Koberger, Anthoni

[558] Koberger. Anthoni (Antonius) Koberger, der spätere »König der Buchhändler«, entstammte einem Geschlechte, das urkundlich schon 1349 in Nürnberg erwähnt wird. Der »Bäcker« Rüdger Koberger wird um die Mitte des 14. Jahrhunderts als einer der Bürgermeister des Rates der Aufständischen, welche damals die Adelsregierung der Nürnberger Geschlechter stürzten, genannt.

Ant. Koberger wurde um 1445 in Nürnberg geboren und hat vermutlich vor seiner Beschäftigung mit der Erfindung Gutenbergs die Goldschmiedekunst ausgeübt; der Goldschmied Albrecht Dürer war sein Gevattersmann. 1488 ward Koberger Genannter des großen Rates, welcher »aus Leuten eines ehrbaren Lebens, die ihre Nahrung mit ehrlichen, tapfern Gewerben und nicht mit kleinen oder geringen Handwerken überkommen«, bestand.

Kobergers Haupteigenschaften im geschäftlichen Gebahren, sagt von Hase in seiner ausgezeichneten Monographie, waren kühnes Wagen und zähes Durchführen. Mochte auch ein volles Jahrzehnt schwerer Kämpfe dazu gehören, ein einmal begonnenes Unternehmen durchzusetzen. Und von diesem Standpunkt aus muß auch Kobergers einschneidendes Wirken betrachtet werden.

Obschon zwar das erste datierte Kobergersche Werk, die lateinisch-deutsche Ausgabe des »Boethius, de consolatione philosoph.« aus dem Jahre 1473 stammt, so hatte er doch viel früher, schon vor 1470, angefangen zu drucken. Bis zum Schlusse des Jahrhunderts nahm seine Druckthätigkeit jedoch einen erstaunlichen Umfang an, sodaß er vom Jahre 1480 ab diejenige Schöffers bedeutend überholte und gegen das Ende dieses Säkulums gar der bedeutenste Drucker seiner Zeit war. »Dieser Koberger – so[558] schreibt der zeitgenössische Nürnberger Geschichtsschreiber Joh. Neudörffer – hatte täglich mit 24 Pressen zu drucken; dazu hielt er über 100 Gesellen«, welche »einesteils Setzer, Correctores, Drucker, Posselirer, Illuministen, Komponisten, Buchbinder« waren.« Die Ausstattung der Drucke Kobergers schloß sich in Format und Einteilung, Papier und Schriftart, Illumination und Bindung eng derjenigen der damaligen Handschriften an. Ja auch durch Schreiber ließ Koberger manches vervielfältigen, wie er einmal an einen seiner Drucker schreibt: »Ich hab guter Schreiber drei, die schreiben alle Wochen 6 Quaternen, also daß ich hoffe, es soll flux von statten gehen und besorge, Ihr könnt nicht soviel korrigieren, als sie täglich schreiben.« Unter den 276 Werken des Koberger'schen Verlagsverzeichnisses finden sich nur etwa 37 Quartbücher, das heißt dem Papierformat nach Quart, dem Schriftspiegel dagegen dem heutigen Großoktav sich nähernd; die übrigen Verlagswerke sind fast ausschließlich in Folio gehalten. Die großen Posten Papier, die Koberger verbrauchte, bezog er aus verschiedenen Quellen. Lange Zeit war Adolph Rusch in Straßburg, über 25 Jahre hindurch Friedrich Brechter, der Geschäftsfreund Gutenbergs, ebenda, Kobergers Papierlieferant. Was die Schriftart der Drucke Kobergers angeht, so hat er fast durchgängig Fraktur angewandt, erst 1492 mit der Virgilausgabe kommt die venetianische Antiqua gelegentlich vor. Eine Reihe seiner Verlagsbücher weisen besonders kunstvollen Satz auf, so das 1498-1502 in Basel bei Amerbach gedruckte sechsbändige Bibelwerk des heiligen Hugo, die 1482/83 erschienenen Gesetzesquellen des kanonischen Rechtes, deren Text selbst mit großer Schrift in der Mitte, ringsum die Glossen in kleinen zarten Lettern, die Kolumnen gespalten, rote Zeilen zu Beginn und Schluß, auch die Rubriken in rotem Eindruck – der Boethius von 1486 und die von Adolph Rusch in Straßburg 1478/1480 gedruckte vierbändige lateinische Bibelausgabe. Als Korrektoren beschäftigte Koberger eine Reihe bekannter Gelehrter, wie Jacob Wimpfeling, Hans Beckenhaub, Nicolaus von Wyle u. a.; auch hielt er besonders auf die Verwendung verläßlicher Texte. So hat er erhebliche Summen für die leihweise Beschaffung der verschiedenen Handschriftenunterlagen ausgegeben; und wenn die betr. Inhaber die Originale nicht herleihen wollten, so scheute Koberger keine Kosten, um originalgetreue Abschriften, die wiederum vielfach verglichen wurden, an Ort und Stelle herstellen zu lassen. Ungemein viel hielt Koberger auf schönen, sauberen und tadellosen[559] Druck. Mehrmals giebt er seiner Unzufriedenheit über die schlechte Druckarbeit brieflichen Ausdruck. So schreibt er an Amerbach in Basel über den Druck der zweiten Auflage der Hugo'schen Bibel: »Item lieber Meister Hans, ich habe mit Meister Hansen Peter zu Frankfurt geredet des Hugo halb, daß ich nicht wahrlich mehr und größeren Fleißes versehen hätte in dem Werke; ich habe die 10 Faß, so Ihr mir gesandt habt, alle von Blatt zu Blatt übersehen und kollationieren lassen, so findet sich gar viel Caduc und unfleißige Arbeit darin, des wahrlich in dem ersten Hugo so Ihr mir gedruckt habt, nicht gewesen ist und hätte mich des in diesem andern Hugo auch nicht versehen, ich muß Geduld haben; Ihr wißt, daß das Werk sonst unkäuflich ist, so dann der Fleiß auch darin gespart ist, so wird es noch unkäuflicher werden.«

Das erste künstlerisch mit Bildern ausgestattete Werk aus Kobergers Presse war die deutsche Bibel von 1483, »die neunte deutsche«, die 110 selbständige über beide Kolumnen einer Seite sich erstreckende Bilder aufweist. Einen selbständigen Titelholzschnitt bringt Koberger erstmals in seiner »Reformation der Stadt Nürnberg«, 1484; es zeigt nämlich das erste auf der Vorderseite leere Blatt auf der Rückseite einen schönen blattgroßen Holzschnitt, auf welchem der heilige Lorenz und der heilige Sebald, die beiden Schutzpatrone Nürnbergs, abgebildet sind; daneben sehen wir die drei Nürnberger Wappen: Reichsadler, Jungfernadler und Stadtwappen. 1493 erschien bei Koberger das größte illustrierte Werk des Jahrhunderts, die »Schedelsche Weltchronik«. Die Holzschnitte, etwa 2250 an der Zahl, geschaffen von Michael Wolgemut in Verbindung mit seinem Stiefsohn Wilhelm Pleidenwurf, nehmen bald ganze Folioseiten ein, bald durchziehen sie den Text nach allen Seiten als Stammbände. Ueber den Stil schreibt der bekannte Kunsthistoriker Wilhelm Lübke: »Während die figürlichen Darstellungen sich in dem von der flandrischen Schule ausgegangenen Realismus der Auffassung bewegen, hält sich das Ornamentale noch ganz innerhalb der Grenze des gotischen Stiles, und nur einmal, gleich auf dem ersten Blatte mit der imposanten Darstellung des thronenden Salvators, erkennen wir in den mutwilligen Kinderfigürchen, welche das gotisch gezeichnete Laubwerk der Umrahmung anmutig durchbrechen, die Einflüsse der Renaissance. Es sind echte italienische Putti.« »Der Einfluß der Kobergerschen Holzschnitte – sagt O. von Hase – auf die deutsche Kunst, wie sie sich durch Albrecht Dürer entwickelt hat, stellt sich als ganz direkte persönliche[560] Einwirkung dar; ja es mutet fast wie ein symbolischer Scherz an, wenn überliefert wird, daß A. Koberger im Jahre seines bedeutsamen Hervortretens an die Oeffentlichkeit A. Dürer aus der Taufe gehoben hat.«

Im Jahre 1504 erlosch Kobergers Druckerthätigkeit. Das letzte eigne Druckwerk war der Schlußband einer Ausgabe des Corpus juris, der am 17. Juni 1504 vollendet wurde. Die Druckerei ist anscheinend an Fr. Peypus in Nürnberg übergegangen. Es erfolgte nun der reine Uebergang Kobergers zum Verlagsbetrieb, indem er seine Verlagsartikel von fremden Pressen herstellen ließ. Den Grundstock des Verlages bildete die gelehrte mittelalterlich-lateinische Litteratur mit Einschluß ihrer wichtigsten Grundlagen; jedoch auch jeder anderen Richtung, wie sie die Litteraturentwickelung jener Zeit mit sich brachte, wurde der Verlag gerecht. Neben den Bibelausgaben, deren er neben der einen deutschen von 1475-1497, 13 lateinische in Folio verlegte, finden wir die Hauptvertreter der großen Zeit des Scholastizismus mit ihren bedeutendsten Werken; daneben Predigtsammlungen, Reden und Betrachtungen. In Kobergers Verlag erschienen 10 Auflagen der »Sermones Discipuli«, 5 Auflagen von Gritschs »Quadragesimale« und 6 Auflagen von Jakobs de Voragine »Historia Lombardica«.

Von größter Bedeutung ist Kobergers Thätigkeit als Verlagsgroßhändler, seine Beteiligung an den von anderen Druckern verlegten Werken. Hierher gehört seine Verbindung mit Adolph Rusch in Straßburg und Joh. Amerbach in Basel (vergl. »Briefbuch der Koberger« von O. v. Hase). Dadurch wurde ihm auch ein Beherrschen des ganzen Marktes möglich, sodaß er ernsthaft gegen den damals auftretenden Nachdruck zu Felde ziehen konnte. Er that dies durch Vereinbarungen mit angesehenen Druckerverlegern, Beschäftigung unternehmungslustiger Drucker in den Hauptdruckzentren, Kommanditanteilnahme an deren eigenen Unternehmungen – Koberger übernahm oftmals ganze Auflagen zum Vertrieb – sowie Vereinbarungen weit hinausgeschobener Zahlfristen, Androhung der Zahlungsverweigerung bei Schädigung durch Nachdruck. Hielt er die eigenen Pläne geheim und gab er die erstmalig gedruckten mehrbändigen Werke nur komplett aus, so war er ebenso schnell beim Losschlagen von großen Vorräten, wenn sie durch Nachdruck entwertet zu werden drohten. Erklärlich wird diese Wachsamkeit, das aufmerksam Erforschen der Bedürfnisse des[561] Marktes und die Beherrschung des gesamten Litteraturgebietes, wenn man bedenkt, daß Anthoni Koberger niemals einen Privilegienschutz auf seine Verlagswerke nachgesucht hat; kaiserliche Privilegien traten in Deutschland überhaupt erst 1512 auf.

Den Vertrieb seines Verlages besorgte Koberger in der Weise, daß er den Verkauf in Deutschland von Nürnberg aus besorgte, während er für die umfassenden Verbindungen mit dem Auslande selbständige Filialen errichtete. Die bedeutendsten Vertretungen hatte er in Paris und Lyon. Die Pariser Filiale, die anfänglich von Johann von der Bruck, und nach dessen Tode von Johannes Blumenstock genannt Heidelberg, geleitet wurde, besorgte den Verkauf in der schon damals 300000 Einwohner zählenden Stadt, während von Lyon aus die Verbindungen über ganz Frankreich nicht nur, sondern bis nach Spanien und Italien hinein reichten. Der Lyoner Filiale stand Hans Koberger, ein Vetter des Antonius (siehe unten) vor. Wesentlich gefördert wurde der Absatz durch den gewaltigen Verkehr, der sich in dem Welthandelsplatz in Lyon konzentrierte. Die Lyoner Messen wurden aus aller Herren Länder besucht, und auf ihnen wurden auch meist die Zahlungs- und Geldgeschäfte erledigt. Wir sehen auch Hans Koberger selber mit hochbepackten Wagen durch Frankreich, über die Pyrenäen nach Spanien oder über die Alpen nach Italien ziehen, um in den reichen Klöstern und Städten die Schätze seines Lagers gegen gutes Geld einzutauschen.

Besonders in Venedig hatte Koberger weitverzweigte Verbindungen. Von hier nahm er nach glücklich beendetem Verkauf oder auch infolge Tausches, reiche Schätze vorzugsweise klassischer Litteratur mit heim, die dann zum großen Teil nach Nürnberg gingen und von da aus vertrieben wurden. Für den Westen hatte A. Koberger Niederlagen in Ofen, Krakau, Breslau und Wien.

Von Leipzig aus wurde hauptsächlich der Verkehr mit dem Osten und Norddeutschland gepflegt; wie bedeutend derselbe gewesen sein muß, erhellt aus der Thatsache, daß Koberger dort einen ständigen Kommissionär, Peter Clement, hatte.

Bei weitem den ersten Platz nimmt aber die Frankfurter Messe ein, wie denn Frankfurt um die Wende des Mittelalters überhaupt der erste Handelsplatz des europäischen Kontinents war. Koberger hatte in Frankfurt in den späteren Jahren eine eigene Niederlage, der er die neuen Druckwerke zum Teil von Basel aus direkt zuführen ließ. Er besuchte die Frankfurter Messen, soweit die Nachrichten[562] reichen, fast regelmäßig – von 1493 – 1509 fünfzehnmal – und zwar nicht nur des Verkaufs halber, sondern vorzugsweise auch zur Anbahnung neuer Unternehmungen und zur Abwickelung seiner geschäftlichen Verbindlichkeiten.

Anthoni Koberger starb am 3. 10. 1513; da die Söhne noch nicht großjährig waren, so übernahm zunächst Kobergers Vetter Hans Koberger die Leitung des Geschäftes. Ursprünglich als Goldschmied thätig, hat er sich später dem Buchhandel zugewandt und, wie schon erwähnt, seines Vetters Geschäft lange Jahre von Lyon aus in den romanischen Ländern vertreten. Zusammen mit Hans wirkte später Anton Koberger (der Jüngere) und wurde das Verlagsgeschäft bis 1526 fortgesetzt, das Sortimentsgeschäft bestand noch bis 1532. Im Jahre 1629 ist der letzte Nürnberger Sproß der Koberger gestorben, nachdem der Erwerb der Familie sich lange schon der Juwelierkunst zugewandt hatte.

1540, als der Kobergersche Geschäftsbetrieb längst erloschen schien, ließ Melchior Koberger, ein jüngerer Bruder Anthonis, auf seine Kosten durch Bernhard Milchtaler eine böhmische Bibel, die einzige in Deutschland hergestellt, drucken.

Quellen: O. Hase, die Koberger, 2. Auflage 1885 (Leipzig, Breitkopf & Härtel), mit Nachtrag 1886; vergleiche auch Kapp, Buchhandel, Band I und das Kapitel »Zur Literatur über die Koberger« in Hases Buch; Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels, Band I ff.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 3. Berlin/Eberswalde 1905, S. 558-563.
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