[869] Schultheß. Friedrich Schultheß, der Sohn des Chorherrn und bekannten theologischen Schriftstellers Johannes Schultheß,[869] wurde im Jahre 1804 zu Zürich geboren. Nach einer zweijährigen Lehrzeit, welche Schultheß am Setzkasten zubrachte, übernahm er im Alter von 17 Jahren selbst die Leitung des 1776 begründeten Geschäftes. Es bedurfte der eisernen Energie und der unermüdlichen Tätigkeit, welche Schultheß während seines ganzen Lebens auszeichneten, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Nachdem sich Schultheß durch einige glückliche Verlagsunternehmungen von lokalem Interesse aus den beengenden Verhältnissen einigermaßen herausgearbeitet hatte, suchte er seinem Geschäfte eine größere Ausdehnung zu geben, und trat 1826 in direkte Verbindung mit dem deutschen Buchhandel. Nach den zahlreichen theologischen Schriften seines Vaters gab Schultheß nunmehr auch mehrere größere Verlagswerke heraus, unter denen in erster Linie Zuinglii opera, cur. Schulero et Schulthessio zu nennen sind. Zugleich mit dem Verlage begann sich seit 1830 auch das Sortimentsgeschäft zu heben.
1832 assoziierte er sich mit Salomon Höhr unter der Firma »Schultheß & Höhr« eine Verbindung, die indessen schon im Jahre 1835 in freundschaftlicher Weise gelöst wurde.
Die Buchdruckerei, mit welcher Schultheß im Jahre 1835 auch eine lithographische Anstalt verband, wurde in den folgenden Jahren hauptsächlich durch die Herausgabe der Zürcherischen Großratsverhandlungen, sowie durch verschiedene Zeitungsunternehmungen in Anspruch genommen. Unter den letzteren nennen wir den »Constitutionellen«, den geistreich redigierten »Republikaner« und die von 1845-1860 erscheinende Eidgenössische Zeitung, letztere besonders ein in der ganzen Schweiz sehr geschätztes und verbreitetes Journal von liberal-konservativer Tendenz.
Von den zahlreichen Verlagsunternehmungen, welche Schultheß nun ausführte, sei erinnert an Vögelins Schweizergeschichte, Schulers Schweizergeschichte, verschiedene historische und juridische Werke Bluntschlis; dann die große »Schweizerische Volksbibliothek«, Moussons Physik, das Staatswörterbuch von Bluntschli und Brater, Rüstows kriegsgeschichtliche Werke, welche den Schultheßschen Verlag namentlich im Auslande bekannt machten; verschiedene Schriften von A. E. Fröhlich, Heers Urwelt der Schweiz u. a. m. Schultheß pflegte hauptsächlich die schweizerische Richtung seines Verlages, und war stets mit Erfolg bemüht, die besten schriftstellerischen und wissenschaftlichen Kräfte seines Vaterlandes an sich zu ziehen. Ein großes Interesse wandte er auch der Verbreitung guter Lehrmittel zu, wodurch die Bedeutung seines Verlags für die Schweiz noch verdoppelt wurde; einzelne Lehrbücher, wie die französischen von J. Schultheß und die englischen von Behn-Eschenburg erlangten auch in Deutschland einen bedeutenden Namen.[870]
1855 nahm der Geschäftsgründer seinen ältesten Sohn Johann Friedrich Schultheß in das Geschäft und machte ihn 1862 zu seinem Teilhaber. Dieser war am 20. November 1832 zu Zürich geboren.
Nach Absolvierung der Realschule trat Schultheß 1845 ins Gymnasium, wo neben der lateinischen Sprache vornehmlich der Geschichtsunterricht sowie die Geographie, speziell das Kartenzeichen den Jüngling fesselten. Bei dem blühenden Aufschwung, in dem sich das väterliche Geschäft gerade damals befand, war es eine ausgemachte Sache, daß er Sohn dieses einst übernehmen sollte, und so finden wir ihn dem auch bald auf seiner Wanderschaft, erst in Stuttgart, wo er die Lehrzeit absolvierte, dann in der Metropole des deutschen Buchhandels, Leipzig, wo die Schultheßsche Verlagsfirma hohes Ansehen genoß, später in Mainz und Wien; überall hat er Bekanntschaften und Freundschaften geschlossen, die Teilweise bis an sein Lebensende dauerten. Nach einem kurzen Aufenthalt in London und Paris trat der damals 24 Jahre zählende Mann in das väterliche Geschäft ein, um nach wenigen Jahren als Associé seines Vaters zugleich die Hauptarbeit zu übernehmen.
Ein bleibendes Verdienst hat sich Schultheß sen. erworben, indem er an der Gründung des Schweizerischen Buchhändlervereins im Jahre 1849 einen hervorragenden Anteil nahm, und dadurch den schweizerischen Buchhandel einer sehr kläglichen Lage entreißen half. In gerechter Anerkennung seiner Verdienste wählte ihn auch der Verein bis zum Jahre 1863 stets in den Vorstand, und übertrug ihm mehrmals das Präsidium, das er mit vielem Takte versah.
Während aber Schultheß den Obliegenheiten seines Berufes mit größer Gewissenhaftigkeit nachkam, nahm er auch den lebhaftesten Anteil an den Geschicken seines Vaterlandes, dem er in schwierigen Zeiten, und mit vieler Selbstverleugnung seine Dienste lieh. In den bewegten dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts bedurfte man solcher Männer, die wie Schultheß mit Entschlossenheit den Gefahren der Parteileidenschaft ins Auge sahen und zugleich ihren besänftigenden Einfluß auf die erhitzten Gemüter geltend machten. Obwohl keineswegs gleichgültig gegen die damaligen Zeitströmungen, vielmehr keineswegs gleichgültig gegen die damaligen Zeitströmungen, vielmehr ein offener Freund der konservativen Sache, wußte Schultheß doch ein schroffes Auftreten zu vermeiden und auch dem Gegner durch die ihm eigene Energie und Kaltblütigkeit Achtung zu gebieten. Namentlich fand er als Militär Gelegenheit, diese seine Eigenschaften aufs wirksamste zu betätigen. Seine militärische Befähigung wurde auch vollkommen gewürdigt, und schon 9 Jahre seinem Eintritt ins Militär avanzierte er, nachdem er sich mehrere schwierigen Missionen mit Geschick entledigt, 1832 zum Oberst-Leutnant. Als[871] solcher machte er noch im Jahre 1847 den Sonderbundsfeldzug mit. Das Jahr 1849 brachte ihm die Wahl zum eidgenössischen Ober-Kriegsrat.
Schultheß bekleidete auch verschiedene bürgerliche Aemter, und machte sich als Mitglied des großen Stadtrates, Vizepräsident der Zunft zu Safran und Kommandant der städtischen Feuerwehr um seine Vaterstadt Zürich sehr verdient. Er starb am 29. August 1869, das Geschäft übernahm der schon genannte älteste Sohn. Auch er fand neben seiner reichen geschäftlichen Tätigkeit noch Zeit, sich öffentlichen Angelegenheiten zu widmen. Der schweizerischen Armee diente er als Stabsoffizier der Infanterie, der Stadt Zürich eine Reihe von Jahren als Oberpannerkommandant und Chef der städtischen Feuerwache, ferner war er Präsident der Zunft zur Saffran. Seinem hohen Ansehen, das auch Friedrich Schultheß junior in der züricherischen Handelswelt besaß, verdankte er im Jahre 1887 die Wahl zum Mitglied des züricherischen Handelsgerichtes. Dem schweizerischen Buchhändlerverein stand auch er, gleich seinem Vater, mehrmals als Präsident vor; dem süddeutschen Buchhändlerverein gehörte er lange Zeit als Vorstandsmitglied an.
Von Hause aus Konservativ, blieb er dem politischen Leben und Treiben ferne, obwohl ihm als Mitglied des großen Rates dazu Gelegenheit gegeben war. Dagegen nahm er regen Anteil an den kirchlichen Angelegenheiten seiner Vaterstadt; er war der Typus des im Getriebe der Großstadt immer seltener werdenden politisch und kirchlich konservativ denkenden Alt-Zürichers und diesem Hauptzuge seines Charakters entsprach denn auch die durchaus vornehme Natur seines Verlages.
Schultheß richtete bei seiner verlegerischen Tätigkeit sein Hauptaugenmerk auf literarische Erzeugnisse auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft, Geschichte Militärwissenschaft und Pädagogik, und die Namen eines A. v. Orelli, Schneider und Fick, Meyer von Knonau, Oechsli und Dändliker, Wilhelm Meyer-Ott, Breitinger, Eberhard und Largiadèr etc. etc. beweisen am besten die Bedeutung des Verlags. In den gegen 1500 Verlagsartikel zählenden Schultheßschen Verlagskatalog findet sich als Kuriosität neben zumeist schweizerischen Autoren auch der Name Richard Wagners, der im Jahre 1851 eine Arbeit über »Ein Theater in Zürich« herausgab.
Im Jahre 1900 sah sich Schultheß infolge eines schon seit längerer Zeit auftretenden Nervenleidens genötigt, sich von Geschäft zurückzuziehen, was bei dessen Uebergang an seine beiden jüngeren Söhne, den jetzigen Inhabern Wilhelm und Hans Schultheß, die Firmaänderung in Schultheß & Co. zur Folge hatte. Schultheß selbst starb am 8. September 1904.
Quellen: Börsenblatt f. d. deutsch. Buchhandel 1869 u. 1904.
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