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Brüder vom gemeinsamen Leben

[115] Brüder, die, vom gemeinsamen Leben. [Kogelherren, Fratres vitae communis, Broeders van der Penne.] Die Geschichte dieses Ordens, der von Gerhard Grote (1340-1384) 1383 zu Deventer in Holland gestiftet wurde, bildet hinsichtlich seiner hervorragenden Verdienste um Volksbildung, Jugendunterricht, sowie Schreib- und[115] Druckwesen überhaupt, ein anziehendes Kapitel der deutschen Kulturgeschichte, was eine kurze Behandlung in unserem Buche rechtfertigt. Zu seinen Mitgliedern zählten vorzugsweise Gelehrte, Männer von sittlichem Gehalt und aufrichtigem Streben, deren Hauptzweck in der Begründung, Darstellung und Verbreitung eines praktisch-christlichen Lebens lag. Dazu kam bei ihnen das Abschreiben und Verbreiten der Bibel, sowie sonstiger erbaulicher Bücher. Jedes Fraterhaus hatte seinen Librarius, der zur Aufsicht über das Schreibwesen und die Buchbinderei bestimmt war. Ihre Produktion an Handschriften ist großartig zu nennen und die Korrektheit derselben anerkannt. Die Brüder hatten sich nach und nach besonders im Nordwesten und Norden Deutschlands verbreitet. Ihre typographische Wirksamkeit knüpft sich vornehmlich an folgende Orte:

Marienthal. Das erste Druckwerk aus der Presse dieser berühmten Klosterdruckerei ist die »Copia indulgentiarum« vom Jahre 1468, dem 1474 das »Breviarium Psalteriumque Moguntinense«, das Klemm auf Seite 280 uff. seines Kataloges (1884) genau beschreibt. Die Offizin bestand bis 1507.

Brüssel. Hier wurde die Buchdruckerkunst 1476 durch die Brüder eingeführt; das erste gedruckte Buch ist »Arnoldi Geilhoveni Guotosolitos« 1476, dem Typencharakter nach, sagt Falkenstein, muß man annehmen, daß einige der Brüder entweder bei Ther Hoernen zu Köln in der Lehre gewesen oder doch wenigstens von da ihre Lettern bezogen. Bis 1487 druckten sie 36 Werke.

Rostock. Das Fraterhaus der Br. v. g. L. (auch genannt der Grüne Hof zu St. Michael) erhielt seine erste Druckpresse im Jahre 1475, – Maddens, der der angeblich Kölner Wirksamkeit der Brüder eine Monographie widmete, nimmt wegen der Aehnlichkeit an, daß die Lettern aus Köln, dem Haus Weidenbach, stammten, – welches die zweite in Norddeutschland überhaupt war, lieferte aber erst am 9. April 1476 sein erstes Druckerzeugnis »Lactantii opera« die Schriften des Kirchenvaters Lactantius. Die glänzendste Periode der Rostocker Brüder war die unter ihrem Rektor N. von Deer, 1475-1490. Sie druckten nicht nur für sich, sondern auch für Privatleute, so z. B. 1490 eine Bücheranzeige von Thomas Smynt (Wortlaut siehe Börsenblatt f. d. dtschn. Buchhandel 1887, Nr. 61); sie verlegten auch Werke, die sie auswärts drucken ließen. Ebenso war ihr Buchhandel, nicht minder ihre wohleingerichtete Buchbinderei ziemlich bedeutend. Sie hatten genaue gedruckte Preisbestimmungen für alle Bücher. Lisch zählt in seiner »Geschichte[116] der Buchdruckerkunst in Mecklenburg, Schwerin 1839« bis zum Jahre 1531 20 Druckwerke der Brüder auf, indessen kennt man bis jetzt ganz oder in Bruchstücken 38 Drucke; das letzte Werk, das die Presse verließ, war Emsers neues Testament vom Jahre 1532, das ihnen verhängnisvoll ward. Auf einen Brief M. Luthers hin verbot Herzog Heinrich von Mecklenburg den Druck dieses gegen den Reformator gerichteten Buches, was aber von den Brüdern nicht beachtet wurde, denen infolgedessen die Erlaubnis zu weiterer Ausübung der schwarzen Kunst untersagt wurde. 56 Jahre lang hat sich die Wirksamkeit der Brüder ausgedehnt, doch lag der Schwerpunkt ihrer Thätigkeit im 15. Jahrhundert.

Nürnberg. In der Stadt N., eine der ersten und bedeutungsvollsten Pflanzstätten der Buchdruckerkunst und des Buchhandels nannten sich die Brüder nach dem Orden zum heiligen Augustin, daher ihre Druckoffizin die der »Augustiner zu Nürnberg« hieß. Ihre Druckthätigkeit umspannt die Periode von 1479-1491; 1479 erschien als erstes Werk des Augustiners Johannis Gews Wienensis »Tractatus de vitiis linguae« bei ihnen.

Endlich wird die erste Anlage einer Druckerei in Magdeburg den »Brüdern vom gemeinsamen Leben« zugeschrieben. – Die Gesamtthätigkeit des Ordens wird auf etwa 60 Druckwerke veranschlagt.

Quellen: Archiv für Gesch. des dtschn. Buchhandels XVIII. u. XIX. Band; Panzer, Buchdruckergesch. Nürnbergs 1789; Falk, Die Presse zu Marienthal, Mainz 1882; Ullmann, Johann Wessel, Hamburg 1834; vergl. auch Kapp, Buchhandel I. Bd. und die im Artikel genannten Quellen.