[471] Hitzig, J. E. Julius Eduard Hitzig wurde zu Berlin am 26. 3. 1780 als Sohn des später in Potsdam ansässigen Stadtrates Hitzig geboren und empfing auf dem Joachimsthalschen Gymnasium seine Schulbildung. 1796 ging er zur Universität um Rechtswissenschaft zu studieren, zuerst in Halle, dann in Erlangen. 1799 kehrte er nach Berlin zurück, machte das Examen und trat alsbald in den Staatsdienst als Auskultator bei der preuß. Regierung in Warschau. Hier lernte er die beiden Dichter Zacharias Werner und Joh. Jakob Mnioch kennen und gewann sie zu dauernden Freunden. 1801 nach Berlin zurückgekehrt, um hier die weiter vorgeschriebenen Staatsprüfungen zu machen, trat er sofort in einen Kreis von Poeten, zu denen Chamisso, Varnhagen, Theremin, Wilh. Neumann u. a. gehörten. Er wußte sich durch sein geselliges Talent zum Mittelpunkt dieses litterarischen Kreises zu machen. Man stellte aus den regelmäßig bei den Zusammenkünften mitgeteilten dichterischen Erzeugnissen einen Musenalmanach zusammen und gab diesen in Druck. 1804 bestand Hitzig seine dritte Prüfung und kehrte nunmehr nach geschehener Verheiratung als Assessor an die Regierung zu Warschau zurück. Dort lernte er jetzt auch E. T. A. Hoffmann kennen.
Durch den Umsturtz der politischen Verhältnisse brotlos geworden, kehrte er mit seiner Familie in das väterliche Haus nach Potsdam zurück. Er mochte dem Staate nicht zur Last fallen, und so wurde er, da seine litterarischen Arbeiten ihn nicht ernähren konnten, Buchhändler. Im Herbst 1807 siedelte er nach Berlin über, eignete sich bei täglichem Verkehr in der Reimerschen Buchhandlung rasch die äußeren Handgriffe des Geschäftes an und eröffnete zu Anfang des Jahres 1808 mit den Mitteln, die aus dem Erlös jener litterarischen Arbeiten, und einem großväterlichen Legat bestanden, unter eigener Firma eine Buchhandlung, Sortiment und Verlag. Er legte ein Hauptgewicht auf ein gut assortiertes Lager und scheute auch sogenannte Risikos nicht. So war z.B. 1810 Goethes Pandora bei Geistinger in Wien erschienen. Als Hitzig in diesem Jahre zum erstenmale die Leipziger Messe bezog, war seine erste Frage nach diesem Werk. Alle Kollegen antworteten, danach habe man nicht zu fragen. Geistinger sei ein Mann, mit dem man keine Rechnung halte. Das befriedigte ihn nicht, denn er sah nicht ein, daß, wenn man einem Händler keinen Kredit geben wolle, man doch nicht ein gutes Buch gegen bare Bezahlung von ihm nehmen könne. Er kaufte also 300 Exemplare[471] von Goethes Pandora und setzte sämtlich in einem Vormittage in Berlin ab.
Mit derselben Gediegenheit sorgte er für eigenen tüchtigen Verlag. Es seien hier folgende Verlagsartikel namentlich hervorgehoben: Die astronomischen Schriften von D. J. E. Bode (vor allem das astronomische Jahrbuch, das von 1776-1829 erschien, die Fortsetzung erschien unter dem Titel: Berliner astronomisches Jahrbuch, 1830 u.s.w.); Schriften von Cl. Brentano, J. G. Fichte und Fr. Baron de la Motte Fouqué (Sigurd, der Schlangentöter, 1808, vaterländische Schauspiele, kleine Romane etc.) sowie Caroline Baronin de la Motte Fouqué, Hch. von Kleist, A. v. Kotzebue u. a. 1814 trat er seine Handlung käuflich an Ferdinand Dümmler ab, er selbst trat wieder in den Staatsdienst zurück. Seine litterarischen Neigungen gab er jedoch nicht auf. Die Revision des Strafrechts, mit der das Kammergericht an dem er angestellt war, betraut wurde, gab den ersten Anstoß zu der Begründung der »Zeitschrift für die preuß. Kriminalrechtspflege« (24 Bde, 1825-33) und später seiner »Annalen für deutsche und ausländische Kriminalrechtspflege« (17 Bde. 1828-37, von da ab fortgesetzt durch Demme und Kluge). Er traf auch mit E. T. A. Hoffmann wieder zusammen und auf Hitzigs Anregung wurden jene schönen Serapionsabende gegründet, von denen uns in Hoffmanns Serapionsbrüdern ein so anziehendes Bild erhalten ist. Hoffmann und Werner, die beide vor ihm starben, setzte er 1823 ein Denkmal in den Biographien, die er von ihnen schrieb. Auf Hitzig ist auch die Gründung der sogenannten Berliner Mittwochsgesellschaft zurückzuführen, die Eichendorff, Holtei, Raupach, Chamisso, Simrock, Streckfuß, Uechtritz u. a. zu den ihrigen zählte. 1826 ließ er, ohne Nennung seines Namens das gelehrte Berlin, ein »Verzeichnis der im Jahre 1825 in Berlin lebenden Schriftsteller und ihre Werke« erscheinen. 1838 folgte ein Kommentar des »Gesetzes zum Schutze des Eigentums an Werken der Wissenschaft etc.« und zwei Jahre später übernahm er die Oberleitung der bei J. J. Weber in Leipzig verlegten »Preßzeitung«. Unter seinen übrigen litterarischen Arbeiten sei noch besonders erwähnt das im Jahre 1839 erschienene Werk »Chamissos Leben und Briefe« und seine Beteiligung, zusammen mit Häring, an der Herausgabe des bei Brockhaus seit 1842 erschienenen »neuen Pitaval«, der großen Sammlung von interessanten Kriminalgeschichten. Hitzig, dessen Namen in der deutschen Litteraturgeschichte bleibend genannt werden wird, starb am 30. 11. 1849. [472]
Ferdinand Dümmler, der Hitzigs Buchhandlung erworben hatte, erweiterte den Verlag planmäßig. Seine Unternehmungen, um hier gleich einen Ueberblick bis zu seinem 1847 erfolgten Tode zu geben, verzeichnen in der deutschen Litteraturgeschichte des vergangenen Jahrhunderts wohlbekannte Namen, wie Ernst Moritz Arndt, E. T. A. Hoffmann, Ernst von Houwald, Willibald Alexis, Alexander und Wilhelm von Humboldt, A. von Chamisso, J. Freih. v. Eichendorff, Graf Christ. Stolberg, Heinrich Heine (Tragödien, 1823), J. C. Lavater, Th. Mundt, Fr. Schleiermacher. Seit 1825 debitierte die Firma auch die »Abhandlungen der Kgl. Akademie der Wissenschaften«, die jetzt im Kommissions-Verlag von Georg Reimer erscheinen.
Neben Hitzigs juridischen Schriften und periodischen Unternehmungen verlegte Dümmler die Werke der Rechtslehrer Savigny, Dr. G. Philipps, von Kamptz, sowie die Entscheidungen des Kgl. Geh. Obertribunals, herausg. von Simon und Strampff, 1837 uff. Auf dem Gebiete der Geschichte ragen des Generals von Clausewitz militär. Schriften und Prof. A. Zimmermanns Märkische Studien hervor. Auch Germanisten wie K. Lachmann und Franz Bopp sind vertreten, an guten Uebersetzungen (Staels Deutschland, Chateaubriand, Corneille, Shakespeare u.s.w. ) ist kein Mangel. Daneben kommen eine große Reihe von Schulbüchern in Betracht, wie auch eine Anzahl Schulausgaben griechischer und römischer Klassiker.
Als Unikum verzeichnen wir »die Erde vom Luftball aus gesehen. Eine Karte, entworfen von Zeune und in Holz geschnitten von F. W. Gubitz. Bunt abgedruckt. Erster Versuch in dieser Druckart.«
Die Erben Dümmlers, für die G. A. Reimer als Vormund fungierte, verkauften 1847 das Sortiment an W. Grube und Dr. J. Harrwitz (Dr. Julius Harrwitz, geb. 1819 zu Breslau, gest. 1875, hatte nach erfolgtem Doktorexamen auf der Universität Berlin eine Hauslehrerstelle angenommen, die ihm die Empfehlung Alexander von Humboldts verschafft hatte. Später wandte er sich dem Verlagsbuchhandel zu) , die es unter der Firma Ferd. Dümmlers Sortimentsbuchhandlung betrieben; 1848 erwarben beide Inhaber auch den Verlag, lösten aber 1852 ihr Gesellschaftsverhältnis dergestalt, daß Grube das Sortiment, Harrwitz den Verlag übernahm unter der Firma Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Gleichzeitig nahm Harrwitz als Teilhaber Julius[473] Großmann auf. 1864 wurde der Verlag der 1858 gegründeten Firma Louis Gerschel in Berlin übernommen, 1869 aber wieder abgezweigt und an Gustav Großmann abgegeben. Ebenso bildete ein Teil dieser Verlagsartikel den Grundstock der sich neu abzweigenden Firma Robert Oppenheim (1891 an Gustav Schmidt, der jetzt unter seinem Namen firmiert, übergegangen). 1882 erwarben Ferd. Dümmlers Verlag Rudolf Mayer und Eduard Müller (in Firma Mayer & Müller in Berlin) die ihn 1886 an Hugo Bernstein und D. Frank abgaben. Letzterer trat 1888 wieder aus und war nunmehr Bernstein (der Inhaber der Firma ⇒ Gustav Hempel in Berlin und der Buchdruckerei von G. Bernstein in Berlin) Alleinbesitzer. So kam es, daß seit dem 1. Januar 1887 die Firmen Dümmler und Hempel unter einem Besitzer vereinigt waren und seitdem unter der älteren Firma Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung fortgeführt wurden. Bernstein hat die Hempelschen Klassikerausgaben 1900 an Dr. Josef Petersmann in Leipzig käuflich abgegeben (vergl. auch Artikel ⇒ Hempel). Hugo Bernstein, geboren am 13. Dezember 1857 als der Sohn des Buchdruckereibesitzers G. Bernstein in Berlin, des Begründers der gleichnamigen Firma, gestorben am 2. Juni 1903, bildete sich in dem väterlichen Geschäft zum Buchdrucker aus, war hierauf zum Abschluß dieser Ausbildung einige Jahre im Auslande thätig und trat nach der Rückkehr in die Heimat 1876 wieder in das väterliche Geschäft ein, zunächst als Prokurist, später als Teilhaber. Im Jahre 1883 wurde die Druckerei, die bis dahin Behrenstraße 56 betrieben worden war, in das Quergebäude des von Hugo Bernstein errichteten monumentalen Neubaues Zimmerstraße 94 verlegt. Nach des Vaters Tode im Jahre 1887 führte Hugo Bernstein das Geschäft, das unter Benutzung der günstigen Konjunktur der 1870er Jahre zur Blüte gelangt war und dem Begründer auch einen namhaften materiellen Erfolg eingetragen hatte, unter der alten Firma für alleinige Rechnung weiter.
Neben der umfangreichen geschäftlichen Tätigkeit war es Hugo Bernstein ein Lebensbedürfnis, an allen Bestrebungen zur Lösung der ethischen, sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben unserer Zeit und insbesondere im Buchdruckgewerbe sich lebhaft zu beteiligen. So hat er seit Begründung der Buchdrucker-Berufsgenossenschaft in dieser als Abgeordneter, später daneben als Schiedsgerichtsbeisitzer und Vorstandsmitglied, im Deutschen Buchdrucker-Verein als Abgeordneter zur Hauptversammlung und als Kreisvorstandsmitglied,[474] im Bunde der Berliner Buchdruckereibesitzer als Vorstandsmitglied und Schiedsgerichtsbeisitzer gewirkt; in ganz hervorragender Weise aber und mit seltener Liebe zur Sache hat er teilgenommen an der Errichtung der Buchdrucker-Tarif-Organisation, an der Bearbeitung des Tarifs, an der Durchführung desselben wie an dem Ausbau und der Leitung derjenigen Einrichtungen, welche eine Gewähr dafür bieten, daß der Friede im Buchdruckgewerbe für eine lange Reihe von Jahren gesichert bleibt.
Die Verlagsthätigkeit der Firma Dümmler hat sich von 1850 ab hauptsächlich auf den Gebieten der Philologie und Naturwissenschaft bewegt, ohne indessen die anderen Wissenschaften grundsätzlich auszuschließen.
Durch den Debit der Akademieschriften wurde ein hervorragender Kreis von Gelehrten an die Firma gefesselt, die in der Folge auch ihre nicht akademischen Schriften Dümmler zum Verlag anvertrauten. Wir nennen nur Namen wie die Aegyptologen Dr. H. Brugsch-Pascha und Dr. R. Lepsius; der Ethnograph Ad. Bastian; der Naturforscher Joh. Müller; die Sprachforscher Jacob Grimm (Deutsche Grammatik), K. Müllenhoff, Dr. H. Steinthal; ferner Gelehrte wie Th. Mommsen, G. Parthey, C. H. Zumpt, Du Bois-Reymond, A. Kirchhoff, Mich. Bernays, Hermann Grimm, Ed. Gerhard u. v. a. 1866-69 erschien bei Dümmler Berthold Auerbachs deutscher Volkskalender; von 1864 ab das seit 1831 bestehende »Magazin für die Litteratur des Auslandes«, herausgeg. von Jos. Lehmann (jetzt im Magazin-Verlag in Leipzig erscheinend). Neben Brüder Grimms Kinder- und Hausmärchen finden wir Schriften von Hofrat Trinius (All-Deutschland etc.). Eine besondere Abteilung bilden die Bibeln und Pentateuche der Israelitischen Bibelanstalt. Von periodischen Unternehmungen sind außerdem noch zu erwähnen: Zeitschrift für Völkerpsychologie, 1860 uff.; Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, seit 1868; Der Naturforscher, her. von Sklarek, seit 1868; Deutsches Handelsblatt, seit 1871; Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung; Naturwissenschaftliche Wochenschrift, her. von H. Potonié, seit 1887, ging am 1. 10. 1901 in den Verlag von ⇒ G. Fischer, Jena über). Auch während der letzten Jahre hat die Verlagsfirma eine rege Tätigkeit entfaltet. Ihre Periodici: »Naturwissenschaftliche Abhandlungen« sind bis zum 30. Hefte, die »Beobachtungs-Ergebnisse der Kgl. Sternwarte« bis Heft 12, und die »Veröffentlichungen des Kgl. Astronomischen Rechen-Instituts« bis No. 18[475] fortgeschritten. Die Monatsschrift »Afrika« begann mit dem Jahre 1901 ihr Erscheinen und die von der bekannten Frauenrechtlerin Dr. A. Augspurg redigirte »Die Frauenbewegung« erscheint seit 1900. Wir finden noch folgende Autoren vertreten: die Juristen R. Höinghaus, O. Kotze, Dr. Menzen; ferner Hermann Türck (der geniale Mensch, 5 Auflagen), Paul Lindenberg, Dr. P. von Gizycki u. a.
Das Sortimentsgeschäft ist nach 1879, nach dem Tode von W. Grube, an Edmund Stein verkauft worden und wird von diesem seither unter der Firma Ferd. Dümmlers Buchhandlung (Edmund Stein) betrieben.
Quellen: F. Kugler, J. E. Hitzig, Berlin 1849; Neuer Nekrolog der Deutschen 27. Jahrgang 1849; Verlagskataloge Dümmler 1818, 1823, 1832, 1840, 1848, 1860 mit Nachträgen bis 1872, 1892 und 1902; vergl. auch Allgem. deutsche Biographie XII. Band (Teichmann), Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker 1903 Nr. 23; der Nachlaß Hitzigs befindet sich jetzt im Märkischen Provinzialmuseum in Berlin.
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