[499] Horvath, C. C. Carl Christian Horvath wurde am 6. Februar 1752 zu Wittenberg als der Sohn eines ehemals katholischen Geistlichen im Zomborer Komitat in Ungarn geboren, der durch Uebertritt zur lutherischen Konfession sein gegen 20000 Gulden betragendes Vermögen, welches konfisziert wurde, verloren hatte[499] und nun mit sehr kärglicher Besoldung als Magister legens in Wittenberg angestellt war.
Hier besuchte Carl Christian die Stadtschule und wurde in seinem dreizehnten Jahre zum Fürstenschüler auf der hohen Schule zu Meißen vorgeschlagen und ihm eine Freistelle zugesichert. Bereits hatte er vor dem Baron v. Hohenthal seine Aufnahmeprüfung bestanden, als sich sein Vorhaben, zu studieren, plötzlich änderte.
Der Buchhändler und Ratsherr Ahlfeldt in Wittenberg hatte nämlich den Rektor Messerschmidt gebeten, ihm für seine Handlung »einen Burschen zu verschaffen«, und dieser empfahl ihm den jungen Horvath als großen Bücherfreund und tüchtig vorgebildeten Menschen.
Carl Christian entschloß sich kurzer Hand, Buchhändler zu werden und trat alsbald seine Probe- und danach sechsjährige Lehrzeit bei Ahlfeldt an.
Schon von 1768 ab wurde er zur Besorgung der Meßgeschäfte nach Leipzig geschickt. Hierdurch wurde er mit vielen Buchhändlern persönlich bekannt und der Buchhändler Pauli aus Berlin engagierte ihn als Gehilfe. 1772 siedelte Horvath nach Berlin über und arbeitete sich im Paulischen Geschäfte bald so ein, daß er fast unentbehrlich wurde. Sein Salär, welches anfänglich nur 40 Thaler ohne Meßgeschenk und Weihnachten betrug, stieg im Laufe der Jahre auf 100 Thaler, ein für damalige Zeit sehr gutes Gehalt.
Nachdem Carl Christian bereits fünf Jahre im Paulischen Geschäfte verlebt hatte, wurde in ihm lebhaft der Wunsch rege, fremde Länder zu sehen, namentlich Holland, England und Frankreich. Er hatte auch dort recht vorteilhafte Stellungen in Aussicht; als er jedoch seinem Prinzipal Pauli seine Pläne eröffnete, wollte ihn dieser durchaus nicht fortlassen und sagte unter Anderem: »Bleiben Sie nur bei mir, ich werde für Sie sorgen«. Diese Versprechung wirkte um so mehr auf Horvath ein, als er zu der damals 16 Jahre alten Stieftochter seines Prinzipals, Ulrike, eine große Neigung gefaßt hatte, welche von den Eltern gebilligt wurde. Er blieb deshalb im Paulischen Geschäfte und feierte dann auch 20. September 1776 seine Verlobung auf dem Landsitze der Familie bei Köpenick. 1777 nach der Ostermesse fand die Hochzeit statt.
Pauli fand sich bereit, Horvath zur Begründung eines eigenen Geschäftes seinen alten, wenig gangbaren Verlag um die Summe von 4154 Thaler 7 Gr. 9 Pfg. abzutreten. Nachdem man dahin übereingekommen war, daß davon das Erbteil seiner Stieftochter,[500] die Hochzeits- und Ausstattungskosten mit 1492 Thaler 4 Gr. in Abrechnung gebracht und der Rest in jährlichen Raten ohne Interessen gezahlt werden sollten, übernahm Horvath den kleinen Verlag und eröffnete im Februar 1778 ein Sortimentsgeschäft nebst Verlag in Potsdam.
»Ich eröffnete nun«, so erzählt Horvath in seiner hinterlassenen Selbstbiographie, »einen Laden zugleich mit einer Lesebibliothek von 500 Bänden. Weil aber die Truppen zu der Zeit ausmarschiert waren, erschienen die Aussichten niederschlagend. Mein edler Freund Dickow (ein ihm befreundeter Kaufmann) war, als ich den Laden öffnete, der erste, der zu mir herüberkam, indem er sagte: »Ich muß der Erste sein, der Ihnen Handgeld bringt,« und er kaufte mir für 7 Thlr. 16 Gr. ab. Wer war glücklicher als ich? Die erste Sorge war gehoben! Nachher erhielt ich nochmals 7 Thlr. 16 Gr. von einem Herrn Schmidt aus Bernstedt, und so wurde ich aus meiner peinlichen Lage gerissen. Meine Einnahme im Juli belief sich auf 99 Thlr. 23 Gr. 1 Pfg. Mit Vertrauen auf die Vorsehung besorgte ich mein kleines Geschäft und hatte die Freude, daß es sich mit jedem Monat etwas vermehrte. Aber ich und meine Frau hatten noch viel Zeit übrig, und, um noch eine Nebenbeschäftigung zu haben, fingen wir an, Kupfer zu Buffons Naturgeschichte für Herrn Pauli zu illuminieren, womit wir beide monatlich 20 Thlr. verdienten, die uns in unserer Wirtschaft trefflich zu statten kamen.«
Nach dem Ueberstehen einer schweren Krankheit begann Horvath 1782 auf Anraten Friedrichs II. die Herausgabe von den Werken: Feldzüge des Marschalls von Luxemburg, oder Militairgeschichte von Flandern in den Jahren 1690 bis 1694 und gleichzeitig: Geschichte Ludwigs von Bourbon des Zweiten, Prinzen von Condé mit dem Zunamen der Große. Beide wurden Lieblingsbücher Friedrichs des Großen, welcher schon längst seine Verwunderung darüber ausgesprochen hatte, daß solche Werke nicht deutscher Sprache von einem Buchhändler herausgegeben worden waren.
Bei seinen immerhin noch dürftigen Verhältnissen hielt Horvath doch gewissenhaft darauf, seinen Verpflichtungen, die bei diesen Unternehmungen keine geringen waren, aufs Pünktlichste nachzukommen. Bei dem Luxemburg-Werke, welches ihn beiläufig 9000 Thlr. kostete (er beschäftigte außer Buchdrucker und Papierfabrikanten Uebersetzer, 2 Kartenzeichner und 5 Kupferstecher), brachte ihn der Tod seines Papierfabrikanten Ruhm in Hof in[501] große Verlegenheit, da die Erben desselben auf schnellste Zahlung der Rechnung von 1600 Thlrn. drangen, und sein Schwiegervater ihn nicht unterstützen wollte. Auch der Tod Friedrichs des Großen wirkte nachteilig auf dieses Verlagsunternehmen ein. Nachdem 1778 die Werke komplett geworden, zeigte der neue König, Friedrich Wilhelm II., dem sie dediziert wurden, kein Interesse für dieselben und ließ auch nicht, wie Horvath gehofft hatte, den Regimentern Exemplare zum Unterricht der Offiziere zuweisen.
Große Verluste verursachte dem Verleger des Weiteren die Frischbachsche statistisch-topographische Städtebeschreibung der Mark Brandenburg, ein Werk, welches gar keinen Absatz fand, wovon infolgedessen auch nur der erste Band erschienen ist. Heute ist es jedoch eins der gesuchtesten Werke der brandenburgischen Spezial-Geschichte. Ein glücklicheres Unternehmen, die Herausgabe der Preußischen Armeeuniformen, deckte jedoch diesen Ausfall wieder. An umfangreichen Werken verlegte er noch: Die preußische Medizinalverfassung; Beschreibung der Königlichen Schlösser und Gärten, und sein Lieblingsbuch: Lehrbuch der Naturgeschichte für die Jugend.
Von hervorragender Bedeutung für ihn war, daß 1822 König Friedrich Wilhelm III. ihm den Druck des neu eingerichteten Gesangbuchs für die Preußische Armee übertrug. Davon wurde anfänglich eine Auflage von 50000 bestellt, dieselbe wurde jedoch binnen kurzem bis auf 145000 Exemplare erhöht. An dieses rasch und zur Zufriedenheit durchgeführte Unternehmen schloß sich der Verlag des »Hilfsbuch beim Gebrauch der Kirchenagende« an, (welches Werk auch mit Unterstützung der Regierung gedruckt wurde), und das »Repertorium der Preußischen Gesetze«.
Das Verzeichnis von Horvaths Verlagsbüchern umfaßte 1828 etwa 140 Werke aller Art, Broschüren, Ansichten und auch Karten in deutscher und französischer Sprache.
Besonders interessant ist die durch Horvath erfolgte Begründung der Buchhändlerbörse zu Leipzig im Jahre 1797, bei der wir etwas länger verweilen, da sie für die Geschichte des Buchhandels ein wichtiges Moment darstellt.
Vor diesem Zeitpunkt war es mit der Leipziger Meßabrechnung schlimm bestellt. Fromann gibt in seiner »Geschichte des Börsenvereins« (Leipzig 1875) eine sehr anziehende Schilderung darüber; er schreibt:
P. G. Kummer, der dreizehnte Buchhändler in Leipzig war der erste, welcher das bisher sehr unbequeme Abrechnen der Buchhändler[502] unter einander insofern zu erleichtern suchte, als er mehrere Zimmer im Richterschen Kaffeehause zur Meßzeit mietete und diese den von auswärts gekommenen Kollegen behufs der gegenseitigen Abrechnung gegen ein geringes Eintrittsgeld zur Verfügung stellte.
Diese Einrichtung hatte leider nur kurzen Bestand, und man litt unter den alten unbequemen Verhältnissen, bis es Horvath im Jahre 1797 unternahm, das große theologische Auditorium im Paulinum (Universitätsgebäude) für die Dauer der Oster- und Michaelismesse für den Preis von 120 Thalern zu mieten und als Buchhändlerbörse einzurichten. Das Zirkular, in welchem Horvath das Abkommen mitteilte, war von 117 in Leipzig anwesenden Vertretern auswärtiger Handlungen unterschrieben die Leipziger selbst grollten, und der alte Göschen schrieb auf das Zirkular: »Die Leipziger Buchhändler haben nicht blos Buchhandelsgeschäfte in der Messe, sondern müssen auch für jedes andere Geschäft zu Hause sein und können also ihre Läden nicht verlassen.« Die Börse trat jedoch in Funktion und Horvath führte diesen Gebrauch fort bis zum Jahre 1824, in welchem die auswärtigen Buchhändler, welche nunmehr den praktischen Wert erkannt hatten, sich zusammenschlossen und das Unternehmen auf gemeinschaftliche Kosten fortführten.
1817 ließ Horvath die alten Tische und Stühle, welche bisher benutzt worden waren, durch neue ersetzen, mit einem Aufwande von 42 Thlr. 20. Gr., welchen die Eintrittsgelder wieder aufbrachten.
1825 konstituierte sich darauf ein Verein mit anfänglich 108 Mitgliedern, welcher über die Grundlagen einer Börsenordnung schlüssig machte und auch Horvath in den Vorstand wählte.
Von 1798-1824, in welcher Zeit Horvath alleiniger Mieter des Paulinums und Ordner des Abrechnungswesens war, sah man, so erzählt Fromman, beim ersten Eintritt in den Börsensaal, gleich rechts, am einzigen Fenster nach dem Pauliner Hofe zu, den alten Horvath an seinem Tische sitzen; bezahlte man seinen Kronthaler Eintrittsgeld und erhielt dagegen eine Karte, auf welcher deutlich von dessen Hand die Firma des Zahlenden geschrieben stand, und welche einen Siegelabdruck zeigte.
Horvath führte noch ein Jahr nach dem Inslebentreten des Börsenvereins, bis 1825, die Vorstandschaft; dann entlastete ihn sein Freund F. Campe aus Nürnberg. Bei dem am 23. Mai dieses Jahres veranstalteten gemeinschaftlichen Mahle wurde dem abtretenden Stifter und Leiter der Börsenvereinigung durch Campe als Zeichen[503] des Dankes und der Anerkennung ein großer silberner Pokal überreicht, aus dem Horvath nach Dankesworten auf das Wohl der Geber trank.
1835 trat Horvath sein Geschäft an J. Witte ab, er starb als 851/2 Jahre alter Greis am 18. 6. 1837.
Witte verkaufte die Buchhandlung 1840 an ⇒ F. A. Herbig und dieser trat sie 1843 käuflich an ⇒ Otto Janke ab, der das Geschäft durch Errichtung von Filialen in Perleberg und Wittstock vergrößerte. 1845 erwarb das Potsdammer Hauptgeschäft Hermann Weiße, seit 1898 befindet es sich im Besitze vom Hofbuchhändler Otto Pistorius, dem gleichzeitigen Inhaber der Gropiusschen Hof-Buch- und Kunsthandlung in Potsdam. Die beiden Filialen gingen 1847 an J. Roell und F. Wegener über.
Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1884 (Frank), Frommann, Geschichte des Börsenvereins, Leipzig 1875; Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels Band VII, VIII, IX und XIV.
Buchempfehlung
Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.
42 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro