Springer, Julius

[913] Springer, J. Julius Springer wurde zu Berlin am 10. Mai 1817 geboren. Er war das einzige Kind seiner Eltern. Seine Mutter starb wenige Wochen nach seiner Geburt. So wurde seine Erziehung dem damals berühmten Cauer'schen Pädagogium[913] in Charlottenburg anvertraut, wo er als kaum zweijähriges Kind in der Familie des Dirigenten die liebevollste Aufnahme fand. Nach Absolvierung des Cauer'schen Instituts besuchte er von 1829 ab zu seiner weiteren Ausbildung noch das Berlinische Gymnasium zum grauen Kloster.

In der ersten Hälfte der dreißiger Jahre trat Springer in die damalige Enslin'sche Buchhandlung als Lehrling ein und gewann in dem Besitzer derselben, G. W. F. Müller, einen Lehrherrn, der bald genug mit dem ihm eigenen klaren Blicke die ganz besonders hervorragende geistige Befähigung seines neuen Zöglings erkannte und sich dessen buchhändlerischer Ausbildung mit ganz besonderer Hingebung und glänzendstem Erfolge widmete.

Nach einer solchen, in hohem Grade fruchtbringenden Lehrzeit hat Springer einige Jahre als Gehilfe in Zürich, Stuttgart, Paris und in Berlin zugebracht, bis er im Mai 1842 in seiner Vaterstadt Berlin sein eigenes Geschäft gründete, nachdem er den früher gehegten Plan, sich in Lausanne niederzulassen, aufgegeben hatte.

Er pflegte zunächst neben dem Sortiment das Kommissionsgeschäft und hat in beiden Zweigen seine Firma sehr bald zu einer der angesehensten emporgebracht.

Hatte Springer schon durch die Energie und seltene Arbeitstüchtigkeit, die ihn in dem eigenen, selbstbegründeten Geschäfte in hohem Grade auszeichneten, die Aufmerksamkeit unter den Kollegen auf sich zu lenken gewußt, so mußte seine Bedeutung noch mehr bei persönlicher Begegnung und in öffentlichen Versammlungen hervortreten. Seine angenehme, gewinnende Persönlichkeit, seine stets schlagfertige Redegewandtheit, die Kühnheit und der Mut, mit denen er seine Ansichten gegen Jedermann zu verteidigen wußte, machten ihn bald zu einem der bedeutsamsten Mitglieder unter den Berliner Genossen. So war er denn auch eifrig beteiligt bei der Begründung der Berliner Korporation im November 1848, wie bei der Einrichtung der Berliner Korporationsanstalten. Seit 1848 bis Ende des Jahres 1876 mit alleiniger Ausnahme der Jahre 1869, 1870, also volle 26 Jahre hindurch war Springer Mitglied des Vorstandes oder eines der Ausschüsse der Korporation der Berliner Buchhändler.

Es gab aber auch in der Tat keine gewichtige Frage im gesamten Buchhandel, der er nicht seine volle Teilnahme, sein lebendigstes Interesse entgegengebracht hätte, und so ist es nicht zu verwundern, daß Springer von Mitte der vierziger Jahre an wohl bei jeder gemeinsamen buchhändlerischen Debatte, die in Berlin geführt wurde, sich lebhaft beteiligte und dabei als geistvoller und gewandter[914] Verteidiger seiner oft originellen, immer aber hoch beachtenswerten Anschauungen unbewußt in den Vordergrund treten mußte.

Es würde zu weit führen, hier auf alle die Verhandlungen zurückzugreifen, welche einzelne derartige Fragen hervorgerufen haben. Anfangend bei den ersten Konflikten mit der Polizei infolge der seit 1848 geänderten Gesetzgebung, bei den oft kleinlichen Chikanen, wie sie damals den Gewerbetreibenden bei Konfiskationen, bei Bedrohung mit Entziehung der Konzession usw. gespielt wurden, müßte hier die ganze Epoche Hinckeldey geschildert werden, um Springer als den stets kampfbereiten, unerschrocken immerfort für das Recht der Gesamtheit kühn und mannhaft eintretenden Kämpen hinzustellen.

Dann sei erinnert an die Beseitigung der Zeitungsstempelsteuer, an die Umwandlung des Meßagios. Auch diesen und ähnlichen kleineren Anlässen widmete Springer stets sein volles eingehendes Interesse und war stets auf dem Platze, wenn es galt, in irgend welcher Beziehung dem gemeinsamen Wesen des Buchhandels förderlich zu sein.

Die Klärung der vielfachen dunklen und unsicheren Punkte in unserem Usancen- und dem ganzen literarischen Rechtswesen war ihm stets ein besonders erwünschter Anlaß, sein klares, verständnisvolles, von seltener Gedankenschärfe zeugendes Urteil unbefangen der allgemeinen Prüfung vorzulegen.

Eine natürliche Folge der lebhaften Anerkennung solcher Bestrebungen um Förderung der allgemeinen buchhändlerischen Interessen war Springers Wahl zum Vorsteher des Börsenvereins. In den sechs Jahren seiner Amtstätigkeit (von Ostermesse 1867-1873), die durch seine unausgesetzten Bemühungen zu einer wahren Glanzepoche in der Geschichte des Börsenvereins geworden sind, liegen Momente genug, die unter seiner persönlichen Mitwirkung zu dauernden Erfolgen geführt haben.

Auf dem Gebiet der Gesetzgebung fällt in jene Epoche das Zustandekommen des Reichsgesetzes über das Urheberrecht an Schriftwerken etc. vom 11. Juni 1870.

Auch die so wichtige und mühselige Vorarbeit zur Aufstellung geeigneter Grundbestimmungen an Stelle der veralteten landrechtlichen Vorschriften über den Verlagsvertrag ist ursprünglich aus Springers Anregung hervorgegangen.

Nicht minder hat ihn aufs lebhafteste die Herstellung des Entwurfs eines internationalen literarischen Normalvertrages beschäftigt. Zur Ausarbeitung eines solchen Entwurfs berief Springer[915] im September 1871 eine buchhändlerische Kommission nach Heidelberg, welche sich in mehrtägigen Beratungen über die Fromulierung der nötigen Bestimmungen im Einklange mit dem Gesetze des Norddeutschen Bundes vom 11. Juni 1870 einigte und so eine hinterher vom preußischen Literarischen Sachverständigen-Vereine geprüfte, teilweise ergänzte und verbesserte Arbeit geliefert hat.

In die Zeit seiner Amtsführung als Vorsteher des Börsenvereins fällt auch der Uebergang des alleinigen Eigentums an dem Börsengebäude nebst Inventarium auf den Börsenverein (Ostermesse 1869). Von seiner lebhaften Fürsorge für die Bibliothek des Börsenvereins zeugen seine Bestrebungen gleichfalls. Die hierzu nötigen Mittel wurden bereitwillig von der Hauptversammlung gewährt, und so hat man Springer die verbesserte Einrichtung und Aufstellung der Bibliothek, sowie die Herausgabe genauer Kataloge zu verdanken. Ebenso lag es ihm am Herzen, den redaktionellen Teil des Börsenblattes reicher auszustatten, zu welchem Behufe eine höhere Etatsposition dem Vorstande zur Verfügung gestellt wurde.

Mehrfach von glücklichen Verlagsunternehmungen angeregt, übergab er im Januar 1858 das Sortiments- und Kommissionsgeschäft seinem Nachfolger Carl Gütschow und widmete sich von da ab ausschließlich seinem Verlage. Nach Gütschows Tode gingen jene Zweige des Geschäfts im Februar 1862 auf Georg und Max Winckelmann, später auf Max Winckelmann allein und im April 1877 auf Georg Winckelmann (Sohn) über.

»Wenn die Sorge um die Existenz des Einzelnen und seiner Familie beseitigt, dann tritt an ihn die Verpflichtung heran, seine Kräfte dem allgemeinen Wohle zuzuwenden.« So etwa sprach Springer sich gelegentlich über seine vielseitige Kommunal-Tätigkeit aus, die nicht unerwähnt bleiben darf.

Schon 1848 war ihm, dem damals kaum 31jährigen, von seinen Mitbürgern das Amt eines Berliner Stadtverordneten übertragen worden, das er drei Jahre hindurch innehatte. Wie sehr aber schon in jener jugendlichen Epoche Springers Bedeutung sich kundgab, geht wohl daraus hervor, daß ihm 1848-1849 das Amt des Schriftführers in der Stadtverordneten-Versammlung verliehen wurde, mit welchem Amte damals zugleich die Vertretung des Vorstehers verbunden war. Später hat Springer die Aemter eines Bezirksvorstehers, Schiedsmannes und ähnliche Kommunal-Stellungen bekleidet, bis er im Jahre 1869 wiederum in die Stadtverordneten-Versammlung gewählt wurde.[916]

Es gab kaum ein Amt in der Selbstverwaltung, in das nicht Springer durch das Vertrauen seiner Mitbürger berufen worden wäre. Seiner politischen Ueberzeugung nach gehörte er von Anfang an stets der entschieden freisinnigen Richtung an und ist derselben unwandelbar treu geblieben. Auch der Einführung der neuen Gemeindeverfassung der evangelischen Kirche widmete er sich mit lebhaftem Interesse und gehörte seit dem Bestehen der neuen Ordnung dem Kirchenrate der Berliner Sophien-Gemeinde an.

Der Charakter des Springer'schen Verlages ist im Buchhandel hinlänglich bekannt. Anfangs bot derselbe lediglich Tagesbroschüren, kleine politische und volkswirtschaftliche Erörterungen; bald aber richtete Springer sein Augenwerk auf die Herausgabe technischer, pharmaceutischer, fortwissenschaftlicher, juristischer und staatswissenschaftlicher Werke und hat auf diesen verschiedenen Gebieten sehr Anerkennenswertes geleistet. Einer persönlichen Vorliebe nachgebend, hat er auch die Schachliteratur in hervorragenden Erscheinungen zu bereichern gewußt. Seine Geschäftsklugheit, die bei aller Schnelligkeit im Handeln doch eine besonnene Ueberlegung nie außer acht ließ, trug ihm hier eine Reihe namhafter Erfolge ein, welche seinem Verlage in den angedeuteten Zweigen der praktischen Literatur eine bevorzugte Stelle einräumen mußten. Von belletristischer Literatur hat Springer mit besonderem Glücke eigentlich nur die Werke des ihm aus seinen mehrfach wiederholten Besuchen der Schweiz persönlich bekannt gewordenen Pfarrers Bitzius (Jeremias Gotthelf) in verschiedenen Einzel- und Gesamtausgaben verlegt. Es konnte dieser Versuch für einen norddeutschen Verleger als ein Wagnis betrachtet werden, da der Schwerpunkt des Absatzes hierfür doch nur in der Schweiz zu suchen war. Indessen hat Springer bei dem glücklichen Erfolge dieses Unternehmens nie das Wagnis zu bereuen gehabt.

Eine kurze Uebersicht über den ausgedehnten Springer'schen Verlag möge erweisen, daß die Grundsätze, die der Begründer festgelegt, auch von seinen Nachfolgern nicht nur festgehalten, sondern in ganz hervorragendem Maße erweitert wurden, umfaßt doch der Gesamtverlagskatalog nicht weniger als 275 Seiten in Groß-Oktavformat. Aus dem Gebiete der Bau- und Ingenieurwissenschaft einschließlich der mechanischen Technologie erwähnen wir die Namen Dr. Herm. Grothe, Siemens, Woas, Riedler, Joly, Johow, Hubenthal, Herzberg, Pfuhl, Rietschel, Schnabel etc., sowie den Ingenieurkalender (seit 1879), Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft, Kalender für den Berg- und Hüttenmann (1852 uff.), Wochenschrift und Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure (seit 1882), vordem[917] Verlag von R. Gaertners Verlag in Berlin) usw. Auf dem Gebiete der Elektrotechnik treffen sich im Springer'schen Verlage alle Kapazitäten, wir nennen nur Arnold, Bernstein, du Bois, Dub, Grawinkel, Kohlrausch, Kolbe, Maxwell, May, Niethammer usw.

Die Chemie und chemische Technologie verzeichnet Namen wie Aßmuß, Belling, Bischoff, Deite, Elsner, Hager, Husemann, Jeserich, König, Mierzinski, L. Müller, Petersen, Pubetz, Reimann, Windisch usw., außerdem die Zeitschrift für angewandte Chemie (seit 1888), für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel (seit 1898) etc. Physik, Mathematik und Mineralogie sind ebenfalls reich vertreten, darunter Namen wie Gauß, Goldschmidt, Jordan, Riemann, Thomsen, W. Weber, Weierstraß, Weinstein u. v. a. Aus dem Gebiete der Pharmazie, Medizin und Hygiene nennen wir das Adreßbuch für den deutschen Arznei- etc. Handel, Werke von Bell, Biechele, Böttger, Buchhaister, Busley, Elsner, von Esmarch, Flückiger und Tschirch, Fränkel, Hager, Husemann, König, Potonié, Runge, Schleich, Windisch, Zopf, sowie die Pharmazeutische Zeitung (seit 1886).

Auch die Forst- und Landwirtschaft einschließlich Botanik und Bodenkunde ist reichlich im Verlage vertreten. Es seien genannt die Arbeiten von v. Alten, Altum, Behm, Bernhardt, Borggreve, Danckelmann, v. Fischbach, Geyer, Grothe, Hartig, Heck, Kienitz, Löffler, Mayr, Müttrich, Ramann, Remelé, Runnebaun, Schneider, Schubert, Schwappach, Weise, Westermeier und Wiese. Außerdem erwähnen wir den Forst- und Jagdkalender, die Forstliche Zeitschrift und die seit 1869 erscheinende Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen.

1880 wurde der Verlagsbuchhandlung der Verlag des »Reichskursbuches« übertragen. Damals betrug die Auflage 36000, heute über 120000 Exemplare.

Der Begründer der Firma, Julius Springer, starb am 17. 4. 1877. Die Führung des Geschäftes übernahm sein Sohn Ferdinand Springer. Dieser war am 21. Juli 1846 zu Berlin geboren. Nachdem er das dortige Friedrichs-Gymnasium, sowie die Landesschule Pforta besucht hatte, erhielt er in den Jahren 1864 bis 1870 seine buchhändlerische Ausbildung in den Firmen W. Hertz (Bessersche Buchhandlung) in Berlin, Carl Ed. Müllers Buchhandlung in Bremen usw. und nahm dann am deutsch-französischen Kriege teil. 1871 trat er in das von seinem Vater gegründete Geschäft ein, wurde am 1. Januar 1872 Teilhaber, nach dem Tode des Gründers alleiniger Inhaber der Firma, in die er am 1. Januar 1880 seinen jüngeren Bruder Fritz Springer als Mitbesitzer aufnahm. Der Verlag hatte inzwischen einen großen Umfang angenommen.[918] Namentlich pflegte er die Elektrotechnik; so sind sämtliche Schriften von Werner Siemens, auch dessen Lebenserinnerungen – hier erschienen. Neben einer Reihe grundlegender Werke hat er auch mehrere hierher gehörige Zeitschriften – wir erwähnen u. a. »Therapeutische Monatshefte«, »Elektrotechnische Zeitschrift«, »Die Merkblätter« und sonstige Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts – ins Leben gerufen. Ferdinand Springer starb am 27. 12. 1906. Kurz vorher waren Julius Springer jr. und Ferdinand Springer jr. in die Firma als Teilhaber aufgenommen worden.

Quellen: Börsenblatt f. d. deutsch. Buchhandel, 1877 uff.; Vossische Zeitung 1906; Verlagskataloge 1900 uff.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 913-919.
Lizenz:
Faksimiles:
913 | 914 | 915 | 916 | 917 | 918 | 919

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon