen« behalten, er rief dann im Verein mit Geh. Hofrat Prof. Dr. Fresenius die »Zeitschrift für analytische Chemie« ins Leben. Mit persönlicher Vorliebe arbeitete Kreidel an der Herstellung der bei ihm erschienenen großen Kupferwerke mit. Erwähnt seien: Fleischmanns Embryolog. Untersuchungen, Pagenstecher und Genths Atlas der patholog. Anatomie des Augapfels, Roßmäßlers Ikonographie der europäischen Land- und Süßwasser-Mollusken, Sandbergers Land- und Süßwasser-Conchylien der Vorwelt, Selenkas Studien über die Entwicklungsgeschichte der Tiere, Sempers Reisewerk über die Philippinen, Schmetterlingswerke u. v. a. Bereits 1871 hatte er einen kleineren Teil seiner Verlagsartikel an die neue Firma M. Bischkopff in Wiesbaden abgetreten. Mit dem zunehmenden Alter erwachte bei Kreidel das Bedürfnis nach Erleichterung seiner Berufspflichten, daher er an J. F. Bergmann, dessen Vormund er gewesen und dessen ganze Erziehung er überhaupt geleitet, 1878 einen Teil seines Verlages abtrat, einen weiteren für sich behielt, darunter namentlich die technischen und naturwissenschaftlichen Werke. Dieser Teil wird auch heute noch durch die Firma J. F. Bergmann unter dem alten Namen weiter geführt. Kreidel starb am 23. Sept. 1890. J. F. Bergmann baute den Verlag in dem Sinne seines Vorgängers immer weiter aus, besonders haben seine eisenbahntechnischen Verlagswerke die Führung auf diesem Gebiete errungen.
Quellen: Börsenblatt 1890.