[548] Klinkhardt, J. Friedrich Julius Klinkhardt, geboren am 24. VII. 1810 zu Leipzig, begründete 1834 seine Verlagsbuchhandlung durch Uebernahme von J. Sührings Verlagsexpedition in Leipzig. Dieses Geschäft war von J. P. V. Sühring als Sortiments- und Verlagsgeschäft ins Leben gerufen worden. Nachdem 1830 der Begründer gestorben, wurde von der Witwe 1832 die Sortimentsabteilung an Eduard Eisenach verkauft, der unter seinem Namen firmierte. Eisenach kam aber bald in Zahlungsschwierigkeiten, sodaß er das Geschäft liquidieren mußte, es aber 1835 wieder eröffnete und 1856 an Julius Werner weiter verkaufte (Besitzer seit 1902 Franz Julius Werner).
Klinkhardt begann alsbald nach der Uebernahme mit einer regen Verlagsproduktion. Einer seiner ersten erfolgreichen Autoren war der Pastor Robert Florey, von dem der Verlag späterhin noch eine ganze Reihe sehr gesuchter homiletischer Schriften veröffentlichte.
1841 wurde mit dem Verlag ein Sortiments- und Kommissionsgeschäft verbunden, dem ein Jahr später die Erwerbung des C. H. F. Hartmannschen Verlages in Leipzig folgte, eines Geschäftes, das, ursprünglich als Sortiment gegründet, auf die Firma ⇒ Gerhard Fleischer jun. in Leipzig zurückgeht, und von Hartmann im Jahre 1817 angekauft und nunmehr durch Verlag ausgebaut wurde.
Vom Jahre 1848 ab nahm Klinkhardts Verlag eine entschieden pädagogische Richtung an, die ihm speziell durch das in diesem Jahre erfolgte Erscheinen der »Lebensbilder« gegeben wurde. Durch die schnelle und große Verbreitung, welche dieses von den Schuldirektoren Berthelt, Jäkel, Petermann, Thomas und Kell herausgegebene[548] vierteilige Lesebuch in den Volksschulen namentlich Sachsens erlangte, wurde Klinkhardt alsbald zu weiteren und größeren pädagogischen Unternehmungen angeregt. 1849 gründete er im Verein mit Berthelt die »Allgem. deutsche Lehrerzeitung«, für die er anfangs zwar schwere Geldopfer zu bringen hatte, die aber später als das vornehmste und verbreitetste Lehrerorgan ein gewinnreiches Unternehmen wurde. 1858 gesellte sich dem Blatte die für Rechnung des Sächsischen Pestalozzi-Vereins in Kommission übernommene »Sächsische Schulzeitung« hinzu.
Um sich der wachsenden Verlagsthätigkeit ausschließlich widmen zu können, verkaufte Klinkhardt 1850 sein bis dahin betriebenes Sortiments- und Kommissionsgeschäft an Otto Klemm (gegr. 1845) das sich seit 1879 im Besitze von Rudolf Klemm befindet.
Klinkhardts Verlag umfaßte bald einen stattliche Reihe gangbarer Lehr- und Schulbücher, unter denen aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hervorzuheben sind: Das größere und kleinere Handbuch für Schüler; die Biblischen Geschichten; die Methodisch geordneten Aufgaben zum Kopf- und Tafelrechnen in Heften usw. Vom Jahre 1853 datiert die Verbindung mit dem hervorragenden Pädagogen Fr. Dittes, dessen 1876 erschienenes berühmtes Werk »die Schule der Pädagogik« eine besondere Zierde des Verlages wurde.
1860 erfolgte die Uebernahme des Verlages von L. Mertens in Leipzig (gegr. 1858 durch Carl Ludwig Mertens, durch Ankauf des ehemaligen seit 1852 bestandenen Verlages von J. Wallerstein in Zerbst). 1861 wurde die Buch- und Notendruckerei von Umlauf & Lüder in Leipzig mit nur einer Schnellpresse übernommen. 1869 wurde ihr eine Buchbinderei angegliedert und im gleichen Verlage der gesamte Verlag von Gustav Mayer in Leipzig (darunter befand sich auch der berühmte Schwab- und Klüpfelsche Wegweiser durch die Litteratur der Deutschen) käuflich erworben. (Es sei hier eingeschaltet, daß die Firma Gustav Mayer 1842 durch Mayer und Georg Wigand unter der Firma Mayer & Wigand begründet, seit 1844 aber von Mayer allein fortgeführt wurde. Dieser war der Originalverleger von Gustav Nieritz' Jugendschriften, deren Verlagsrecht 1859 an Voigt & Günther in Leipzig abgetreten wurde. 1862 ging ein weiterer Teil des Verlags an H. Haendcke und A. Lehmkuhl in Altona über, an die jetzt seit 1898 im Besitz von Dr. Erwin Haendcke in Dresden befindliche Hamburger Firma Haendcke & Lehmkuhl, welche Dr. E. Haendcke jetzt unter seinem Namen weiterführt.)[549]
1870 nahm Klinkhardt seine beiden Söhne Robert und Bruno Klinkhardt als Teilhaber auf und vergrößerte das Geschäft mit ihnen gemeinsam durch Ankauf der lithographischen Kunstanstalt von J. G. Bach in Leipzig (gegr. 1853), der Gustav Schelterschen Schriftgießerei in Leipzig und durch Uebernahme eines Teiles des Verlages von Gustav Gräbner in Leipzig (vormals F. Rubach in Berlin, vergl. Artikel ⇒ Baensch) und Gebrüder Baensch in Magdeburg. Aus der Verlagsthätigkeit der siebziger Jahre ist besonders das Erscheinen der in der Lehrerwelt epochenmachenden, von den Schulmännern Baron, Junghanns und Schindler bearbeiteten, und nach und nach in vierzehn verschiedenen Ausgaben erschienenen »Deutschen Sprachschule in Uebungsbeispielen« zu erwähnen, der, durch dieselben Autoren bearbeitete, die »Muttersprache«, in einer acht-, fünf- und dreiteiligen Ausgabe folgte. 1879 erfolgte der Ankauf der Jütting und Weberschen Lehr- und Lesebücher aus dem Verlage von Siegismund & Volkening in Leipzig (gegr. 1861 in Minden). Seit 1877 besteht auch in Wien eine Filiale des Klinkhardtschen Geschäftes, die, das die Schulverhältnisse in Oesterreich doch wesentlich andere als in Deutschland waren, eigene speziell für Oesterreich bestimmte Verlagsunternehmungen ins Leben rufen mußte. Es wurden dazu namhafte österreichische Schulmänner wie Willomitzer, Bechtel, Pennerstorfer, Kummer, Stejskal u. a. gewonnen.
F. J. Klinkhardt starb am 26. 4. 1881, das Geschäft ging an seine beiden obenerwähnten Söhne über. Kommerzienrat Bruno Klinkhardt, der langjährige frühere Vorsitzende des deutschen Buchdruckervereins, wurde am 24. 8. 1843 in Leipzig geboren. Die Buchdruckerei erlernte er bei E. Polz in Leipzig, arbeitete dann als Volontär in Dresden, um schon nach kurzer Zeit ins väterliche Geschäft einzutreten. Hier leitete er bis zu seinem am 17. 11. 1897 erfolgten Tode die technische Abteilung der inzwischen zum Welthause angewachsenen Firma. Im öffentlichen Berufsleben hat Klinkhardt die größten Verdienste sich erworben. Unter seiner Leitung verzeichnete der deutsche Buchdruckerverein einen bedeutenden Aufschwung, gelangte er zu Macht und Ansehen nach innen und außen. Unter Klinkhardts persönlicher Initiative wurden Vereinseinrichtungen geschaffen wie der Internationale graphische Musteraustausch, die »Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker«, die Unterstützungskasse und die den Zwecken derselben dienende Jubiläumsstiftung. Unter seiner persönlichen Leitung wurden 1896 die Verhandlungen[550] zwischen dem Vorstande des deutschen Buchduckervereins und den Vertretern der Gehilfenschaft geführt, welche die Grundlagen für das große Tarifwerk bildeten, das heute als unerreichtes Muster dasteht.
1881 wurde eine zweite Filiale in Berlin eröffnet durch Ankauf eines Teiles des Verlages von Carl Chun (gegr. 1876). Seit 1896 befindet sich der andere Teil des Chunschen Verlags (Schulwandkarten) im Besitze von Bernhard Fahrig, während das Klinkhardtsche Zweiggeschäft unter eigener Firma weiter geführt wird (jetzt C., Holzgartenstr. 5, befindlich). 1883 erwarb die Firma die 1849 gegründete Manzsche k. k. Hof– Verlags– und Universitätsbuchhandlung in Wien, in die der bisherige Geschäftsführer der Wiener Filiale des Klinkhardtschen Geschäftes, Markus Stein als Teilhaber aufgenommen wurde. Seit 1898 ist auch dessen Sohn Dr. Richard Stein Mitinhaber des mit dem Zusatze Julius Klinkhardt & Comp. im eigenen Hause, Kohlmarkt 20, betriebenen Geschäftes. 1901 ging der kaufmännische Verlag (Rothschilds Taschenbuch für Kaufleute etc.) von G. A. Glöckner (gegr. 1881, bis dahin ein Teil des Otto Spamerschen Verlags) in Leipzig an die Inhaber der Firma Julius Klinkhardt über. Der Verlag wird unter der alten Firma fortgeführt.
Seit 1899 ist als weiterer Teilhaber Wilhelm Julius Klinkhardt eingetreten, seit 1901 Dr. Viktor Klinkhardt. Heute umfaßt das Leipziger, Liebigstr. 6 belegene Geschäft folgende Zweige: Verlag, Buchdruckerei, Litographische Anstalt, Xylographie, Zinkographie, Galvonoplastische Anstalt, Stereotypie, Schriftgießerei und Buchbinderei. Während 1870 etwa 45 Angestellte beschäftigt wurden, war das Personal 1875 auf 226, 1880 auf 371, im Jubiläumsjahr 1884 auf 611 gestiegen und beträgt heute 650 Personen. Die technischen Betriebszweige arbeiten mit folgenden Hilfsmaschinen. a) Buchdruckerei: 70 Schnelldruck-, Handpressen usw., Buchbinderei: 68 Schneid-, Falz-, Heftmaschinen usw., Prägepressen; b) Gießerei: 84 Complett-, Handgießmaschinen, Fräsmaschinen, Messinghobel-, Präge-, Gravier- usw. Maschinen; c) Steindruckerei; 15 Schnelldruck-, Handpressen usw.; d) Zinkographie: 3 Maschinen; zusammen 240 Maschinen.
Aus der neueren pädagogischen Verlagsthätigkeit seien hervorgehoben die Schriften von A. Goerth, H. Hoffmeister, F. W. Schütze; die Schul- und Lehrbücher von A. Ernst & J. Tews, Otto Fr. Schmidt & H. Schillmann, H. R. Hildebrand, H. Weber, F. Grundig, L. Mittenzwey, R. Gehler, O. Türke u. a. 1879-1896 erschien, von Fr. Dittes[551] herausgegeben, die Monatsschrift für Erziehung und Unterricht »Pädagogium«. Seit 1896 erscheint die von R. Rißmann in Berlin redigierte Monatsschrift »Die deutsche Schule« und bereits seit vielen Jahren der »Kalender für deutsche Volksschullehrer«.
Aus den übrigen Gebieten der Wissenschaften seien folgende zum Teil sehr kostspielige und umfangreiche wenn auch meist übernommene ältere Verlagswerke erwähnt: »Deutsche Kunst in Bild und Wort«, herausgegeben von Albert Träger (früher J. G. Bachs Verlag), seit 1859, pro Band 15-17 M.; L. v. Orlich, Reise in Ostindien (72 M.); Indien und seine Regierung (21 M.); Rentzsch, Handwörterbuch der Volkswirtschaftslehre, 1870; die Schriften von Dr. H. Schulze-Delitzsch; U. Edlingers Literaturblatt 1877-79 u. v. A.
Quellen: Erinnerungsblätter an die Feier des 50jähr. Jubiläums 1884, Leipzig 1885; Allgem. Buchhändler-Zeitung 1896 N. 45/46; Verlagskataloge 1836, 1852, 1873, 1878 mit Nachtrag bis 1881, 1897; den Manen Bruno Klinkhardts (Sep.-Abdruck aus der »Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker«, 1897).
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