Orell Füßli

[734] Orell Füßli. Die jetzt unter der Firma Artistisches Institut Orell Füßli in Zürich bestehende Verlagshandlung und Buchdruckerei mit Schriftgießerei, Galvanoplastik, Lithographie, Lichtdruck, Autotypie, Photochromie, Xylographie, Karthographie, Zinkätzerei nebst Buchbinderei, führt ihren Ursprung auf den berühmten Züricher Buchdrucker Christoph Froschauer zurück, der Band II, S. 285 d. W. ausführlich behandelt ist.

Die Froschauersche Offizin war 1590 in den Besitz von Johannes Wolf übergegangen; 1592 wendet dieser noch das Signet Froschauers an und seine Drucke tragen oft noch die Bezeichnung »typis Froschovianis« oder »Apud Joannem Wolphium, typis Frosch.« Er druckte u.a. das Flötnersche Säulenbuch und von ihm kam die Druckerei an die Familie Bodmer in deren Besitz sie bis 1719 verblieb. Von dieser erwarben das Geschäft Hartmann Heidegger und Hans Rahn, welche es dann an die um 1760 zu diesem Zweck neubegründete Gesellschaft Füßli & Co. abtraten. 1769 liquidierte diese Firma und der Restbestand des Geschäftes ging an die neue Firma Orell, Geßner & Co. über. Ihr gesellte sich als weiterer Gesellschafter im Jahre 1783 Johann Caspar Füßli zu. 1795 firmierte die Handlung Orell, Geßner, Füßli & Co., 1798 verschwand daraus der Name Geßner. Eine neue und für die Entwickelung des Hauses wohl wichtigste Epoche leitete Johannes Hagenbuch ein, welcher anfänglich Teilhaber, später alleiniger Inhaber der Firma wurde. Es war 1789 zu Zürich geboren und anfänglich für den kaufmännischen Beruf bestimmt. Lieblose Behandlung seitens seines Lehrprinzipals veranlaßte ihn zur Aufgabe dieser Stellung, und nach einer kürzeren anderweiten Beschäftigung fand er 1807 Aufnahme als Lehrling im Hause Orell Füßli & Co. Sein Fleiß und seine Strebsamkeit verschafften ihm bald eine Vertrauensstellung. Seine durch größte Sparsamkeit erworbenen bescheidenen Mittel ermöglichten ihm alsdann im Jahre 1817 die Uebernahme des Geschäftsanteils des Landvogts von Orelli, dem Vater des berühmten Philologen Joh. Konrad von Orelli, wodurch er Mitbesitzer des Geschäfts wurde. Glückliche[734] Verlagsunternehmungen erlaubten ihm, nach und nach auch die anderen Verlagsanteile anzukaufen, und gegen Ende der 50er Jahre befand sich die umfangreiche Handlung ausschließlich im alleinigen Besitze von Johannes Hagenbuch. Durch ihn wurde das Geschäft in allen Teilen sehr erheblich erweitert; Verlag und Druckerei nahmen einen ungeahnten Aufschwung, sodaß die Firma bald an die erste Stelle der Schweizer Verlagsdruckereien rückte. Hagenbuch ( 8.10.1863) zog sich nach 47jähriger Wirksamkeit von der Leitung des Geschäfts zurück, diese seinem Schwiegersohne Fisch-Hagenbuch überlassend, welcher bereits seit 1846 im Geschäfte tätig war, neben Adrian Ziegler, welcher seit 1834 als Teilhaber der Firma fungierte.

1864 ging die Antiquariatsfirma A. Siegfried in Zürich an Orell Füßli & Co. über, 1886 wurde aber dieser Geschäftszweig wiederum abgestoßen und an H. Ernst verkauft (gegenwärtiger Inhaber H. Raustein). Die Sortimentsabteilung, die seit 1871 getrennt vom Verlage geführt wurde, übernahm 1884 Albert Müller.

1890 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, als deren Präsident der seit 1863 dem Geschäfte angehörende H. Wild-Wirth berufen wurde.

Heinrich Wild wurde am Schalttag des Jahres 1840 geboren und verbrachte seine Jugend in dem elterlichen Pfarrhause Hirzel, Kanton Zürich, um nach Absolvierung des Gymnasiums auf den Wunsch seines Großvaters, Joh. Hagenbuch, die Buchhändlerlaufbahn zu betreten. Er machte seine Lehrzeit in Stuttgart bei August Schaber durch, verweilte dann kurze Zeit in dem großväterlichen Geschäfte, hielt sich nachher in Basel, London, Paris und Leipzig auf.

1863 kehrte er heim. Ende der achtziger Jahre war das im Hause erfundene Photochrom-Verfahren soweit entwickelt, daß Wild eine großartige Entwicklung dieser Branche voraussah. Sie wurde vom Stammhause abgetrennt, das nur die Fabrikation behielt, während der Verlag der Photochrombilder von der mit 2 Millionen Franken Aktienkapital arbeitenden Photoglob Co. betrieben wurde. Wild war seit Anbeginn Präsident und Leiter der Gesellschaft, und sie hat seiner Initiative und Schaffensfreudigkeit ihre Erfolge zu verdanken. 1895 wurde der Schrödersche Lichtdruckverlag mit ihr verbunden.

Das Annoncen-Departement war früher vom Stammhause abgetrennt worden und arbeitet heute noch als selbständige Gesellschaft.

Auch außergeschäftlich betätigte sich Wild sehr lebhaft. Er war längere Zeit Mitglied des Großen Stadtrates, des Verwaltungsrates der Nordostbahn, Direktionspräsident der Ütlibergbahn, wie er sich denn für Eisenbahnfragen besonders interessierte und auch viel darüber geschrieben hat. Dem Vaterlande hat er als tüchtiger Offizier[735] mit Aufopferung gedient und ist zum Range eines Oberstbrigadier emporgestiegen.

Als Mitglied des Vereins Schweizerischer Buchhändler wurde er 1877 in den Vorstand gewählt, dem er während drei Jahren angehörte. Welches Vertrauen der Schweizerische Buchhändler-Verein in das Urteil und die Umsicht Heinrich Wilds setzte, beweist, daß er während dieser Zeit, in der die ersten Versammlungen gegen das Schleuderunwesen in Deutschland stattfanden, dreimal offiziell als Vertreter des schweizerischen Buchhandels zu denselben delegiert wurde. Die klaren Voten Heinrich Wilds trugen viel dazu bei, Zögernde für die Bekämpfung des Rabattunfuges zu gewinnen, und er hat sich dadurch nicht nur um den schweizerischen, sondern um den Gesamtbuchhandel verdient gemacht. Wild starb am 17.8.1896.

Der Vorstand der Familien-Aktiengesellschaft setzt sich gegenwärtig zusammen aus C. Wild-Glutz, Paul F. und Heinrich Wild.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1896; Heitz, Züricher Büchermarken, Zürich 1895.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 734-736.
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